Thursday, November 24, 2005

Konzertrezension: Norland Wind im Bungertshof in Oberdollendorf am 24.11.2005

Konzertrezension: Norland Wind im Bungertshof in Oberdollendorf am 24.11.2005

„Der liebe Gott hat die Zeit erschaffen, und er hat genug davon gemacht.“ An dieses irische Sprichwort dachte ich wirklich nicht, als ich um 19.15 Uhr an der U-Bahn stand, die nächste Bahn erst um 19.36 Uhr kommen sollte, und ich beschloss das Auto zu nehmen, um rechtzeitig um 20 Uhr am Bungertshof zu sein, das Auto aber nicht ansprang, ich so die Bahn um 20.06 Uhr nehmen musste und um 20.30 Uhr am Bungersthof ankam. Aber die Musiker waren so freundlich, mit dem Konzert noch nicht angefangen zu haben. Das lag aber doch nicht an meiner Verspätung, sondern daran, dass sie von Berlin kommend zehn Stunden auf der Straße verbracht hatten, davon drei im absoluten Stau. Nun, sie mussten erst einmal das ganze elektronische Equipment aufbauen und einrichten, einige hatten zwischendurch auch noch Zeit für ein Schwätzchen, das Publikum in dem vollständig besetzen Raum, inklusive einer Hochzeitsgesellschaft, wartete geduldig, die Leute unterhielten sich, aßen und tranken, ganz im Sinne einer französischen Mittagspause, wie David Michel von Le Clou, die am 3.2.2006 im Bungertshof spielen werden, es gerne sagt, und schauten den Musikern beim Aufbau zu. Nachdem ich so eine Stunde da stand, mit Wirt und Wirtin, sowie den Duggan-Brüdern sprach, dann plötzlich Matthias Klose von Till Nine auftauchte und sagte, an ihrem Tisch ganz vorne sei noch ein Platz frei, begann dann so gegen 21.30 Uhr das Konzert, und es wundert nun eigentlich nicht, dass mir da oben zitiertes irisches Sprichwort einfiel.

Eine der besten deutschen oder – besser gesagt – in Deutschland ansässigen – da ja deutsch-irisch-norwegisch-schottisch/englisch besetzt – Irish Folk-Gruppen zu hören, nimmt man doch gerne mal etwas in Kauf, zumal ich sie noch von ihrem Konzert 2001 in der Harmonie in angenehmster Erinnerung hatte, und Kerstin Blodig zwischendurch noch in der Brotfabrik mit Kelpi und in Rudolstadt mit Malbrook gehört hatte. Und als sie da nun mit ihrer Gitarre wieder vor mir stand und ihre faszinierende Stimme erklingen ließ, neben ihr, aus Publikumsperspektive links Noel Duggan mit einer Mandoline, hinter ihm Matthias Kießling am Keyboard, rechts von Kerstin Thomas Loefke an seiner Harfe, etwas versteckt hinter ihm Pádraig Duggan mit Bongos, rechts von Thomas Máire Breathnach mit ihrer Geige und ganz rechts Colin (den Nachnamen habe ich jetzt leider nicht) an der Low Whislte, und zwar in Vertretung für Ian Melrose, der sich lieber auf einem Gitarrenfestival herum trieb, als uns die Ehre zu erweisen, nahm mich die Magie dieser Musik sofort wieder gefangen. Wie schon 2001 beschrieben, spielen sie einen sehr an die frühen Clannad erinnernden Sound, ohne sie einfach nachzuahmen. Kerstins Stimme ist auch etwas schärfer als die von Moya Brennan, der berühmten Nichte der Duggan-Brüder, und diese klare Stimme verbunden mit dem recht harten Klang der Harfe, die beide rhythmisch und melodisch zugleich klangen, oft unterstützend ein mehrstimmiger Satzgesang der Duggans und Máires, der Klangteppich des Keyboards, dann die Geige und die Whistle entschädigten sofort für die Wartezeit. Zwischendurch gab es auch einige Soli, leider nicht von Colin, der an diesem Abend seinen ersten Gig in dieser Formation hatte und extra von Mönchengladbach, wo der Engländer wohnt, nach Berlin geflogen war, um sich für drei Tage der Tour anzuschließen. Ein solches hoffe ich doch irgendwann mal hören zu dürfen, denn der junge Mann spielte genau so erstklassig wie die anderen.

Für Gitarristen dürfte es interessant gewesen sein, Kerstins Gitarrenspiel zu beobachten, das sie bei einem norwegischen Trollsang, welcher besseres Wetter herbei rufen sollte, einsetzte: Sie tippte zuerst die Saiten mit den Fingernagelspitzen an, strich dann einen harten Akkord mit den Fingernägeln, dann einen weichen mit den Fingerkuppen. Der Till Niner Bernd meinte, das machten Rockmusiker manchmal mit E-Gitarren, aber Kerstin hatte eine elektroakkustische, und ihr ruhiges, aus sehr langen Vokalen bestehendes Lied wurde dadurch rhythmisch und um noch eine Spur sphärischer, als es eh schon war. Die meisten Lieder wurden natürlich nicht auf Norwegisch, sondern auf Gälisch gesungen, wenige auf Englisch. Dass die Duggans Gälisch können, ist ja allgemein bekannt, und auch bei Máire Breathnach wundert es nicht, aber auch Kerstin Gälisch hörte sich für meine Ohren authentisch an. Das Besondere am Norland Wind- und frühen Clannad-Sound ist meines Erachtens, dass sich selbst die ruhigen und eher langsamen Stücke sehr rhythmisch und vielschichtig anhören. In dieser Art ist auch eines der Stücke aus Thomas Loefkes Feder, zugleich eines meiner Lieblingsstücke überhaupt. Es wurde von Thomas mit der Geschichte angekündigt, dass am 2. Weihnachtsfeiertag in Dublin viele Leute mit Geigenkoffern unterwegs seien, die Träger eines geheimen keltischen Wissens seien, nämlich, welche Kneipen an diesem Tag offen hätten und dass man diesen Geigenkofferträgern in Dublin dann ruhig folgen sollte, was in Palermo nicht anzuraten sei. Das Publikum lachte, so dass wohl auch viele zum ersten Mal Norland Wind hörten und den Witz noch nicht kannten. Natürlich kam nach dieser Ankündigung kein Pubsong, sondern ein filigran-rhythmisches Harfenstück namens „Stephen’s Day Session“.

So ging das Konzert dann bis ca. 23.30Uhr ohne Pause, und irgendwie wollten die Leute das nicht so richtig begreifen, und es war wohl eher der Gedanke, dass der Freitag ein Arbeitstag sei, der sie dann aufbrechen ließ, und bestimmt ging ihnen am Freitag die Arbeit viel besser von der Hand als sonst.

Pádraig Duggan konnte mir übrigens während der Wartezeit am Anfang eine Frage beantworten, die ich schon mit vielen Musikern und Irish Folks-Fans diskutiert hatte, ohne eine befriedigende Antwort zu erhalten: Wie wird „Clannad“ ausgesprochen, „Clännäd“, wie die meisten meinten, oder „Clannâd“, wie Ted Furey es 1974 beim 2. Irish Folk Festival in Deutschland ankündigte und dem ich immer geglaubt hatte? Weder noch, sondern schlicht und einfach „Clannad“, also schnell und kurz, auf dem ersten a betont, aber nicht mit ä. Pádraig meinte, Ted Furey habe es warum auch immer falsch ausgesprochen damals vor 32 Jahren. Die Duggans gaben mir dann auch noch ihre neue CD „Rubicon“ zur Besprechung mit. Die folgt dann also auch noch demnächst.

Wer die angenehme Mischung aus gemütlichem Restaurant mit guter Wein- und Bierauswahl und irischer Musik demnächst noch mal erleben will, kann das am 16.12., denn dann werden Whisht! dort spielen, und am 22.12., wenn Nadia Birkenstock mit ihrer Harfe da sein wird.


http://www.thomasloefke.de/
http://www.concertidee.de/norlandwind/
http://www.kerstinblodig.de/
http://www.clannad.ie/
http://www.mairebreatnach.com/
http://www.bungertshof.de

Nachtrag:

Margret Hüffer beantwortete die im folkigen Rundbrief rund geschickte Rezension:
"Hallo Michael,
wenn es sich bei Norland Wind um Colin aus MG handelt, ist es Colin Goldie, der die Overton- Whistles in Lizenz baut und selbst ein ganz exzellenter Whistlespieler ist. Schade, hätte ich gewußt, daß er dabei ist, hätte ich es mir glatt noch überlegt...Colin hat übrigens eine ganze Reihe von Whistlern hier ([Namen lasse ich hier raus; MAS] mich selbst etc) mit seinen Whistles versorgt.
Nun weißt Du was Neues, schönes Wochenende
Margret"

Ja, nun weiß ich was Neues. Derartige Rückmeldungen auf Grund sorgfältig gelesener Rundbriefe sind mir immer willkommen.

Und hier deshalb gleich der Link auf Colin Goldies Seite:
http://www.overton.de/texte/csghomedeu.html

MAS

Saturday, November 19, 2005

Konzertrezension: Gambrinus beim Folk im Feuerschlösschen in Bad Honnef am 19.11.2005

Konzertrezension: Gambrinus beim Folk im Feuerschlösschen in Bad Honnef am 19.11.2005

Das letzte FiF-Konzert in diesem Jahr bestritt die Gruppe Gambrinus, deren Mitglieder nicht so weit anreisen mussten, wie die der anderen Gruppen aus England, Schottland und Schweden, sondern im engeren Umkreis zwischen Asbach im Westerwald und Dormagen am Niederrhein wohnen. Ulrich Joosten, der schon in den Gruppen Rhodochrosit, Seidelbast und Filou spielte und auf Deutschfolk spezialisierter Autor im Folker! ist, Matthias Götze-Wittschier, ehemals Musiker bei Whyr, Zaunkönig und auch Filou, Ralf Mrazek, Ex-Skiffle Train , -Maddox und –Stringdance, sowie als „Anstandsdame“ Sylvia Stephan, ehemals Musikern bei Die Lauten, Trumscheyd, Till Nine und Boncompagno nennen ihr Gambrinus-Programm „Kontrastissimo“, und wahrlich, der Name trog nicht.

Uli bediente die Dreheleier und zwei Gitarren, Sylvia ihren Kehlkopf (Instrumentbeschreibung siehe auf deren Homepage) und Percussion, Ralf Banjo und Gitarre und Matthias Geige, Cister und diatonisches Knopfakkordeon und auch die drei Herren ihre Kehlköpfe (Instrumentbeschreibung siehe ...). Und was produzierten sie dabei? Nun zum Beispiel französische, galizische und deutsche Tanzstücke mit Drehleier, Banjo und Geige, wobei sich die ungewöhnliche Drehleier-Banjo-Kombination besonders gut anhörte, man müsste nur, wenn die Drehleier so richtig lauf zu schnarren anfängt, dem Banjo ein Mikrophon extra noch hinstellen, aber das ist ein dermaßen schmissiger Sound, dass ich mich wundere, warum es so was nicht öfter gibt. Oder gibt es das? Oder vierstimmigen Gesang, sogar ein Madrigal auf Kölsch. Mit vier Stimmen vierstimmig zu singen, ohne sich gegenseitig raus zu bringen, das will geübt sein – und war es auch. Oder Übertragungen von tragischen Tierliedern aus der Feder von Eric Bogle ins Deutsche, schottische und quebecoische Lieder in Originalsprachen, eine reine Instrumetalversion des jiddischen „Bei mir bist du schön“, Vertonungen von Gedichten von Fritz Grasshoff, das Till Nine-Fans bekannte „My Johnny was a shoemaker“, das Sylvia in deren Repertoire hinein gebracht hat und anderes mehr. Kontrastissimo eben.

Eigentlich war es schade, dass das Konzert so gut besucht war, dachten wir am Schluss, nachdem das Publikum weg war (Petra und ich waren noch da), als Sylvia und Tontechniker Alex Thieme noch ein paar zweistimmige mittelalterliche Lieder sangen und zusammen mit Mathias eine Schnulze aus dem 20. Jh., denn so ohne die ca. 80 schallschluckenden Körper wirkte die Akustik der Aula (ich habe sonst immer „Foyer“ geschrieben, aber offiziell heißt es „Aula“) noch besser. Aber im Grunde waren doch alle Beteiligten froh, dass so viele Leute kamen, und wenn ich von mir auf andere schließe, waren auch diese 80 froh, gekommen zu sein. Und die von Gambrinus können auch gerne noch öfter kommen.

http://www.gambrinus-folk.de/
http://www.inter-times.de/Components/Vereine/Vereine_Bad_Honnef/Stapelseiten_Bad_Honnef_/stapelseiten_bad_honnef__33.html

MAS

Tuesday, November 15, 2005

Konzertrezension: The Irish Folk Festival – Tunes for Tara Tour in der Philharmonie in Köln am 15.11.2005

Konzertrezension: The Irish Folk Festival – Tunes for Tara Tour in der Philharmonie in Köln am 15.11.2005

Man könnte meinen, eine Tournee durchzuführen ist wie Flöhe hüten, denn waren schon Rüdiger Oppermann beim Klangwelten-Festival vier Damen abhanden gekommen bzw. erst gar nicht erschienen, so traf es Petr Pandula zwar nicht ganz so hart, aber auch bei seinem Irish Folk Festival fehlte eine angekündigte Musikerin, nämlich Phamie Gow, auf deren Gesang, sowie Harfen- und Pianospiel wir somit leider verzichten mussten. Als Vertretung fungierte Alan Burke, der ganz folkig mit Gesang und Gitarre den musikalischen Einstieg in das diesjährige IFF in Köln bescherte. Irgendwie wirkte er von der obersten Sitzreihe her gesehen ja winzig klein da unten auf der runden Bühne der Philharmonie, aber seine kräftige Stimme erfüllte mit elektronischer Unterstützung trotzdem die ganze Halle. (Ich erinnere mich noch an Noel Hill mit der kleinsten Concertina der Welt beim 1990er IFF in der riesigen Schwabenlandhalle in Fellbach.) Ihm folgten mit Gesang, Gitarre und Fiddle Kevin Burke & Ged Foley, auch „the high kings of tradition“ genannt, verbindet der Kenner/die Kennerin ihre Namen doch mit Formationen wie der Bothy Band, der Battlefield Band und Patrick Street, also altehrwürdigen Gruppen der irischen und schottischen Folkszene. (Die Battlefield Band wird übrigens am 1.2.2006 in der Bonner Brotfabrik spielen, natürlich in aktueller Besetzung, wenn es stimmt, was da im IFF-Programmheft steht.) Puristische Freunde traditioneller Musik hätten sich nach diesen beiden Acts eigentlich auf den Heimweg machen können, aber solche Spezialisten finden eh immer seltener den Weg zu einem IFF.

Beoga nämlich, eine fünfköpfige Band aus Nordirland, machte sowohl der Bedeutung ihres Namens „lebendig“ als auch der Zusatzbezeichnung „new folk wizards“ alle Ehre. Liam Bradley (Piano, Keyboard), Sean Óg Graham (Knopfakkordeon), Damian McKee (auch Knopfakkordeon), Eamon Murry (Bhodrán) und Niamh Dunne (Gesang, Fiddle) legten nicht nur ein schnelles Tempo vor, sondern mixten Stile unterschiedlicher ethnischer Provenienz zur einem Irish Stew zusammen, dass ich mich gar nicht satt hören konnte. Die beiden Akkordeons wurden so gespielt, dass jedes einzeln heraus zu hören war, das Bhodránspiel erinnerte mich an Jatinder Thakurs Tablaspiel beim Klangwelten-Festival, die Fiddle und vor allem auch der druckvolle Gesang der Gastmusikerin hätte mich beinahe aus dem bequemen Sitz gerissen. Wirklich sehr, sehr schade, dass dann viel zu schnell die Pause kam.

Die zweite Hälfte des Festvials bestritt Solas alleine, aber auch wenn der Name so klingt, so hat Solas nicht mit solo zu tun, sondern viel mehr mit Licht, und hatte Beoga den akustischen Luxwert schon in blendende Höhe geschraubt, so war man bei Solas der Gefahr ausgesetzt, einen musikalischen Sonnenbrand zu bekommen, ach was heißt Gefahr, vielmehr war diese Bestrahlung ein Hochgenuss. Die irisch-amerikanische Truppe, bestehend aus Seamus Egan (Flöte, Tenorbanjo, Mandoline, Tinwhistle, Lowwhistle, Gitarre, Bodhrán), Winifred Horan (Ex-Cherish the Ladies; Fiddle), Mick MacAuley ( Knopfakkordeon, Concertina, Akkordeon, Lowwhistle, Hintergundgesang), Deidre Scanlan (Gesang), Eamon McElholm (Gitarre, Gesang, Keyboard) legten auf die Vorlage von Beaga noch einen drauf, und gefielen mir auch noch besser als im letzten Jahr, als sie auch schon dabei waren. Vielleicht habe ich mich ja auch verhört, aber ich habe hauptsächlich ungerade Rhythmen in Erinnerung, als läge zwischen Amerika und Irland nicht der Atlantik, sondern der Balkan. Aber was ist schon Geographie bei einer Gruppe, die ein Stück, das nach Österreich-Ungarn klingt „The highlands of Holland“ nennt? Aber Amerikaner dürfen das, denn auch Willy Schwarz, in Deutschland lebender amerikanischer Liedermacher bescheinigt seinen Landsleuten nicht eben die besten Geographiekenntnisse (Vgl. Folker! 6.05 S. 63).

Viel zu schnell war auch dieser Act vorbei, und es blieb nur noch die Festival-Session aller beteiligter Musiker, in der sie bewiesen, dass sie neben dem Spaß auch den Ernst des Lebens zu würdigen wissen. Die Folk-Szene ist heutzutage ja nicht mehr so politisch, wie sie mal war, aber das diesjährige IFF war ja den durch den geplanten Bau eines Motorways gefährdeten Hügeln von Tara gewidmet, dem irischen Nationaldenkmal schlechthin, das in einer Archäologenherzen höher schlagen lassenden Landschaft liegt, und warum auch immer noch nicht als Unesco-Kulturerbe der Menschheit geadelt wurde. Dias von Thomas Frühwacht, umspielt von dem extra dafür komponierten „The hills of Tara“, das auch die Festival-CD so unendlich melancholisch beginnen lässt und „The march of Brian Born“, versuchten, die Herzen des Publikums für die Rettung Taras zu gewinnen. Man konnte dann auch gleich eine Petition unterschreiben. Das Programmheft enthält zudem noch ein paar andere Schauergeschichten historischer und aktueller irischer Politik, Wirtschaft und Religion, geschrieben von Petr Pandula und Gabriele Haefs (Folker!-Lesern bekannt), in denen es um lebensgefährliche Ölpipelines und inhaftierte Anwohner, die sich nicht fügen wollen, geht, und um eine englische Religionsgemeinschaft namens „British Israelites“, die die Engländer für einen verschollenen Stamm Israels hielt und in den Hügeln von Tara die verloren gegangene Bundeslade vermutete, was sie zu Raubgrabungen veranlasste. Heute ist Tara auch ohne solchen religiösen Wahnwitz gefährdet durch pekuniäres Kalkül korrupter Politiker irischer Nationalität. Ich meine, solche aktuelle Politik gehört nicht minder in ein Folks Festival, als Rebelsongs vergangener Zeiten.

http://www.irishfolkfestival.de/
http://www.tradmusic.com/artistinfo.asp?artistID=525
http://www.kevinburke.com/
http://www.gedfoley.com/
http://www.solasmusic.com/
http://www.beogamusic.com/
http://www.savetara.com/
http://www.taraskryne.org/
http://www.protect-tara.org/
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/09/cd-rezension-irish-folk-festival-05.html
http://www.folker.de/200506/16magneticmusic.htm
http://www.magnetic-music.com/http://www.koelner-philharmonie.de/

MAS

Monday, November 14, 2005

CD-Rezension: Deitsch. Königskinder.

CD-Rezension: Deitsch. Königskinder.

(rough trade) 2005, 14 Tracks, 55,47 Minuten mit Texten, Infos und Fotos




Das schrieb ich ganz spontan am 31.10.205 im folkigen Rundbrief:

„Hi Folks,

eben war die neue Klingende Post im Briefkasten mit 22 Stücken aus 22 CDs von Old Songs New Songs in Bochum, darunter eines, auf dass ich in dieser Runde aufmerksam machen muss. Jürgen Treyz und Gudrun Walter, bekannt als Musiker bei Adaro, La Marmotte bzw. Lynch the Box, More Maids u.a. haben sich zu dem Duo Deitsch zusammengefunden und auf der CD "Königskinder" alte deutsche Lieder eingespielt und -gesungen, und zwar in einer solchen Qualität (zumindest nach dem Hörbeispiel der Klingen Post aus zu urteilen), dass mir Tränen der Begeisterung kamen. So zeigt es sich, dass die beiden viele Jahre die irische und französische Musik geübt haben, um nicht nur den Gesang, sondern auch die Instrumentalpartien mitreißend zu spielen, was ja bei Deutschfolkbands oft zu wünschen übrig lässt. Ich kann die CD nicht rezensieren, da ich sie nicht selbst habe, aber lest mal die Rezi von Klaus Sahm und Erich Schmeckenbecher unter:
http://osns.sam-ip.com/detail2.asp?Produkt_ID=453373192.

Wie ich unter http://www.deitsch.de lese, ist es nicht nur ein Duo, sondern auch dabei sind:
Johannes Uhlmann: diatonisches Akkordeon
Henrik Mumm: Fretless-Bass, Akustik-Bass, Kontrabass, Cello
Herbert Wachter: Perkussion, Schlagzeug
Christoph Pelgen: Dudelsäcke (Schäferpfeife, Hümmelchen)
Andreas Uhlmann: Posaune
Konstanze Kulinsky: Satzgesang
Hans Ehrenpreis: Satzgesang

Konstanzes Drehleier ist also leider nicht dabei.“
[Ich habe gegenüber dem Original ein paar Tippfehler korrigiert und den Klaus Sahm eingefügt.]

Und nun, da mir die CD vorliegt, die zwei Tage später kam, ergänze ich zunächst die Instrumente der beiden Hauptprotagonisten:
Gudrun Walter: Gesang, Violine, Viola, Satzgesang
Jürgen Treyz: Akustik-Gitarre, 12-saitige Gitarre, Dobro, Telecaster, Mandoline, Mandola, Satzgesang

Potzblitz, was ist denn da der Esslinger Musikschmiede entstiegen? Eine Stimme wie Nena, ein Bandsound wie Altan, eine Liedauswahl wie bei Garmana oder Triakl, nur eben keine Neue Deutsche Welle und auch keine Irish Folk Music oder Svensk Folkmusik, sondern deutsche Volksmusik, und zwar Lieder, die auch meine Schwiegermutter kennt und mir am Telefon vorsingt, als ich ihr von der CD erzähle. Na zumindest das Titellied „Es waren zwei Königskinder“ singt sie, aber schon geht die Diskussion los: War es nun eine falsche Norne, die die Kerzen ausblies, so wie im Text der CD, oder vielmehr eine falsche Nonne, wie meine Schwiegermutter meint? Ich recherchiere im Internet und finde eine Version von „Deutsche Volkslieder“ von 1807, in der die Norne bestätigt ist, aber auch eine lateinische Version, in der eine monacha falsa, also eine Nonne die Übeltäterin ist, desgleichen in der plattdütschen Version im „Hausbuch deutscher Balladen“, das ich neulich beim Bücherbasar der ULB Bonn erstand, in der es eine Nunne ist. Lassen wir die Frage offen, ob es nun eine germanische Schicksalsgöttin oder eine christliche Ordensfrau war, zumal die Herkunft der Geschichte im antiken Griechenland liegen soll, und schauen, was es sonst noch gibt:

Gesungene Lieder und rein instrumental gespielte Melodien, zumeist Tänze, wechseln einander ab, d.h. Lieder sind es etwas mehr, nämlich acht der 14 Stücke. Gudrun singt hochdeutsch, eines ist von Jürgen auf Schwäbisch. Die Texte, in denen es nicht nur um besagte Königkinder, sondern auch um ein um ihren untreuen Geliebten trauerndes Mädchen, einen Wassermann (ein sehr beliebtes Motiv deutscher Balladen, nicht nur bei Achim Reichel und Johannes Mayr), ein Mädchen das Brombeeren pflückt und dabei schwanger wird, ein anderes Mädchen, das lieber einem jungen Reiter folgt als bei der Mutter zubleiben, einen heimgekehrten Mann, der seine wartende Geliebte hart auf ihre Treue prüft, die Schönheit der Maienzeit und einen schwäbischen Schumacherburschen geht, sind alle traditionell und auch die Liedmelodien, abgesehen von „Der Lindenbaum“, und während die tradierten Melodien recht einfach sind, wie man sie so kennt, werden sie von komplexen und rhythmischen Instrumentaleinlagen begleitet, komplex vor allem dahin gehend, als sie sich dem jeweiligen Textinhalt anpassen, bei dramatischen Stellen an Intensität zunehmen oder ihre Stimmung je nach inhaltlicher Wendung ändern. Mit einfachen Begleitakkorden hat das nichts zu tun, sondern ist Kunst in Hochform. Man merkt den Musikerinnen und Musikern eine langjährige intensive Beschäftigung mit irischer, französischer, balkanischer und anderer Musik an, wobei sich alle diese Einflüsse harmonisch der deutschen Leitlinie anpassen und sie bereichern, ohne exotisch oder zu experimentell zu wirken. Es ist eher so, wie auch irische Musiker sehr viel Fremdes importieren und verarbeiten und zu Eigenem machen. Das gilt auch für die Instumentals: Zwiefacher, Schottische, Rheinländer, Polkas (na, die eine spontan im Studio geschriebene Polka könnte aus Kerry stammen) und anderes (ich kann nicht alles genau identifizieren, da fehlt mir noch etwas Sachverstand), auch mal ein ganz ruhiges Stück mit oben aufgelisteten Instrumenten, wobei Christophs Sackpfeifen etwas sehr zurückhaltend sind, aber Geige und diatonisches Akkordeon verbreiten eine so gute Laune, die bei der doch sehr zu Herzen gehenden Dramatik der Balladen sehr gut tut, und dabei ist der Klang so voll, wie eben bei Altan und anderen der irischen Spitzengruppen.

Fazit: Auf so eine CD habe ich lange gewartet. Endlich widmen sich mal wieder Spitzenmusiker(innen) auch außerhalb der Mundart-, Kabarett- und Bordunszene der deutschen Volksmusiktradition und katapultieren sie ins 21. Jahrhundert, so dass „wir“ endlich mal wieder auf einer Ebene mit unseren europäischen Freunden stehen. Ich setze das „wir“ in Anführungszeichen, weil ich von Kollektividentitäten wie bei „Wir sind Papst“ nicht sehr viel halte, aber etwas Wir-Gefühl ist doch dabei, nicht nur, weil ich die Texte verstehe. Jedenfalls haben wir wieder etwas zum Vorzeigen, wenn wir woanders zu Gast sind: Guck mal, bei uns gibt es auch sehr gute Volksmusik, jenseits von Tümelei, Museum und Kindergarten. Und da sie auch meine Schwiegermutter mit 74 anspricht – wobei sie auch Jazz und Soul hört und El Hussein Kili – könnte diese Musik die Generationen wieder verbinden, und vielleicht auch die Folk- und die volkstümliche Szene, es sei denn letzterer ist diese Musik zu ernst, zu tief, zu bewegend. Wenn sie Schule macht, könnte sie auf jeden Fall eine Neue Deutsche Folkwelle in Gang bringen. Behalten wir es im Ohr!

Interessant zu wissen wäre es, wie sich Deitsch life anhört, nur als Duo, oder ob nicht doch eine größere Band daraus wird, damit der schöne und volle Bandsound erhalten bleibt. Im Folker! 1/06 wird ein Artikel über Deitsch von Uli Joosten erscheinen. Darauf bin ich sehr gespannt. Im Übrigen hat der Folker! die Entstehung der CD unterstützt.

http://www.deitsch.de
http://osns.sam-ip.com/detail2.asp?Produkt_ID=453373192

MAS

Tuesday, November 08, 2005

Konzertrezension: Klangwelten-Festival in der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn am 8.11.2005

Konzertrezension: Klangwelten-Festival in der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn am 8.11.2005

Rüdiger Oppermanns Klangwelten-Festival tourt dieses Jahr nun schon zum 19. Mal durch Deutschland, für mich indes war es eine Premiere, es einmal zu besuchen. Oppermanns Dialekt kam mir als im Rhein-Lahn-Kreis Aufgewachsenem sehr heimatlich-vertraut vor, hatte er doch den hessischen Einschlag, der auch in meiner Kindheitsheimat ansatzweise durchzuhören ist, die an diesem Abend zu hörende Musik aber war alles andere als heimatlich und vertraut, sondern exotisch, ungewohnt und meisterhaft schön. Und das, obwohl zwei Fünftel der angekündigten Musiker bzw. Acts nicht anwesend waren. Das inuitische (gibt es das Adjektiv überhaupt?) Katajaq Duo aus Kanada war wegen Krankheit verhindert, die deren Gesang auch beherrschende und als Ersatz angekündigte Toni Pope aus San Fransisco war wieder abgereist, weil ihre Großmutter gestorben war, und die kasachische Sängerin Uljana Baibusjnova war auch nicht da. Nun kündigte Oppermann an, dass die Inuit-Frauen doch noch kämen, aber erst am nächsten Tag, und wer sie hören wolle, dürfe mit dem Bonner Ticket zum halben Preis ein beliebiges anderes Klangwelten-Konzert dieser Tour besuchen.

Anwesend waren aber Rüdiger Oppermann selber, das Ranga Panga Trio aus Madagaskar, benannt nach einem Reiswassergetränk ihrer Heimat, der indische, in Wien lebende Trommler Jatinder Thakur, und nicht angekündigt und Irish Spring Festival-Besuchern bekannt – nein, kein Ire, sondern – Enkh Jargal, besser bekannt als Epi, aus der Mongolei, aber wohnhaft in Karlsruhe. Oppermann erklärte ein wenig, was es mit der jeweiligen Musik und den Instrumenten auf sich habe, aber übertrieb es damit nicht, denn es war weder eine musikwissenschaftliche Vorlesung, noch eine musikethnologische Museumsführung, sondern ein Konzert, bei dem die Musik absolut im Mittelpunkt stand. Das kleine Programmheftchen aber gibt umfangreiche Auskunft. Madagaskar soll musikalisch und auch sonst kulturell viel von indonesischem Erbe bewahrt haben und weniger von afrikanischem, aber die Musik des Ranga Panga Trios mit Monjamahafay Zeze (kurz Monja), Sammy Andriamalalaharijaona Samoela und Jean Bosco Rakotonirina kam meinem Gehör sehr afrikanisch vor, wohl weil sie von der mehr afrikanisch beeinflussten Südküste der Insel stammen. Mehrstimmiger Gesang, im besten Sinne es Wortes merk-würdige Saiteninstrumente (z.B. die Maro-Vaani, ein Kasten mit an zwei Seiten angebrachten Fahrrad-Bowden-Zug-Saiten, die Vailiha, ein runder Bambusstamm (oder sagt man „Bambushalm“, da es doch ein Gras ist?) mit aus diesem herausgeschnittenen Saiten rundherum, die Jejy Voatavo, ein schmaler Kasten mit Saiten an allen vier Seiten und einem Kürbis als Klangkörper und die Jeji Iava, ein Baum oder ein Ast mit gespannten Basssaiten und Tonabnehmer), ein Blasinstrument, ein sehr einfaches Percussionsinstrument, nämlich ein Büschel trockenen Grases. Das alles zusammen klang arachaisch und hochmodern zugleich, besonders auch, wenn der Gesang durch ein eingeatmetes Jiha oder durch ein Hahnenkrähen ergänzt wurde. Epi spielte seine mongolische Pferdekopfkniegeige und sang in Unter- , Ober- und normalen Tönen mongolische und kasachische Lieder, so dass man akustisch und gefühlsmäßig vom madagassischen Urwald in die zentralasiatische Steppe wechselte. Thakur bewies sich als rasanter Tablavirtuose, dass es nur so staubte (er hatte die Trommelfelle mit Talk eingepudert), aber auch als Stimmenpercussionist, denn nach indischer Tradition lernt man die Trommelpartien durch gesungene Parteien eben der selben, und Oppermann spielte einige Tunes auf einer großen und einer kleinen keltische Harfe, teilweise mit elektronischen Loops, Echos usw. gedehnt und wiederholt. Und wenn das dann alles zusammen erklang, also nicht ordentlich ethnologisch und geographisch getrennt, sondern crossover vermischt, ohne dass die Eigenarten der jeweiligen Stile (zumindest für meine Ohren) verloren gingen, dann wurde daraus das, was ich eigentlich als „Weltmusik“ bezeichne: multiethnische, jazzige-jam-session-mäßige, traditions-innovative, mitreißende Arrangements, die die Halle zum Beben brachten. Interessant war dabei auch ein auf der Harfe statt einer Sitar gespielter Raga mit Tablabegleitung.

Fazit: Die Klangwelten sind nichts für Puristen und nichts für Leute, die vorher schon wissen wollen, was sie erwartet, aber sehr zu empfehlen für Liebhaber experimentierender musikalischer Vielfalt, die ihre traditionellen Wurzeln zwar kräftig gedehnt, aber noch nicht aus dem Boden gerissen hat.

http://www.klangwelten.com/
http://www.folker.de/200406/07opper.htm

MAS