Saturday, April 26, 2008

7. Bonner Irish Folk Festival am 26.4.2008 in der Harmonie in Bonn-Endenich

Für das BIFF hat somit das siebte Jahr begonnen, und ich hoffe, sehr, dass es kein verflixtes wird, sondern die von Moderator Näx (Alexander May) in Aussicht gestellte Nr. 10 auch noch erreicht werden wird.

Dieses Mal standen wieder drei Bands auf der Bühne der angenehm vollen Harmonie, eine davon aus Bonn und Umgebung, nämlich tj:unichtgut, zweitens Dán, deren nächstes Bandmitglied immerhin nur knapp 50 km entfernt wohnt, nämlich Johannes Mayr mit Wohnsitz in Breitscheid im Westerwald und als dritte Band zum zweiten Mal eine aus den Niederlanden, nämlich Stargazer aus Amsterdam, welches im weiteren Sinne ja auch noch zum Rheinland gehört.

Die Band mit dem schönen Wortspiel aus „tune“ und „Tunichtgut“ begann also den Abend, so dass Näx nach seiner Anmoderation gleich auf der Bühne bleiben konnte, da er selbst nämlich zu eben dieser Band gehört. Schon beim 2. BIFF waren sie dabei, haben sich inzwischen aber personell verändert und weiter entwickelt. Näx spielte natürlich die Uilleann Pipes, die irische Ellbogen-Sackpfiefe, die er meisterhaft beherrscht, sowie Tin und Low Whislte, was Piper nicht selten tun, und sang sogar ein Lied. Letzteres tat auch Werner Nitsche, der ehedem bei Ben Bulben mitspielte, und ansonsten die Tunes der Band mit der Gitarre begleitete. Auch Nicole Maldonado sang, und bei ihr kann man sagen, diese traumhaft schöne Stimme sollte sie noch stärker in die Gigs der Band einbringen, ja, sie sollte zur vokalen Frontfrau avancieren, was auch kein Geringerer als Musiklehrer Tom Kannmacher ihr in meiner Gegenwart vorschlug, womit ich nichts gegen ihr Geigenspiel gesagt haben möchte. Als zweite Dame in der Kombo fungierte eine echte Irin, wenn auch wohnhaft in Düsseldorf, namens Helen McDevitt, die mit Flute, Whistles und Concertina dem Bandsound einen guten Kick verlieh. Dann wieder ein Herr, Ralph-Eric Berg, der zwar nur ein Instrument bediente, aber ein riesengroßes, nämlich einen Kontrabass. Und last not least vervollständigt Gründungsmitglied Achim Weimer, der auch die BIFF-Homepage gestaltet hat, mit seiner Bodhrán das Sextett. Es war eine Freude, den Sechsen zuzuhören, auch den Liedern von Näx und Werner, wenn auch Nicoles Stimme noch viel schöner war. Aber auch instrumental haben sie einiges auf dem Kasten. Da war zum Beispiel eine Partie, bei der Näx auf den Pipes die Melodie spielte, die Helen und Nicole mit einem Bordun auf Whislte und Fiddle unterlegten, worauf sie dann in die Melodie mit einstimmten. Oder da war der Beginn eines Reels, das Ralph-Eric und Werner auf Bass und Gitarre mit einem groovigen Intermezzo unterbrachen, aus dem dann ein Intro für eine Taktänderung vom 16/8 auf 9/8 (oder so, jedenfalls nicht 7/8) wurde, die dem Reel einen Balkantouch gab, obwohl Näx von der irischen Balkanconnnection gar nicht so viel hält.

Nach diesem Starter und einer kleinen Pause betraten nur halb so viele Musiker die Bühne, nämlich Franziska Urton (Aussprache „Örten“, obwohl der Name auf Deutsch ausgesprochen für eine Musikerin doch genial ist), Joergen W- Lang und Johannes Mayr. Nur drei Leute, aber die hatten es in sich. Ich habe aber schon so viele Rezensionen über sie geschrieben, dass ich mich hier kurz fassen kann (die älteren Rezis findet Ihr unten hinter den Links). Es ist immer wieder ein ganz besonderes Erlebnis, diesen dreien zuhören, Joergens Gesang und Gitarren-, Bouzouki- und Low Whistle-, Franzis Geigen- und Johannes Kontrabassspiel. Sie bieten eine Kontrastharmonie von tief furchenden und quirlig dahin fegenden Tönen und Rhythmen, und mir schien, dass Joergens und Johannes’ Hölderlin-Express-Vergangenheit sich im Spiel von Dán noch stärker bemerkbar machte, als bisher. Ich unterhielt mich Wochen später im Feuerschlösschen mit Johannes darüber, und er meinte auch, HöEx und andere Nicht-Irish-Folk-Projekte von ihm und Joergen, also solche der kontinentaleuropäischen Bordunmusik, sei es französische, mittelalterliche, balkanische oder moderne Free-Folk-Musik, hätten auf jeden Fall einen Einfluss auch auf die Art und Weise, irische Musik zu spielen.

Ich fragte mich, warum Sabrina Palm und das BIFF-Team Dán in die Mitte und nicht als krönenden Anschluss positioniert hatten. Die Frage wurde sodann von der Band, die diesen Abschluss bilderte beantwortet. Das Amsterdamer Quartett Stargazer, bestehend aus Stijn van Beek (Uilleann Pipes, Whistles), Anneke Eijkelboom (Fiddle, Bass Fiddle), Kaspar Laval (Bouzouki) (die drei waren schon beim 4. BIFF 2005 mit der Band Kill da Goose dabei) und Janos Koolen (Mandoline, Gitarre), war zwar nicht besser (und auch nicht schlechter) als Dán, aber anders und doch wiederum so anders auch nicht. Anders war, dass sie nur instrumental spielten und dass sie fast nur highspeed spielten, quirrlig bis zum Anschlag, ähnlich war, dass auch hier ein Einfluss kontinentaleuropäischer Bordunmusik und zahlreicher anderer Folk-Musiken zu hören war, vom Balkan, aus Galizien (die Uilleann Piles hörten sich einmal wie eine Gaida an), aus der Bretagne, auch vom Jazz. Und dabei wechselten melodieführende und begleitende Instrumente einander ab, warfen sich die Bälle zu, verknoteten sich ineinander, wechselten Rhythmen und Tonarten, und ich stand nur da und versuchte zu begreifen, was da abging auf der Bühne. Kennt jemand noch die niederländische Folkband Flairck aus den 1970ern und 80ern? Für meine Ohren waren Ähnlichkeiten zu hören, und auf welchen Wegen da Beinflussungen durch die Amsterdamer Sessionszene fließen, das wüsste ich mal gerne. Dán jedenfalls war in der Mitte bestens platziert, in der guten Mitte des Herzens der Folkmusik.

Wie üblich gab es anschließend noch die Festivalsession aller Musiker(innen) des Abends inklusiver Sabrina auf der Bühne, und diese war auch noch mal ein Hochgenuss für sich. Bei der danach noch anschließenden freien Session im Fiddlers war ich leider nicht mehr dabei, aber Johannes Mayr meinte, die sei ziemlich lange gegangen.

Dieses Festival bewies wieder eines: Folkmusik ist alles andere als altbackene Traditionspflege oder Hausmusik für Musiker, die nichts anderes können, sondern Folk kann Avantgarde sein, hochmoderne Musik, voller künstlerischer Kreativität und handwerklicher Meisterschaft, und dabei eben doch verwurzelt in Musiktraditionen, die Jahrhunderte zurück reichen. Und es bewies noch eines: An dieser Mischung aus Tradition und Innovation können nicht nur „echte“ Iren oder sonst wie „echte“ Mitglieder der Völker, aus in denen die Traditionen verwurzelt sind, teilhaben, sondern jeder, der sich hineinfühlen kann in die Musik. Ethnogene Musik kann international sein oder multikulturell, menschlich eben.

Bonner Irish Folkfestival:
http://www.biff.de.vu
http://achimweimer.de/biff/

tj:unichtgut:
http://www.tjunichtgut.de

Dán:
http://www.johannes-mayr.de/dan.htm
http://www.danmusic.de

Stargazer:
http://www.myspace.com/stargazernl
http://www.stargazermusic.nl

Harmonie:
http://www.harmonie-bonn.de/

Frühere BIFF-Rezis von mir:
1. Bonner Irish Folk Festival am 20.4.2002 in der Harmonie in Bonn-Endenich
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2002/04/konzertrezension-1-bonner-irish-folk.html bzw. http://tinyurl.com/8oltl
2. Bonner Irish Folk Festival am 26.4.2003 in der Harmonie in Bonn-Endenich
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2003/04/konzertrezension-2-bonner-irish-folk.html bzw. http://tinyurl.com/7dtj3
3. Bonner Irish Folk Festival am 24.4.2004 in der Harmonie in Bonn-Endenich
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2004/04/konzertrezension-3-bonner-irish-folk.html bzw. http://tinyurl.com/7a877
4. Bonner Irish Folk Festival am 23.4.2005 in der Harmonie in Bonn-Endenich
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/04/konzertrezension-4-bonner-irish-folk.html bzw. http://tinyurl.com/auwdz
5. Bonner Irish Folk Festival am 29.4.2006 in der Harmonie in Bonn-Endenich
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/04/konzertrezension-5-bonner-irish-folk.html bzw. http://tinyurl.com/ftoh5
5. Bonner Irish Folk Festival am 29.4.2006 in der Harmonie in Bonn-Endenich
Ortstermin
Irland am Rhein. 5. Bonner Irish Folk Festival. Harmonie, Bonn-Endenich, 29.4.2006
mit einem Foto von Till Storz
In: Folker! 04.06., S. 72
6. Bonner Irish Folk Festival am 21.4.2007 in der Harmonie in Bonn-Endenich
online: http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2007/04/konzertrezension-6-bonner-irish-folk.html


Frühere Rezis von mir zu Dán:
CD: Dán. Stranger at the Gate
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/02/cd-rezension-dn-stranger-at-gate.html bzw. http://tinyurl.com/c938n
meine Folker!-Rezi von deren CD:
CD: Dán. Stranger at the Gate.
In: Folker! 03.06., S. 84. Online: http://www.folker.de/200603/bescd.htm#01
Dán am 20.01.2006 im Bungertshof in Königswinter-Oberdollendorf
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/01/konzertrezension-dn-am-20012006-im.html bzw. http://tinyurl.com/8fmug
4. Celtic Attractions Festival am 26.5.2006 im Zirkuszelt im Kinder- und Jugendzentrum Köln-Weiß
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/05/konzertrezension-2-celtic-attractions.html
Dán am 9.11.2007 im Bungersthof in Königswinter-Oberdollendorf
online: http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2007/11/dn-am-9112007-im-bungersthof-in.html

MAS