Saturday, July 08, 2006

Festivalbericht: 16. Tanz & Folk Fest Rudolstadt vom 7. bis 9.7.2006 – Eindrücke

16. Tanz & Folk Fest Rudolstadt vom 7. bis 9.7.2006 – Eindrücke

Es soll ja Leute geben, so hieß es in einer Radiosendung auf WDR3, die in Rudolstadt Kraft für den Rest des Jahres tanken. Nun, ganz so geht es mir nicht, aber immer wieder klingt die Musik noch wochenlang in mir nach und mir kommt Bonn dann immer so still vor und die Straßenmusiker so vereinzelt und allein auf weiter Flur bzw. in weiter Fußgängerzone, und selbst wenn ich ein Konzert besuche und das vorbei ist, habe ich das Gefühl, es müsste doch gleich noch eines folgen. Wenn man während des Tanz & Folk Festes (Michael Kleff, Chefredakteur vom Folker!, der das Abschlusskonzert am Sonntagabend moderierte sagte, das dürfe man gar nicht sagen, sondern müsse „TFF“ sagen, was ich zwar praktisch finde, solange jeder weiß, was gemeint ist, aber es ist doch immer noch nur eine Abkürzung und kein Name) durch die Straßen und Gassen von Rudolstadt geht, hört man alle 50 oder weniger Meter ein anderes Konzert, hier eine Folkjazzcombo, dort eine Trommelgruppe, dann ein Irish Folk Trio, etwas weiter ein Besucher, der gar nicht im Programm steht, aber auf Flöte, Geige, Harfe oder Gitarre auch was vorspielt, dann kommt man an einer großen Bühne vorbei, etwa auf dem Marktplatz, wo eine Trachtengruppe Volkstänze vorführt, und weiter geht es in beschriebener Weise. Und dabei hat die Stadt jeden Tag noch mal so viele Besucher wie Einwohner, was hier und da schon mal zu etwas Gedrängel führt, aber (fast) nie zu Ungeduld oder gar Aggression, sondern man fühlt sich eigentlich immer unter netten Gleichgesinnten, die meistens auch Rücksicht aufeinander nehmen. (Nur Regenschirme werden einem immer wieder ganz rücksichtslos in den Blick auf die Bühne gestreckt.) Das TFF beginnt abgesehen von dem Sonderkonzert am Donnerstagabend immer am ersten Freitag im Juli (worauf man achten sollte, denn es reicht nicht, dass der Samstag im Juli liegt, aber ich weiß nicht, ob auch der Donnerstag im Juli liegen muss) abends und geht dann fast pausenlos durch bis Sonntag ca. 23.30 Uhr. Die Nächte können auch durchgetanzt oder -gehört werden. Ich bin meistens zusammen mit meiner Frau Petra und meinem Freund Lothar, der in Suhl wohnt, und bei dem wir übernachten, samstags und sonntags da, diesmal aber ohne Petra, da sie sich das vorherige Wochenende urlaubsmäßig frei genommen hatte, da wir eben nicht auf den ersten Freitag im Juli geachtet hatten. So hörten Lothar und ich von Samstag ca. 11.00 bis Sonntag ca. 1.00 Uhr und von Sonntag ca. 13.00 Uhr bis ca. 23.30 Uhr fast ununterbrochen Musik, aber auch so war es nur möglich, bestenfalls ein 25stel dessen zu hören, was auf 25 Bühnen geboten wurde, denn Bilokalität beherrschen wir nicht. Davon will ich nun ein wenig erzählen, nicht ganz chronologisch, sondern..., ach das sehen wir dann.

Schwerpunkte

Es gibt immer einen Länderschwerpunkt, einen Instrumentenschwerpunkt und einen Tanzschwerpunkt. Dieses Jahr waren das Frankreich, der Dudelsack und der Tango. Es gab auch mal einen deutschen Regionalschwerpunkt, aber das konnten sie anscheinend nicht durchhalten. Ein weiterer Schwerpunkt ist immer die Verleihung des Preises für Folk, Weltmusik und Lied, die Ruth. Abseits der Schwerpunkte gibt es aber so viel zu hören, dass es einem auch ohne diese nicht langweilig wird.

Magische Dudelsäcke

Dudelsackmusik mag ich ja eh, aber so ein Magieprojekt, wie man die Schwerpunktinstrumentenkonzerte nennt, wie es Wolfgang Meyring wieder zusammen gestellt hat, habe ich noch nie erlebt. Da saßen und standen Musiker(innen) aus Schottland (Fraser Fifield), Galizien (Lorena Freijeiro Alonso), Estland (Cätlin Jaago), Österreich (Sepp Pichler), dem Iran (Saeid Shanbezadeh), der Bretagne (Pascal Lamour) und Ungarn (Béla Ágoston) mit ihren verschiedenen Sackpfeifen auf der Bühne im Hof der Heidecksburg, begleitet vom dreizehnjährigen Sohn Naghib des iranischen Pfeifers auf einer Doppeltrommel. Jeder(r) spielte ein Solo, das dann aber doch von dem einen oder der anderen begleitet wurde, oder es ergaben sich schottisch-galizische oder ungarisch-iranische oder andere Duette, und der kleine Trommler heizte den Pfeifern ordentlich ein. Beim Abschlusskonzert waren sie noch mal da, abgesehen von der schon abgereisten Estin, und spielten zwischen den Soli alle zusammen eine etwas schwere, wuchtige Tanzmelodie, die am Ende vom Publikum aufgegriffen wurde, bis die Musiker auf die Bühne zurück kehrten und weiter spielten. Das war ein schönes Gemeinschaftsgefühl, da brauche ich keinen Fußball. Die Iraner erlebten wir auch noch mal am Sonntagnachmittag und ihr Auftritt war in einer bestimmten Hinsicht klischeesprengend: Wenn irgendwo ein Mann einen Rock trägt oder Dudelsack spielt oder gar beides gleichzeitig tut, dann wird doch wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass er ... Hi hi, den Satz brauche ich wohl nicht zu beenden. Diese kamen aber aus dem Iran. Und von all den anderen rocktragenden oder dudelsackspielenden Männern an diesem Wochenende in Rudolstadt kam bestimmt kaum einer aus Schottland. Eine Folkerkollegin meinte, sie sehe nirgends so viele rocktragende Männer wie in Rudolstadt. Ach, ich fühlte mich sehr wohl, auch wenn ich anscheinend der einzige rocktragende Journalist in der Stadt war! Vielleicht ändert sich das aber auch noch.

Wir hörten auch ein ganzes Konzert der Esten, deren Band Re:Toro heißt, auf der Burgterrasse. Sie verbanden traditionelle Melodien mit Jazzeinlagen und hatten – so der Moderator – das „teuerste“ Instrument auf der Bühne, nämlich sechs Plastikschüsseln, wobei drei mit Wasser gefüllt waren und die andern drei umgedreht darin schwebten, worauf dann der Schlagzeuger trommelte. Das hörte sich gut an und verband sich mit Dudelsack und Saxophon zu einem zugleich urigen und hochmodernen Sound. Nicht wenige der estnischen Melodien könnten auch deutsche Volkstänze sein, z.B. „Im Grunewald ist Holzauktion“ das die Pfeiferin auf einer dieser skandinavischen Flöten ohne Grifflöcher (mir fällt der Name nicht ein) spielte.

Fronkreisch

Frankreich war durch den Bretonen beim Magiekonzert auch vertreten, aber von den vielen anderen französischen Beiträgen hörten wir nur Les Primitives du Future, die eine Mischung aus Musette, Chanson, Ragtime und Dixieland zum Besten gaben, und La Chavanée, eine eher traditionelle Tanzkapelle mit drei Drehleiern, deren eine von keinem Geringeren als Patric Bouffard bedient wurde. Die hatten auch nachts zum Tanze aufgespielt, aber das überschnitt sich mit der Ruth-Preisverleihung und wurde uns danach zu spät. Und dann noch beim Abschlusskonzert Francoiz Breut, die das Titelbild vom Folker! 04.06 ziert und einen nouvelle Chanson sang, dem ich nicht so viel abgewinnen konnte, was auch meiner mangelnden Beherrschung des Französischen anzukreiden ist.

(Zu) viel Jazz (?)

Nicht nur Esten und Franzosen mischten ordentlich Jazz unter den Folk, sondern auch Österreicher und Slovenen. Beefolk aus Graz könnte meines Erachtens genau so gut in Leverkusen, Moers oder Montreux auftreten, es war mehr oder weniger reiner Jazz, auch die von Helgi Hrafn Jonsson auf Isländisch gesungenen Lieder. Es wirkte surrealistisch, teils etwas sehr kunstvoll, aber teils auch mitreißend temporeich und groovig, und dann tauchten hier und da doch wieder traditionelle Elemente auf, die irgendwo zwischen Schwarzem Meer und Nordatlantik zu Hause waren. Katalena aus Slovenien war auf den ersten Eindruck traditioneller und volkstümlicher. Sie nahmen slovenische Volkstanzmelodien auf, die Sängerin Vesna Zornik sang die Texte dazu mit einer rauen Stimme, die man ihrer zarten Gestalt nicht zugetraut hätte, Gitarre, Schlagzeug, Whistles, Klarinette und anderes begleiteten sie, wobei es dann doch wieder jazzig wurde. Im Gegensatz zu den jazzigen Elementen bei den modernen Irish Folk Gruppen, die eher ihre Jigs&Reels leicht jazzig spielen, wirkt der Jazz bei den hier beschriebenen Gruppen weniger integriert, sondern es wirkt eher noch wie ein Mischung der Stile, aber es klang gut, wirklich gut. Das ist es wohl, was mit „von archaischen Klängen bis zu avantgardistischen Experimenten“ (oder so ähnlich), wie ich es irgendwo las, gemeint ist.

Finnische Wölfinnen mit zarter Stimme

Suden Aika aus Finnland brachte kein Wolfgeheul hervor, obwohl der Bandname auf Deutsch „Zeit der Wölfe“ heißt, an den (im Deutschen) gleichnamigen Fantasyfilm erinnerten sie auch nicht, sondern das Quartett aus Liisa Matveinen, Tellu Turkka, Katarina Airas und Nora Vaura sang mit zarten Frauenstimmen archaisch-sphärische Lieder, nicht so druckvoll, wie man es von Verttinä und Hedningarna kennt, bei denen eine der Sängerinnen auch mitmacht oder mitmachte. Dazu spielten sie Nykelharpa (Schlüsselfiedel) , Kantele (Hackbrett oder Zither) und anderes Instrumentarium. Die Texte stammten zum Teil aus der mythischen Liedersammlung Runolaulu, die vom Autor des Nationalepos Kalevala stammt, und dessen Geist ich durchzuhören meinte.

Volkstänze – der Tradition verpflichtet

Auf der großen Marktplatzbühne wurden aber auch traditionellere Volkstänze aufgeführt, wovon wie am Sonntagnachmittag die litauische Formation Dainava sahen und hörten. Begleitet von einer Band mit Geigen, Gitarren, Trompete, Flöte und einem Schlagwerk aus Holzglocken zeigen Männer und Frauen und Jungs und Mädchen althergebrachte Tänze, deren Melodieformen auch deutschen Volkstanzmelodien ähnelten, und waren dabei in schönen, aber bei dem Wetter viel zu warme Trachten gekleidet, mit Pelzgamaschen über den Tanzschuhen.

Das deutsche Volkslied

Man mag sich fragen, ob es auch deutsche Volksmusik gab, und ja, es gab sie, aber wir bekamen irgendwie davon nichts mit, außer einer Podiumsdiskussion über ein eventuelles Revival des deutschen Volksliedes, an der außer eher theoretischen Fachleuten wie Barbara Book (Deutsches Volksliedarchiv Freiburg), Dr. Werner Fuhr (WDR), Mike Kamp (Herausgeber vom Folker!), Manfred Wagenbreth (Musiker und Mitarbeiter beim WDR) und Gesprächleiter Bernhard Hanneken vom TFF-Team auch die Sängerin Bobo und der Sänger Otto Göttler teilnahmen, aber eben redend, nicht singend. Bobos Konzert, das ich eigentlich sehr gerne gehört hätte, war zeitlich und räumlich zu ungünstig gelegen, um es zu hören. Ob nun also Gruppen wie Deitsch oder Schöne Weile oder eben Bobo ein Revival ausmachten oder anzeigten, darüber wurde diskutiert. Mike Kamp nannte es ein Revivalchen, Otto Göttler erzählte von niederbayerischen Wirtshaussessions, die bis spät in die Nacht gingen. Ein Musiker aus Unterfranken aus dem Publikum meinte, es sei gut, in der Umgangssprache zu singen, also weder in Mundart, noch in Hochdeutsch und man solle Themen des Alltags aufgreifen. Einer aus Schleswig-Holstein erzählte von erfolgreicher Begeisterung junger Leute bei sich zu Hause für deutsche Volkslieder, nachdem sie lange dänische und andere skandinavische Sachen gespielt hatten. Einer meinte, in den 1970ern wären neun von zehn in Deutschland produzierten Folk-LPs Irish Folk Platten gewesen, und das Irische sei auch die gemeinsame Klammer der deutschen Folkies gewesen, während die Szene heute viel größer und differenzierter sei, viel Ost- und Südosteuropäisches gespielt werde, obwohl immer noch viel Irisches gespielt werde. Was aber generell fehle, ist, dass in den Familien mit Kindern gesungen werde. Oft wisse man ja auch nur noch die erste Strophe eines Liedes. Mike Kamp versicherte aber, dass die Musik auf den vielen vielen zur Rezension eingesandten CDs qualitativ besser sei als sie es in den 70ern oft gewesen sei. Die aus den 70ern kenne ich kaum, aber dass heute qualitativ hochwertige Musik von deutschen Amateur- und Halbprofibands (natürlich auch von den Vollprofis) gespielt wird, kann ich als Rezensent ja auch bestätigen. Deshalb macht der Job ja auch so einen Spaß!

Ruth’n’Rap

Von solchen Fragen gänzlich unbeleckt schienen die Ohrbooten zu sein, eine Berliner Gruppe, die mit einer Mischung aus Reggae, Rap, Hihop, Zigeunermusik, Marengue und anderen Einflussen einen Stil entwickelten, den sie „Gyphop“ nennen und damit eine der beiden dieses Jahr vergebenen Newcomer-Ruths gewannen. Ich hatte die Gelegenheit, zwei der vier Ohrbooten, nämlich Ben und Matze zu interviewen (die andern beiden nennen sich Onkel und Noodt), zusammen mit einem Reporter vom SWR, hinter dem ich mich laut Anweisung des Bandmanagers mit der blauen Deutschlandfunkmütze, der sich schützend vor seine Musiker stellten, damit sie nach ihrem Konzert erst mal verschnaufen konnten, hätte anstellen müssen, weil er schon vor mir nachgefragt habe. Wir führten unser Interview aber zusammen, so das jeder auch was von den Fragen des anderen hatte. „Gyphop“ ist eine Konglomeration von „Gypsie Music“ und „Hiphop“. Ja ist denn das Folk- oder zumindest Weltmusik? Vor allem das junge Volk vor der Bühne war jedenfalls sehr begeistert und wippte und hüpfte eifrig mit, aber meines Erachtens ist es so viel oder so wenig Folk- oder Weltmusik wie z.B. die der Lecker Sachen, deren Bandleader Markus Brachtendorf ja auch in der Jury saß und den Preis überreichte. Sie fühlten sich jedenfalls genau richtig auf einem Tanz & Folk Fest und meinten, etwas Schwung in die Sache zu bringen, wo sonst Trachtenvereine zu Musik vom Band alte Tänze aufführten. Ihre Texte, deren Darbietung die Berliner Herkunft nicht verleugnen konnte und auch nicht wollte, haben zum Ziel, den Zuhörern zunächst einfach Spaß zu machen. Gesellschaftskritik und dergleichen, wie sie beim Hiphop sonst recht häufig vorkommt, sei zwischen den Zeilen vorhanden, aber man wolle dem Publikum keine Moral aufdrängen. Wer drüber nachdenken wolle, könne das tun, aber keiner müsse das. Sie setzen auf das Gute im Menschen, das durch positive Ansprachen eher heraus komme, als durch Kritik. So setzen sie sich auch vehement vom aggressiven Gangsta-Rap ab und von Rapperschlachten wie bei Aggro Berlin. Nette Jungs! Ich gönne ihnen den Preis, egal in welche Schublade man ihre Musik stecken mag.

Ruth’n’Tango

Die anderen Newcomer-Ruth-Gewinner, das Duo Vicente Bögeholz & Juanjo Mosalini war der einzige Tangobeitrag, den wir auf dem Festival hörten. Die beiden sind in Argentinien bzw. Chile geboren und spielten auf Bandoneon und Gitarre einen modernen Tango, eine sehr feine Musik. Ich verstehe indes fast nichts vom Tango und las begeistert den Artikel von Helena Rüegg im TFF-Programmheft über die Geschichte des anfänglichen Armeleutetanzes aus Buenos Aires, der zuerst von konservativen Bürgern benasrümpft und zwei Generationen später vom selben Menschenschlag gegen Veränderungen verteidigt wurde. Man lernt aus dem Artikel, wie sehr Musik eingebunden ist in das gesamte Kulturleben eines Volkes, eines Staates, einer Bevölkerungsschicht usw., abhängig vom wirtschaftlichen Auf und Ab, von technischen Neuerungen (so hat die Einführung des Tonfilmes vielen Tangomusikern den Arbeitsplatz gekostet), von Mode, Konservativismus und Inovationswillen. Tango, so scheint mir, ist sowohl Volks- als auch Weltmusik, nämlich seit gut 150 Jahren verwurzelt in der Seele Argentiniens, aber mittlerweile viele Grenzen überschritten habend, in Europa zum Standardtanz geworden und ganz neue Stilrichtungen entwickelt habend. Man denke nur mal an Tango Crash vom TFF 2005, die auch die Newcomer-Ruth bekamen.

Karawanen-Ruth

Man trifft ja immer wieder Bekannte und Freunde in Rudolstadt, so mehrer Folker!-Kollegen und auch jedes Jahr Jutta Mensing vom Folk im Feuerschlösschen, aber als ich Joergen Lang am Samstagmorgen entdeckte, war ich doch überrascht, was nicht hätte sein müssen, wenn ich mal die Weltmusikpreis-Homepage genauer gelesen hätte. Nein, er bekam keinen Preis (hatte es aber schon mal, nämlich 1994 mit Hölderlin Express) und er trat auch nicht mit Dán (obwohl Johannes Mayr auch da war) auf, sondern mit Rüdiger Oppermann, der die Globale Ruth gewonnen hat. Dieser tourt gerade mit seinem Projekt „Karawane“, bestehend aus Rüdiger Oppermann (Keltische Harfen, E-Harfe, Konzeption), Jatinder Thakur (Indische Tablas), Dimitar Gougov (Bulgarische Gadulka), Dost Matur (Saz, Gesang), Lars Lindval (Trompete), Enkh Jargal (= Epi) (Morin Khoor =Pferdegeige, Gesang von Oberton bis Rap auf Mongolisch), Rainer Granzin (Piano, Hammond, sounds), WuWei (Sheng = Mundorgel), Bawu (Bambusflöte), Bijan Mahjub (Bombarde, Whistle), Julius Oppermann (Drums und Percussion) und Joergen Lang (Gitarre, Low Whistle), welches eine musikalische Reise von der Bretagne bis nach China, also quer durch den Kontinent ist, teilweise entlang der Seidenstraße. Es handelt sich um ein durcharrangiertes Konzert, gewissermaßen eine Symphonie, die Elemente der traditionellen Musiken der Länder und Völker entlang der Reiseroute enthält. Bijan (ja, der vom Kölner Folkstanztreff) und Joergen repräsentierten mit Bombarde, Whistles und Gitarre die keltische Musik, Wu Wei, der vor zwei Jahren die Globale Ruth gewonnen hatte, war mit einer überdimensionalen Mundorgel für die chinesische Musik zuständig, dazwischen ging es einerseits von Station zu Station wie an der Besetzung abzulesen, aber es gab auch transkontinentale Zusammenspiele. Ein wunderbares Werk, das ich gerne auf CD oder DVD hätte, wenn es das gäbe!

Bürgermeister-Ruth

Die Ehrenruth wurde an Dr. Hartmut Franz vergeben, der als Bürgermeister von Rudolstadt seit 1991 das Festival unterstützt und sich bei der Bevölkerung dafür stark gemacht hat. Man mag es ja nicht glauben, aber es sollen doch 1991 ein paar Bürger der Stadt die Polizei gerufen haben, weil sie die Musik als Ruhestörung empfunden hatten. Er ist nun in den Ruhestand gegangen, und sein Nachfolger im Amt Jörg Reichl wirkte bei der Abschlussrede am Sonntagabend doch sehr steif und musste sogar ein paar Allgemeinfloskeln vom Blatt ablesen.

Die deutsche Ruth am Hindukush

Die Deutsche Ruth bekam Konstantin Wecker mit seinem Bagdad-Kabul-Projekt zusammen mit Laith Abdul Ameer (Oud), Hakim Ludin (Percussion), Cetin Oraner (Saz, Oud, Percussion), Sven Faller (Bass), Gerd Baumann (E-Gitarre ) und Jo Barnickel (Keyboard)
(siehe auch die Titelgeschichte im Folker! 02.06). Er hatte vorher noch nie vom TFF gehört, war dann aber restlos begeistert. Begeistert war er auch davon, dass bei dieser Menschenmenge im Burghof kein einziges Deutschlandfähnchen wehte. Es war ja der Abend, an dem die deutsche Herrenfußballnationalmannschaft um den dritten Platz der WM spielte, um den mehr Bohei gemacht wurde als um den Weltmeistertitel der deutschen Damenfußballnationalmannschaft. Wenn er das angemahnt hätte, aber nein, er brachte die neue Begeisterung für schwarz-rot-goldene Flaggen zwischen den Zeilen in einen Zusammenhang mit den Nazis, die ihm in Halberstadt ein Konzert mit der Gruppe Strom und Wasser vermasselt haben. Es ist eine Sache, wenn man die Bundeswehreinsätze in Afghanistan kritisiert, aber eine ganz andere, wenn man die Flagge des demokratischen Deutschlands mit Nationalsozilisten in Verbindung bringt. Dafür eine gelbe Karte von mir, Herr Wecker! Die Musik die er und seine irakischen und afghanischen Musiker uns zu Gehör brachten war indes von Feinsten. Und auch die antirassistischen und obrigkeitskritische Texte neben den auf Türkisch, Kurdisch und wahrscheinlich Baschtu gesungenen Liedern der Mitmusiker kreierten eine wunderbare Stimmung des Zusammengehörigkeitsgefühls, auch ohne Fußball und Fähnchen. Ah ja, eine Zuhörerin spannte demonstrativ ihren schwarz-rot-goldenen Regenschirm auf.

Folk & Welt im Wandel der Mode

Im Folker! 05.05 hatte ich ja darüber geschrieben, dass der Folk-Begriff zugunsten eines reinen Weltmusik-Begriffs aus dem Namen der Ruth verschwunden sei. Vor einem Jahr hießt aber immerhin die Internetadresse http://www.folkpreis.de/, mittlerweile heißt sie http://www.weltmuiskpreis.de/. Peter Schneckmann von der Ruth-Jury sagte, er habe das nicht weiter verfolkt [SIC!]. Aber das ist momentan der Trend. Wer bei Mr. Music in Bonn nach Folk-CDs sucht, sucht vergebens die gewohnten grünen Karteikarten mit der Aufschrift „Folk“, sondern das ist alles jetzt unter „Weltmusik“ mit gelben Karten einsortiert. Die einst riesige Folk-Abteilung im Kölner Saturn-Stammhaus soll, wie ich hörte, auch gewaltig geschrumpft sein. Ich finde es insofern schade, als man zwar einerseits sagen kann, Weltmusik sei der Überbegriff auch für die vielen Volksmusiken der Welt, aber in dem Doppelbegriff „Folk- und Weltmusik“ wird doch der Spannungsbogen zwischen regionaler und ethnischer Verwurzelung einer- und globaler Grenzüberschreitung andererseits sehr gut deutlich. Aber vielleicht will man eher den Konsumenten erreichen, für den selbst eine Radiosendung, in der ihm erklärt wird, dass Dudelsäcke nicht nur in Schottland gespielt werden, schon zu kompliziert ist. Solche Leute gibt es, wie mir der Reporter vom SWR versicherte.

Ein berühmter Name

Nach Mitternacht sang dann noch Suzanne Vega im Burghof, eine amerikanische Folksängerin, die anscheinend vielen vielen Menschen bekannt war, denn der Platz war voller als bei der Ruthpreisverleihung, was mich dann doch verwunderte, denn sie hatte einen Bassisten als Begleiter und ansonsten nur eine Gitarre und ihre Stimme. Das wäre nach meinem Geschmack eher etwas für einen kleinen Saal gewesen, aber da hätten ja diese vielen Fans nicht rein gepasst.

Finish

Beim Abschlusskonzert hörten wir außer den bisher erwähnten Musikern auch noch das Leschenko Orchester aus Prag, das Polkas, Tangos und anderes recht jazzig zum Besten gab, Liu Fang aus China bzw. Kanada auf der Guzheng, eine 3000 Jahre alten Zither aus dem Reich der Mitte, das Mundharmonikaquartett Sväng aus Finnland, das Tangos, Polkas, Ragtime und anderes zu Gehör brachte und Lila Downs aus Mexiko mit ihrer Band, die eine Mestizomusik mit europäischen, indianischen und afrikanischen Elementen spielte. Bevor dann die magischen Dudelsäcke das TFF ausklingen ließen moderierte Michael Kleff noch das Elfmeterschießen des Fußball-WM-Endspiels aus einer Kneipe mit Fernseher heraus über Lautsprecher und war dann doch sehr enttäuscht, dass die Franzosen, die doch den diesjährigen TFF-Länderschwerpunkt bildeten, nicht gewannen, wo doch TFF-2004-Länderschwerpunktbilder Griechenland vor zwei Jahren Europameister wurde und TFF-2005-Länderschwerpunktbilder Brasilien letztes Jahr den Confederationscup (heißt das so?) gewannen. Er spekulierte schon darauf, dass der TFF-Länderschwerpunkt doch irgendeinen Einfluss auf den Ausgang vom Fußballmeisterschaften haben könnte und wollte der FIFA einen auf dieser Annahme beruhenden Geschäftsvorschlag machen. Nun aber muss das TFF auch künftig ohne FIFA-Gelder finanziert werden.

Im nächsten Jahr wird es trotzdem wieder ein Tanz & Folk Fest geben, mit dem Länderschwerpunkt Tansania, diversen Tasteninstrumenten als Magieinstrument(en) und der Polonäse als Tanz des Jahres. Letzteres wird bestimmt lustig!

Soweit jedenfalls meine Eindrücke, und inzwischen habe ich auch die Fernsehsendung „Ein irrer Hauch von Welt gesehen“, worin einiges von dem, was ich gehört habe und vieles was ich nicht gehört hatte gezeigt wurde, das Dudelsackmagieprojekt ganz ausgeklammert wurde, aber Joergen und Bijan wunderbar mit der Camera eingefangen wurden. Und ich war auch kurz am linken unteren Bildrand zu sehen, wie ich neben dem Folker!-Fotografen Michael Pohl vor der Bühne stand, auf der die Karawane los war. Es kamen auch einige Radiosendungen, die ich zum Teil gehört habe. Aber life ist es immer noch am besten!!!

Und habe ich nun Kraft für den Rest des Jahres getankt? Och ja, man will ja nicht übertreiben, aber ich kann das TFF jedenfalls wärmstens weiter empfehlen!

Wer sich noch für einen Bericht aus anderer Perspektive interessiert, dem oder der empfehle ich den von Peter Lindwedel alias Paddy the Busker, der mir die wegen der Terminverwechslung zu viel gekaufte Karte abgekauft hatte, den man hier findet:
http://www.paddythebusker.de/TFF2006.html

Und hier noch ein paar Links zum TFF und den erwähnten Musikern:
http://www.tff-rudolstadt.de/


Ruth:
http://www.tff-rudolstadt.de/htm/06/ruth.htm
http://www.weltmusikpreis.de/
http://www.ohrbooten.de
http://www.duo-boegeholz-mosalini.com/
http://www.klangwelten.com/ro/index_d.html
http://www.wecker.de/


Magischer Dudelsack:
http://www.tff-rudolstadt.de/htm/06/magic.htm
http://www.mdr.de/kultur/musik_buehne/3131781-hintergrund-3125224.html
http://www.agostones.hu/
http://www.lamour-music.com/
http://www.boushehrmusic.com/
http://www.frazerfifield.com/
http://www.sepp-pichler.at/


Frankreich:
http://www.tff-rudolstadt.de/htm/06/land.htm
http://www.lachavanee.com/

Tango:
http://www.tff-rudolstadt.de/htm/06/tanz.htm


sonstige:
http://www.beefolk.com/
http://www.bobo-in-white-wooden-houses.de/
http://www.liladowns.com/
http://luifangmusic.net/English
http://www.katalena.net/
http://www.sudenaika.com/
http://www.sväng.fi/
http://www.suzannevega.com/

Viele haben keine Webadresse.

MAS

Thursday, July 06, 2006

CD-Rezension: Foggy Stew. Traditional Irish Music. one more payment and it’s mine

Foggy Stew. Traditional Irish Music. one more payment and it’s mine

Eigenverlag 2006 mit Foto und wenigen englischen Infos
6 Tracks, 26,59 Minuten

Aus Südniedersachsen stammt nicht nur Olaf Sickmann, sondern auch Margret Hüffer, aus Südamerika Nicole Maldonado. Woher Michael Heuser stammt, weiß ich gar nicht, obwohl ich ihn schon viel länger als die andern beiden kenne, jedenfalls wohnen alle im Süden Bonns und haben sich nordwesteuropäischer, genauer gesagt irischer Musik verschrieben und sich zur Band „Foggy Stew“ zusammengefunden. Wie ein nebliger Eintopf klingt ihre Musik, die sie auf Gitarre (Margret und Michael), Bodhrán (Margret), Tin und Low Whistles (Margret), Fiddle (Nicole), 5-String und Tenor Banjo (Michael) und mit Gesang (Margret und Nicole) vortragen aber gar nicht, dazu ist sie viel zu klar und wohl geordnet. Die Formation ist nun etwa zwei Jahre alt, spielt des öfteren im Weinhaus Alt Kessenich, trat aber auch beim 1. Celtic Attractions Festival im Zirkuszelt auf, und legt nun ihre erste CD vor. Diese ist eigentlich nur eine Promo-CD mit fünf Stücken, aber erweitert um ein sechstes, bei dem als Gastmusiker Ralf P. Wackers, der auch für die Aufnahme und das Layout verantwortlich zeichnet, und Ellen D. Jeikner dabei sind, und diese erweiterte Promo-CD wird auch an Interessierte verkauft.

Ich sagte, die Musik sei sehr klar und wohl geordnet. Das ist zugleich ein Plus- und ein Minuspunkt. Positiv daran ist, dass die schönen Melodien und Texte so deutlich zu hören und auch zu merken sind, negativ, dass es ihr wenig Schwung fehlt. Nun ist es aber auch Margrets erklärtes Ziel, traditionell zu spielen und nicht etwa modern und jazzig, und somit ist das Ziel erreicht, was auch immer „traditionell“ bedeutet, denn die Tradition der irischen Musik ist höchst lebendig und verändert sich ständig, was sie als alljährliche Irlandreisende sicher besser weiß als ich. Die sechs Stücke sind zwei Tunesets und vier Lieder, wobei Nr. 2 und Nr. 6 identisch sind, „Caledonia“ (und somit schottisch), nur eben das bei Nr. 6 Ralf und Ellen mit von der Partie sind, wodurch es etwas voller klingt, nicht nur weil der Refrain gleich von drei oder gar vier Stimmen gesungen wird. Nr. 1 und Nr. 5 weisen außer dem Lied auch noch einen Jig bzw. einen Reel auf, eine Kombination von Song und Tune, die ich sehr mag. Margret leistet mit ihrer tiefen Stimme die meiste Gesangsarbeit, „Two Sisters“ aber wird von Nicole mit einer sehr hohen Stimme und mit viel Swing gesungen, ein sehr reizvoller Kontrast! Den müssten sie mal in einem Lied in abwechselnden Strophen zu Gehör bringen, so wie zum Beispiel Triona Ní Dhomhnaill und Claudine Langine mit der Band Touchstone „Jack Haggerty“ singen. Diesen Tipp gebe ich hier gerne mal. Die Tunearrangements weisen unterschiedliche Modelle auf: Bei „The Irish Washerwoman“ sind die einzelnen Instrumente, wenn sie sich ablösen, durch meines Erachtens zu starke Absätze voneinander getrennt, bei „The Butterfly“ spielt das neu hinzu kommende Instrument ein wenig mit dem schon anwesenden mit, und erst dann schweigt das erste, und es gibt auch Zweistimmigkeiten zwischen Fiddle und Whistle; wirklich gut gemacht!. „Charlie Harris / Finnish Polka / Magic Slipper Polker“ spielen sie, nachdem nach und nach Fiddle, Whistle und Gitarre dabei sind, recht monophon. Interessanter wäre Michaels Gitarre, wenn er auch sie auch noch zum Melodieinstrument machen würde, wie bei Nr. 1 das Banjo, und dann vielleicht Margret die Whistle percussiv einsetzen würde. Nun ja, kann ja alles noch kommen, wenn sie es wollen.

Das Cover zeigt übrigens ein Foto eines grasüberwachsenen, anscheinend unbewohnten irischen Hauses aus grau-weißen Steinen. Den Titel „one more payment and it’s mine“ kann man symbolisch interpretieren: Da kauft eine junge Combo der deutschen Bundesstadt Bonn ein altes irisches Haus Rate für Rate, macht sich mit seinen Eigenarten vertraut, gewinnt es lieb, beginnt es zu restaurieren, und das die Bedürfnisse deutscher Städter andere sind als die irischer Bauern, mag man gespannt sein, wie das Haus in zehn Jahren aussieht.

Hier nun die Trackliste:

1. The Irish Washerwoman (song, jig)
2. Caledonia (song)
3. The Butterfly (slip jig)
4. Charlie Harris / Finnish Polka / Magic Slipper Polka
5. Two Sisters (song, reel)
6. Caledonia (song; version with guest musicians)

Eine Website von Foggy Stew exisitert noch nicht.

Hier meine Rezi zu einem ihrer Auftritte:
1. Celtic Attractions Festival
Celtic Attractions – 1. Irish/Scottish Folkfestival im Zirkuszelt am 8.4.2005 in Köln-Weiß
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/04/konzertrezension-celtic-attractions-1.html bzw. http://tinyurl.com/85qdj

MAS

CD-Rezension: Olaf Sickmann. Reise nach Neuseeland

Olaf Sickmann. Reise nach Neuseeland

Wonderland Records 2006 mit Fotos und deutschen Infos
12 Tracks, 46,20 Minuten


„Reise nach Neuseeland“ ist nach „Sommertiefe“ die zweite CD von Olaf Sickmann, die ich für den Folker! rezensieren durfte und die erste, die er mir noch mal zuschickte, damit ich für den folkigen Rundbrief noch eine (längere) Rezension schreibe.

Olaf lebt in Melle in Südniedersachsen, meines Wissens in einer alten Mühle, die er auch zu einem Tonstudio ausgebaut hat. Ich stelle mir das so vor, dass er dann dort tagein, tagaus am Bach oder am Fenster, bei schlechtem Wetter auch mal bei geschlossenen Fenster drinnen auf der Couch sitzt und Gitarre oder Flöte spielt. Da ich noch nie dort war und ihn auch gar nicht persönlich kenne, weiß ich aber nicht, ob meine romantische Vorstellung nicht doch etwas trügt, befürchte es aber. Besuch hat er dieser meiner Vorstellung nach nicht oft, denn er musiziert fast immer alleine. Bei „Sommertiefe“ assistierten ihn noch Rolf Wagels und Marcus Praed, die musikalische Reise nach Neuseeland hingegen trat Olaf ganz alleine an. Das hört man der CD indes nicht an, denn Olaf spielt Gitarre, Tin Whistles und Percussion gleichzeitig. Ja, okay, ich weiß auch, dass er sie nacheinander spielte, aufnahm und dann abmischte, solche entlarvenden, analytischen Gedanken passen aber gar nicht zum Zauber der alten Mühle und ihrer Musik. Und meine Analysefähigkeit ist eh bald an ihrem Ende angelangt, denn die Musik bildet so eine Einheit, dass ich kaum zu raten wage, welche Einflüsse da alles mit hinein spielen. Es ist eine ruhige Musik, ähnlich der vom Duo Sars, sie ist wohl durchkomponiert, wirkt aber wie spontan entstanden, hat unverkennbar irische Wurzeln, aber auch deutsche, vor allem norddeutsche, wirkt manchmal etwas barock, manchmal leicht jazzig. Und der Bezug zu Neuseeland erschließt sich mir gar nicht. Ich weiß nicht, ob Olaf in Neuseeland war oder in seiner Mühle von Neuseeland träumt so wie Janoschs Tiger und Bär von Panama. Aber das ist bei der Programmmusik des 19. Jahrhunderts ja auch nicht anders. Wer assoziiert mit Smetanas „Die Moldau“ oder Sibelius „Finlandia“ tatsächlich die gemeinten Landschaften, wenn es ihm nicht erklärt wird. Und solche Erklärungen fehlen, na, sie fehlen fast, denn die Titel der zwölf Stücke haben stimmungsvolle Untertitel wie „Sunshine on Sunday: Der Wind streichelt sanft mein Gesicht und die Sonne wärmt meine Haut“, „An Old Court Dance: Ein junger Mann aus Malta, der in London lebt, leiht mir seine Gitarre“ oder „Isabella: Eine wunderschöne Italienerin kreuzt meine Wege“. Von Neuseeland ist da aber so direkt nirgends die Rede, ach doch, die Cook’s Bay liegt glaube ich dort. Hätte das Album einen anderen Namen, wir würden es ihm aber auch glauben.

Ich schließe mit dem eindeutigen Fazit: Wer „Sommertiefe“ kennt und mag, der mag auch „Reise nach Neuseeland“. Wer beide noch nicht kennt und nur eine von beiden kaufen will, nehme doch lieber „Sommertiefe“ und stelle sich die Mühle vor an einem heißen Sommernachmittag so wie der heutige (4.7.2006), ein Gewitter zieht vorüber, Olaf sitzt am Fenster und musiziert, hinter ihm auf dem Tisch Tee und Kuchen, was er liebt, wenn man dem Untertitel des Stückes „Whistle Waltz“ glauben mag. Ah ja, ein Tee wäre schon recht. Ich mache mir gleich einen.

Hier die Trackliste:

Sunshine on Sunday
On the Beach
Joseph
Brandenburg
An Old Court Dance
Whistle Waltz
Dancing the Day
Drift away Café
City of Sails
Isabella
Cooks’s bay
Underpass

Wer die Untertitel lesen will, möge sich die CD besorgen. Doch, einen Untertitel gebe ich hier noch wieder: City of Sails: Mit einem rötlich schimmernden Streifen am Horizont beginnt der Tag...“, denn der passt zum Coverfoto.

http://www.olaf-sickmann.de/

meine Rezis von Olafs CDs im Folker!:
Olaf Sickmann. Sommertiefe.
In: Folker! 03.05., S. 86.
online: http://www.folker.de/200503/rezi-d.htm#01
Olaf Sickmann. Reise nach Neuseeland
In: Folker! 04.06., S. 93
(Kurzschluss, daher nicht online)

Korrekturmeldung im folkigen Rundbrief Nr. 2006-21:
Entgegen meiner romantischen Vorstellung in der CD-Rezension von Olaf Sickmanns „Reise nach Neuseeland“ befindet sich zwar das Tonstudio in der erwähnten Mühle, Olaf wohnt dort aber nicht und klimpert auch nicht den ganzen Tag vor sich hin. Und er war tatsächlich in Neuseeland, seine Musik handelt aber nicht von Landschaftsimpressionen, sondern von Begegnungen mit Menschen. Und die CD erschien nicht im Eigenverlag sondern bei Wonderland Records. Letzteres steht leider falsch im Folker!-Heft, aber im Netz (http://www.folker.de/) ist es korrigiert: OLAF SICKMANN: Reise nach Neuseeland (Wonderland Records WR 9034); 12 Tracks, 46:20; 4/2006