Friday, January 20, 2006

Konzertrezension: Dán am 20.01.2006 im Bungertshof in Königswinter-Oberdollendorf

Dán am 20.01.2006 im Bungertshof in Königswinter-Oberdollendorf

Als ich erfuhr, dass Dán am 20. Januar im Bungertshof auftreten sollte, war ich traurig darüber, den Abend schon anders verplant zu haben. Mein Zug aus Würzburg sollte nämlich erst um 19.42 Uhr in Bonn ankommen, und da ich seit Dienstag ein Journalistenseminar besucht hatte, zu dem mich der Folker! geschickt hatte, wohl damit die Redaktion nicht mehr so viel Arbeit mit meinen Texten hat, wollte ich den Abend dann gemütlich zu Hause mit Petra verbringen, zumal ich am Samstag und Sonntag wieder auf eine Tagung wollte. Die Dozentin des besagten Seminars hätte mir diesen viel zu langen Satz vermutlich um die Ohren gehauen, aber dies ist ja auch keine Nachricht auf der Titelseite einer Tageszeitung, sondern eine Rezension in einem E-Post-Rundbrief, und da er laube ich mir einen etwas anderen Stil.

Nun habe ich aber eine sehr verständnisvolle Frau, und sie sagte, wenn mir das Konzert so wichtig sei, dann solle ich da ruhig hingehen. Und warum war es mir so wichtig? Nun, zwei der Musiker, nämlich Joergen W. Lang und Johannes Mayr, sind alte Freunde von mir. Mit ihnen und einigen anderen hatte ich 1991/92 meine ersten Session-Erlebnisse im Boulanger in Tübingen, und sehr oft sah und hörte ich die beiden seit dem nicht. Joergen war 2004 beim 3. Bonner Irish Folk Festival dabei mit seiner anderen Band Laundry List, Johannes, der ja jetzt im Westerwald wohnt, durfte ich auch ein paar mal mit Lynch the Box, Mensch Mayr oder Jostal hören, aber Dán kannte ich bisher nur aus dem Internet. So schmiss ich also meinen Koffer in die Wohung und startete durch zum Bungertshof.

Glücklicherweise hatten sie trotz meiner Verspätung gerade erst angefangen. Der Doppelsaal stand dem Konzert nur zur Hälfte zur Verfügung, da es generell recht spät angekündigt war und nicht mehr genug Leute erreicht werden konnten, mal abgesehen davon dass der Januar als der Monat der Versicherungs- und Abonnementrechnungen bei vielen eh nicht mehr viel Geld für Konzertbesuche übrig lassen dürfte. Soweit mein Präludium, aber ich will ja auch von der Musik erzählen.

Fetzige Reels waren das erste, was ich vernahm. Joergen mit seiner auf DADGAD gestimmten Gitarre (Joergen bat mich, nicht zu erwähnen, dass ... und das tue ich auch nicht), Johannes auf seinem riesigen Akkordeon (mein Platznachbar meinte: „Der Jackie Daly Deutschlands!“) und zwischen den beiden Franziska Urton, die ich noch nicht gekannt hatte, auf der Fiddle. Die Reels, Polkas und anderen schnellen Tunes steigerten sich im Laufe des Konzerts zu einer Komplexität und einem Variantenreichtum, die und der nicht nur mir bisweilen einen Schauer durch den Körper schickte. Franziska spiele einen recht harten und sehr punktierten Stil, der auch die kleinste der zahlreichen Verzierungen haargenau auf den Punkt brachte. Wenn ich nicht befürchten würde, ein schon von andern Schreibern benutztes Wortspiel zu benutzen, würde ich jetzt eines mit ihrem Nachnamen machen. Zwischendurch sang Joergen mit seiner expressiven Stimme Lieder aus Irland und Schottland, die die andern beiden bisweilen im Hintergrund begleiteten und die vom Auswandern, von der Liebe, vom Krieg und von den Vorteilen einer Frau, die einen guten Tee bereiten kann, handelten. Franzi meinte auf erdverbunden Münsterländisch dazu: „Schönheit vergeht, Hektar besteht.“ Und dann gab es auch langsame Tunes, wirklich traumhaft, mal die Geige in der ersten, das Akkordeon in der zweiten Stimme, dann umgekehrt, dann beide parallel, so dass kein Blatt mehr dazwischen passte. Einige der Melodien passten indes nicht in die pure irisch-schottische Stimmung, sondern waren von hier und da kontinentaleuropäisch beeinflust, so zum Beispiel das Stück mit dem ungarischen Titel “Nem Üzemel“, auf deutsch „Nicht benutzen“, zu dem es eine lustige Geschichte gibt, bei der ich aber empfehle, sie sich von Joergen persönlich erzählen zu lassen. Mir kam beim Hören des balkanischen Rhythmuses, den ich ja eh mag, sofort die Assoziation „Hölderlin Express“, die Independet-Folk-Band, die Joergen und Johannes dereinst mitbegründet haben und die derzeit eine hoffentlich kreative Pause einlegt. Und tatsächlich las ich dann im CD-Büchlein, dass das Stück aus der gemeinsamen HöEx-Zeit stammt. Äußerst hörenswert! Joergen spielte zwischendurch auch mal Lowwhistles und Johannes seinen noch riesigeren Kontrabass und sogar mal Klavier. Man mag sich einen mit dem gezupften Bass jazzig begleiteten Reel vorstellen, wenn man kann. Nun genug der Musikbeschreibung, denn etwas muss ich ja auch noch für die CD-Rezension in der Hinterhand behalten.

Mehr oder weniger nahtlos ging das Konzert in eine Session über, der sich außer den drei Abendsternen (das kommt dabei hereaus, wenn man „stars of the evening“ eindeutschen will) dreizehn andere Musiker aus Bonn und Umgebung zugesellten, darunter auch meine Wenigkeit. Auch dabei war Till, den ich auch schon in Tübingen kennen gelernt hatte, und der seine schon damals atemberaubende Whistleakrobatik noch weiter ausgebaut hatte. Er lebt jetzt in Köln und bat mich, nicht zu erwähnen, dass es auch dort ... ja, richtig, ich schweige wie ein Grab. Aber Johannes wollte durchaus eine Sache der Öffentlichkeit nicht vorenthalten, nämlich dass er im Gegensatz zu dem, was eine Überschrift eines Artikels über ihn in einer Westerwälder Tageszeitung suggiert, nicht deshalb irische Musik mache, weil er Irland so sehr liebe, sondern weil diese Musik sein Lebensgefühl ausdrücke. Ich denke, das geht nicht nur ihm so, sondern z.B. auch ... mir. Im Gegensatz zu den meisten anderen hatte ich aber nicht nur Mühe, sondern es war nicht selten unmöglich, bei den schnellen und variationsreichen Tunes mitzuhalten. Nun, ich besuche auch viel zu selten Sessions, aber umso mehr genoss ich diese bis um ca. 2 Uhr nur noch die Häfte der Musiker da waren, und ich mich auch im Angsicht eines Seminars mit wenig Schlaf hinter und zweier vortragsreicher Symposiumstage vor mir zurückzog, nicht ohne Stolz, dass ein kleines Stücklein, das ich mir erdachte, gut angekommen war.

Besonders muss ich an dieser Stelle auch mal die Kellner loben, die sich erstens nicht aufdrängten, wenn das Glas leer war, aber schnell da waren, wenn man was wollte, und deren einer sich zweitens um 2 Uhr einfach dazu setzte und die Musik genoss. So müssen Kellner von Musikkneipen sein!

Die nächste mir bekannte Gelegenheit, Dán life zu hören, gibt es am 16.03.2006 im Buergerhaus Gieleroth bei Altenkirchen im Westerwald.

http://www.danmusic.de/
http://www.bungertshof.de

MAS