Saturday, January 19, 2008

Konzertrezension: Jelem Romale am 19.1.2008 beim Folk iim Feuerschlösschen in Bad Honnef

Jelem Romale am 19.1.2008 beim Folk iim Feuerschlösschen in Bad Honnef

„Wissen Sie, wo es hier zum Feuerschlösschen geht?“. Die Frage kam von einer Frau aus einem Auto mit Neuwieder Kennzeichen heraus. Sie war schon daran vorbei gefahren, ich zeigte ihr den Weg und ging selbst dahin. Vor mit lenkte ein Pärchen seine Schritte ebenfalls auf das Gelände des Siebengebirgsgymnasiums. Ich hatte das Gefühl, es werde voll an diesem Abend, und richtete mich auf einen Stehplatz ein. Das Gefühl trog nicht: In gut lesbarer Schrift war das Plakat von Jelem Romale mit einem „Ausverkauft!“ versehen. Aber stehen musste ich trotzdem nicht, denn Veranstalterin Jutta Mensing hatte Stühle für die Presse frei gehalten, und die Presse, das waren Vertreter der Rhein-Sieg-Rundschau, deren fotografierender Reporter aber lieber seitwärts stand, als sich zu setzen, des Rheinkiesels, von dem ein Ehepaar da war, und des Folkigen Rundbriefes, also meine Wenigkeit. So einen Service lobe ich mir!

Jelem Romale ist ein Quartett, das sich auf russische Zigeunermusik spezialisiert hat, und ja, das sonst oft verfehmte Wort „Zigeuner“ wurde verwendet, da es in Russland so üblich sei und dort keinerlei despektierliche Konnotation habe. Das Quartett besteht aus Claudia Bernads von der Ahr (Gesang), Sabina Danilov aus Aserbaidschan (Geige und Gesang), Georg Kremel aus Ostsibirien, aber deutscher Abstammung (Gitarre und Gesang) und Vladimir Belau aus Kasachstan (Gitarre und Gesang).

Das Foyer im Feuerschlösschen war also proppevoll. Jelem Romale hatten auch schon des öfteren in der Gegend gespielt, sei es im Bungertshof, beim Charly Herbst in Bad Godesberg oder eben an der Ahr. Und so haben sie sich ein Fanpublikum erspielt, das ihnen nun auch in Feuerschlösschen folgte. In selbigem saßen auch Gerd und Martina Schinkel, die das Quartett auch schon in ihrer Besenkammer zu Gast hatten. Das versprach nun also ein erstklassischer Abend zu werden. Und ja, es war ein schöner Abend. Claudia sang hauptsächlich, je ein Lied wurde auch von den anderen drei bestritten, die sie aber ansonsten mit ihren Instrumenten begleiteten. Dabei gefiel mir das Geigenspiel besonders gut, denn Sabina umspielte die Liedmelodie zumeist mit einer zweiten Stimme. Die Gitarren blieben nach einem Intro, auf das oft auch ein französischer Chanson hätte folgen können, meist bei einfachen Akkorden, aber auch da gab es komplexere Partien. Den Mittelpunkt bildete aber zweifelsohne der Gesang. Die Lieder handelte wohl von allerlei Dingen wie Liebe und Armut, Heimatlosgkeit und den Weiten Russlands und Osteuropas. Da ich aber ja kein Russisch kann, hätten sie auch von sonst was handeln können. Eine stimmungsmäßige Verbindung von Melodie, Tempo, Rhythmus, Tonart und so weiter einer- und Textinhalt andererseits stellte sich bei mir nicht ein. Für mich klang es einfach teilweise russisch, teilweise allgemein osteuropäisch, nicht selten auch jiddisch, aber die jiddische Klezmermusik kommt ja auch aus dem Kulturraum. Die Musik war großenteils sehr temperamentvoll, aber mir fehlte es doch etwas an Mehrstimmigkeit und Variationsreichtum. Das, was mich bei Ta Alánia dann letztlich so begeisterte und meine anfängliche Schwierigkeit, mich hinein zu hören, überwand, darauf wartete ich hier vergeblich. Was mir indes sehr nahe ging, war eine unterschwellige Melancholie hinter oder unter dem Temperament. Vielleicht spielen da die Filme mit rein, in denen ein ausschweifendes und fröhliches Fest von Zigeunern oder Juden durch eine hereinbrechende Schlägertruppe von Nazis oder dergleichen beendet und zerstört wurde. Vielleicht ist es auch so, dass diese beiden Volksgruppen so oft Pogromen ausgesetzt war, dass sich das auch in ihren fröhlichen Liedern wiederspiegelt.

Ich fand das Konzert also schön, war aber nicht so sehr begeistert wie die frenetisch jubelnde Mehrzahl der Zuhörer. Dass ich vor der Zugabe ging, lag aber nicht daran, sondern nur daran, dass ich die Bahn kriegen wollte, statt eine halbe Stunde an der Haltestelle warten zu müssen. Denn immerhin ist die Linie 66 eine Stunde unterwegs bis Siegburg. Und so rannte ich drauf los und kam nach fünf Minuten großenteils bergab führendem Spurt gleichzeitig mit der Bahn an der Haltestelle an.

http://www.jelem-romale.de/
http://www.folkimfeuerschloesschen.de.vu/

MAS

Tuesday, January 01, 2008

CD-Rezensionen für den Folker! 01.08

Hier meine CD-Rezensionen im Folker! 01.08, hier nochmals veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung vom Folker!:

CD-Rezensionen für den Folker 1/08:
von Michael A. Schmiedel

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Die Besondere: Deutschland

PLANXTIES & AIRS
Portrait
Eigenverlag 2007, http://www.planxties-airs.de/
11 Tracks, 62:52 mit Fotos und dt. u. engl. Infos


Orgel und Bombarde ist eine in der Bretagne traditionelle Kombination, Orgel und Flöte aber erinnert den Einen oder Anderen vielleicht an die Szene in der Fernsehserie Silas, in der der kleine Silas, der mit Flötenspielen auf dem Pferderücken seinen Lebensunterhalt verdient, ehrfürchtig vor der großen Orgel in der großen Stadtkirche steht und den Organisten wegen seiner vielen Flöten bewundert. Wer sich bei dieser Szene gefragt hat, wie wohl sich wohl ein Zusammenspiel dieser beiden ungleichen Blasinstrumente anhören könnte, der wird in der vorliegenden CD seine Neugier befriedigen können. Ulrike und Claus von Weiß aus Düsseldorf, ansonsten bekannt durch ihre English Folk Band Morris Open, bringen sie zusammen, die vielen Pfeifen der Weimbs-Orgel in der Christuskirche in Brühl und diverse, aber eben nicht gleichzeitig zu spielende Tin und Low Whistles von Chris Abell, Colin Goldie, Pat O’Riordan und Ian Simpson. Ja, der Eindruck der Namen täuscht nicht, es handelt sich um irische Musik, und zwar um traditionelle Tanztunes und Airs, und dabei denkt man ja eigentlich nicht an Orgelmusik, auch nicht bei Stücken von Turlough O’Carolan, dem großen Barockmeister Irlands, dessen Instrument die Harfe war. Es ist ungewöhnlich, aber es passt, und wie! Sei es, dass eine Whistle die Melodie spielt und die Orgel selbige mit Bassakkorden unterlegt oder sei es, dass die Orgel zugleich Melodie und Begleitung übernimmt und dabei auch vor Slip Jigs, Hornpipes und gar Reels nicht Halt macht. Dass sie dann nicht immer beim tradierten Thema bleibt, sondern es hier und da geradezu jazzig variiert, mag Puristen abschrecken, aber wer offen ist, erlebt ein musikalisches Crescendo, das seinesgleichen in der mir bekannten Folkszene vergeblich sucht. Zum Beispiel bei „I have a wife of my own“: Die Orgel fängt mit sachten Akkorden an, spielt dann den ersten Part der eigentlichen Melodie, die Whistle den zweiten Part, dann übernimmt letztere beide Teile, die Orgel akkordisch dahinter, die dann jazzig bis kirchenmusikähnlich klingendes Intermezzo einschiebt, das anschließend wieder in die eigentliche Melodie übergeht, die aber immer wieder verfremdet wird, bis zuletzt die Whistle wieder in die traditionelle Melodieversion übergeht. Es ist kurz gesagt eine sehr originelle Idee, die genial umgesetzt wurde, eine wirklich besondere Scheibe!

Folker! 01.08, S. 79
online: http://www.folker.de/200801/bescd.htm#01

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AN TOR
Craic of Dawn
Leiselaut 2006, http://www.leiselaut.com/, http://www.an-tor.de/
12 Tracks, 57:34 , mit Fotos, engl. u. dt. Infos u. dt. Texten

Auch im vierten Jahr des Rezensierens für den Folker! lässt sich der Schreiber dieser Zeilen immer wieder gerne überraschen von der Qualität ihm bisher nicht bekannter deutscher Irish Folk Bands. 2003 wurden sie schon mal im Folker! gelobt, und diesem ihrem ersten Longplayer darf nichts geringeres wiederfahren. Rheinhessen bringt nicht nur gute Weine, sondern auch gute Musik hervor, so scheint es, denn die Gruppe An Tor aus Lörzweiler bietet eine flotte, feine, mehrstimmige, detailliert arrangierte irische Instrumentalmusik und schöne, gefühlvolle irische Lieder, wiederum sehr ansprechend instrumentell begleitet. Dass ein Jig auch mal mit einem leicht eingeirischten Zwiefachen verbunden wird und ein mir bisher nur von Cara bekannter Jig, der wiederum ein wenig kontinental klingt, gespielt wird, erhöht den Hörgenuss obendrein. Das Sextett besteht aus Nils Nolte (flute, lead vocals), Elke Zörntlein (fiddle, backing vocals), Siggi Zörntlein (fiddle, viola, backing vocals), Greg Ostermann (box), Klaus Feketics (bouzouki, 12-string guitar, backing vocals) und Marcus Mertz (steel-string guitar, nylon-string guitar, piano, backing vocals).

Folker! 01.08, S.78
online: http://www.folker.de/200801/rezi-d.htm#02

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THE CONNEMARA BAND
At Home
Eigenverlag 2007. http://www.connemara-band.de/
12 Tracks, 43:16, mit Foto, wenigen engl. Infos u. zwei engl. Texten

Vielleicht ein bisschen viel Rumtata-Schlagzeug bringt dieses schwäbische Quintett von oberen Neckar in ihre Interpretation von Irish Folk hinein. Man mag sich an die Bush Wackers Band oder die Horslips erinnert fühlen. Die Geige klingt recht abgehackt, aber es sind auch sehr schöne Stringpartien auf Gitarre, Bouzouki und Mandoline dabei.

Folker! 01.08, S. 89.

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BONEZONE
In Session
GO’ Danish Folk Music, http://www.gofolk.dk/, http://www.bonezone.dk/
12 Tracks, 41:45, mit Fotos, engl. Infos u. Texten

Das Banjo ist doch wirklich ein Gutelauneinstrument, jedenfalls steigt meine Stimmung sehr ins Fröhliche, wenn ich mir die CD dieses dänischen Quintetts mit dem schottischen Frontsänger anhöre, auch wenn dieser die Bones und Spoons vielleicht ein wenig zu extensiv einsetzt. Es wieg und groovt, so dass ich kaum genug davon kriege!

Folker! 01.08, S. 88.

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PLÖCKINGER
requiem / coming into this city / leaving moscow
Eigenverlag 2006, o.ploeckinger@aon.net
3 Tracks, 11:16 mit Fotos u. dt. Infos
when we two parted / crazy enough
Eigenverlag 2007, o.ploeckinger@aon.net
2 Tracks, 8:23 mit Fotos u. dt. Infos

Zwei Shortplayer des Salzburger Singer/Songwriters Othmar Plöckinger, die er mit 13 Mitmusikern einspielte. Leiser, getragener englischer Gesang mit stilistischen Einflüssen aus Scottish Folk, Blues, Country und Rock, der mich an Musik aus den 60ern erinnert. Außer von Plockinger stammen die Texte von Robert Louis Stevenson und Lord Byron.

Folker! 01.08, S. 92.


MAS