Thursday, October 26, 2006

CD-Rezension: The Irish Folk Festival. Tribute to the Galway Hooker Boats.

The Irish Folk Festival. Tribute to the Galway Hooker Boats.

(Manetic Music 2006, http://www.magnetic-music.com, http://www.irishfolkfestival.de)
17 Tracks, 65:38, mit englischen Infos und Fotos

Da ich das diesjährige Irish Folk Festival leider nicht besuchen kann, werde ich auch nicht darüber berichten können. Vielleicht geht ja Johannes Schiefner hin, denn es findet ja quasi vor seiner Haustüre statt. Aber mir liegt hier die Festival-CD vor, und darüber schreibe ich gerne was.

Das IFF ist in diesem Jahr einem Segelboottyp gewidmet, dem Galway Hooker, dessen letzte Stunde im sozusagen fahrplanmäßigen Verkehr vor der irischen Westküste geschlagen zu haben scheint. Die sechsköpfige Band Arcanadh mit Martin Gallen (Gesang, Gitarre, Bodhrán), Margret Frances Gallen (Gesang, Piano), Fiona Walsh (Gesang, Fiddle), Maria Bernadette Corbet (Gesang, Harfe), Sinead Gibson (Gesang, Low Whistle) und Colm Breathnach (Gesang, Banjo, Bousouki) besingt diese Boote auch gleich im ersten Lied auf der Scheibe. Es folgt ein Lied mit maritimem Inhalt, eines auf Gälisch aus der Waterford-Gegend, also Déise, und zuletzt das berühmte Lied über den Grenzfluss zwischen Schottland und England, teilweise mehrstimmig, etwas an Clannad erinnernd, gesungen.

Das Duo Cormac Breathnach (Whistles) & Martin Dunlea (akustische Gitarre, E-Bass) bringt sodann vier Instrumentals, im ersten Set auch ein paar Reels, im zweiten wieder ruhigere Double Jigs, und sodann einen reinen, verträumt ruhigen Gitarrentune und zum Abschluss „Sí beag si mór“ vom O’Carolan, das ich besonders liebe und das auch in dieser Version mit Gitarre und Whistle vorgetragen.

Das dritte Viertel der CD gehört der Sängerin Pauline Scanlon. Sie verabschiedet sich gleich zu Beginn mit „The parting glass“, geht dann aber doch nicht, sondern lässt drei weitere Lieder folgen, darunter das Gälisch-Englische „Síl a rún“, und allesamt sehr sehr ruhige Songs. Die Arrangements stammen laut Bandinfo von Donogh Hennessy von Lúnasa, aber ob er es ist, der sie auch auf der Gitarre begleitet oder ob sie das selber tut, kann ich nicht herausfinden. Wer also die Pauline Scanlon Band ist, bleibt unklar.

Zoë Conway (Fiddle, Gesang), John MacIntyre (Gitarre; nein, nicht der Unterwasserfilmer, den man im Internet findet) bestreiten die letzten fünf Tracks, die sie zwar mit Reels beginnen, von denen sie dann aber doch wieder in langsamere Rhythmen, wenn auch Jigs, zurück fallen. Auf Track 16 singt Zoë noch schöner als Pauline vorher, richtig süß, und auf Track 16 entführt sie einen mit einer Air auf ihrer Fiddle in eine sehr melancholische Stimmung, aus der sie einen dann aber mit zwei Reels wieder heraus holt Auf Track 17 werden sie von Robin Harris auf dem Bodhrán begleitet.

Die Grundstimmung der CD ist moll(ig), passend zum Herbst und zum Lamento über das Ende einer Küstenseefahrtsära. Wer aufregenden Rythm’n’Reel sucht, greife besser nicht zu, aber wer den passenden Soundtrack für gemütliche Stunden am Kamin oder gute bodenständige Traditionals sucht, ist mit dieser Scheibe bestens beraten.

Trackliste:

1. Arcanadh: The Galway Hooker
2. Arcanadh: Willie and Mary
3. Arcanadh: An Crútscin Ián
4. Arcanadh: Both sides of the Tweed
5. Cormac Breathnach & Martin Dunlea: Beech tree / glass of beer / Sweeney’s dream
6. Cormac Breathnach & Martin Dunlea: Tailor’s / James Morrison’s / Butterfly
7. Cormac Breathnach & Martin Dunlea: The Mermaid
8. Cormac Breathnach & Martin Dunlea: Sí beag si mór
9. Pauline Scanlon Band: The parting glass
9. Pauline Scanlon Band: I am a maid that sleeps in love
10. Pauline Scanlon Band: Siúl a rún
11. Pauline Scanlon Band: The bonnie blue-eyed lassie
12. Zoë Conway & John MacIntyre: Riscommon reel / Kilavell fancy
13. Zoë Conway & John MacIntyre: Lonesome jig / McCallums
14. Zoë Conway & John MacIntyre: Crazy man Michael
15. Zoë Conway & John MacIntyre: An beinsin luachra / ril gan ainn / the oak tree
16. Zoë Conway & John MacIntyre: Decorate the mahogany / ringing the bell



http://www.arcanadh.com/
http://www.folkmusic.net/cormacbreatnach/index.htm
http://www.paulinescanlon.com/
http://www.zoeconway.com/
http://www.galwayhookerassociation.ie

Frühere IFF-Rezis von mir:
The Irish Folk Festival 04 – Celtic Legends am 25.10.2004 in der Philharmonie in Köln
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2004/10/konzertrezension-irish-folk-festival.html bzw. http://tinyurl.com/dzpjs
The Irish Folk Festival – Tunes for Tara Tour am 15.11.2005 in der Philharmonie in Köln
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/11/konzertrezension-irish-folk-festival.html bzw. http://tinyurl.com/bvnoe
The Irish Folk Festival 05. Tunes for Tara. (CD)
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/09/cd-rezension-irish-folk-festival-05.html
bzw. http://tinyurl.com/cnypa


MAS

CD-Rezension: Tantallon. live. Irish & Scottish Folk Music

Tantallon. live. Irish & Scottish Folk Music

(Seven Rays 2006, http://www.tantallonband.com)
17 Tracks, 57:18, mit deutschen und englischen Infos und Fotos


Auch zweimal erhielt ich die CD des Bremer Irish & Scottish Folk Trios Tantallon, und da ich im Folker! dafür nur 300 Zeichen Platz hatte und diese so genannten Kurzschlüsse nicht ins Netz gestellt werden, ist diese zweite Veröffentlichung hier vielleicht wirklich vorteilhaft für die Band. Das Trio besteht aus der Schottin Joanna Scott Douglas (Gesang, Bodhrán, Percussion), ihrem deutschen Mann Arndt Scott Douglas (Gesang, Gitarre) und David Niedermayer (Gesang, Mandoline, Gitarre und Mundharmonika), und als spezieller Gast ist auf der CD auch Imke Albert (Viola, Gesang, Percussion) mit dabei. Laut beigelegter Info ist auch Pascal Gentner (Gesang, Bass, Akkordeon) ein neues Bandmitglied, aber auf der CD nicht dabei. Die Scheibe enthält einen Mitschnitt eines Konzertes vom Februar 2006 mit allen Ansagen, Scherzen und dem Beifall und Mitklatschen des Publikums. Die deftigen Songs, in Dubliners- und Tannanhill Weavers-Manier nur eben mit Joannas weiblicher Stimme vorgetragen, machten beim Konzert bestimmt viel Spaß, und ich wäre gerne dabei gewesen. Allein, auf der CD kommt die Stimmung nicht ganz so rüber bzw. das Publikumsgeklatsche stört eher den Musikgenuss, und die scherzhaften Ansagen sind wohl eher aus der Situation geboren, die man als Nur-CD-Hörer eben nicht kennt und nicht vor Augen hat. Auch klingt Joannas Stimme im Laufe der Spielzeit merklich angestrengter, was aber auch wieder als authentische Konzertstimmung gewertet werden kann, denn wenn die Zuhörer eventuell rauchen, ist das unumgehbar. Zwei Stücke, nämlich „Monsters“ und „Hexenbesen“ sind Eigenkompositionen, letzteres und die „Irish Suite“ sind die einzige Instrumentals auf der CD, und bei beiden ist die Mandoline das Hauptinstrument. Die Band ist zwei Jahre alt, und wenn ich mich erinnere, wie so manche heute zehn und mehr Jahre alte Band vor acht und mehr Jahren klang, dann kann aus Tantallon noch einiges werden, so dass ich ihnen nur wünschen kann, nicht nachzulassen, sondern weiter zu singen, zu spielen, zu experimentieren und zu üben.

Trackliste:

1. Botany Bay
2. Hills of Connemara
3. Step it out Mary
4. Boys of Killibegs
5. Mount and Go
6. Irish Suite
7. I‘m a Rover
8. Barnyards of Delgaty
9. Raglan Road
10. I Know My Love
11. Bonnie Ship the Diamonts
12. Bonnie Lassie of Fife
13. Monsters
14. Horro Harra Barra
15. Hexenbesen
16. I’ll Tell Me Ma
17. Maids When Your [sic!] Young [Heißt es nicht “You’re”?]

Meine Folker!-Rezi dieser CD ist (noch) nicht online lesbar, aber im Folker!-Heft 06.06 bei den Kurzschlüssen.

MAS

CD-Rezension: Whisky Trail. Chaosmos

Whisky Trail. Chaosmos

(Amiata records 2006, http://www.amiatarecords.com, http://www.whiskytrail.it/)
8 Tracks, 43:47, mit englischen und italienischen Infos und Fotos


Beim Lesen des Bandnamens erwartete ich whiskyseelige Pubsongs. Dem Whisky- und Whiskeykenner wird gleich auffallen, dass es sich wegen des fehlenden e vor dem y eher um schottische, als um irisches Lebenswasser handeln muss, und wer sich noch besser auskennt, weiß, dass es in Schottland einen Whisky Trail bzw. Malt Whisky Trail in der Speyside-Gegend gibt. Was nun aber die Band konkret damit zu tun hat, erschloss sich mir bisher nicht, meine Aufmerksamkeit wurde auch bald in eine andere Richtung gelenkt. Die Band kommt nämlich aus Italien, genauer aus der Toskana, noch genauer aus der Gegend von Florenz, und da war ich mal sehr gespannt, wie sich denn Irish oder Scottish Folk made in Italy anhören mag. Und was ich dann hörte war alles andere als Pubmusic. Gleich das Intro des ersten Stückes elektrisierte mich: Gitarren- und Glockenspiel führen zuerst ganz behutsam in eine geheimnisvolle akustische Welt hinein, Flöte und Geige ergänzen dieses dann mit einzelnen Tönen, aus denen sich dann eine Flötenmelodie im 4/4-Takt entwickelt, die Geige übernimmt später, wird schneller und schneller, schafft Spannung, die dann eine Uilleann Pipe erlöst und entspannt mit einer fröhlichen Melodie, die dann aber wieder reelig davon gallopiert. Super! Auch die anderen sieben Stücke sind auf ähnliche Weise kleine Symphonien, alle von den Musikern und der Musikerin selber komponiert, die da heißen: Vieri Bugli (Fiddle), Stefano Corsi (Keltische Harfe, Ziehharmonika, Harmonium, Gesang), Guilia Daneo Lorimer (Stimme, Fiddle), Massimo Giutini (Uilleann Pipes, Tin und Low Whistles), Pietro Sabatini (Gitarren, Bouzouki, Pedal Bass Pipe, Stimme). Außerdem bedient Piero Bubbico als Gastmusiker die Scottish Snare Drums. Solche Arrangements habe ich kaum jemals gehört: Zwei- und Mehrstimmigkeiten, Rhythmus- und Tonartenwechsel, mehrere Melodien gleichzeitig ineinander verwoben, sich abwechselnde ruhig und schnelle Partien, sehr komplexe Instrumenteinsätze, keine Volks-, sondern Kunstmusik, wenn man diese Dichotomie bemühen will. Auf der Suche nach Ähnlichkeiten fallen mir die Chieftains ein oder das Atrium Musicae de Madrid mit seinem Versuch, antike griechische Musik zu rekonstruieren oder Sharkiat, eine schweizerisch-ägyptische Ethojazzband oder auch Blowazabella, wenn auch ohne Drehleier, aber all diese Ähnlichkeiten sind entfernt, Whisky Trail erschuf eine ganz eigene Musik mit unverkennbaren irisch-schottischen Bezügen, aber eben auch ganz anderen Einflüssen. Ich bin so begeistert von dieser Musik, dass ich sie hier in meinem eigenen Medium, wenn auch Mike Kamp vom Folker! anderer Meinung ist, als eine Besondere bezeichne. Die Band brachte seit 1975 schon acht CD vorher heraus, so dass es nun aber Zeit wird, dass man auch hierzulande von ihr erfährt. Sehr schön ist auch das Büchlein, das auf Italienisch und Englisch erklärt, dass jedes der acht Stücke einem Element aus der keltischen Mythologie zugeordnet ist, nämlich Luft, Stein, Feuer, Sterne, Farben, Gerüche, Wasser und Seele. Ob das nun autochton oder eher postmoderne Keltenschwärmerei ist, sei dahin gestellt, man könnte den Religionswissenschaftler Bernhard Maier fragen, dessen Steckenpferd es ist, moderne sich auf keltische und germanische Religionen berufende Ideen zu entzaubern, der könnte da wohl aufklären, und genau so könnten vielleicht auch Musikwissenschaftler die Musik entzaubern, aber das wäre doch schade. Ich lasse mich lieber verzaubern von Whisky Trail aus der Toskana!

Trackliste:

1. Air
2. Stones
3. Fire
4. Stars
5. Colours
6. Flavours
7. Water
8. Soul

http://www.artenomade.com/festival/attuali/montelago/montelago_2006.htm
http://www.maltwhiskytrail.com/

Meine Folker!-Rezi dieser CD:
http://www.folker.de/200606/rezi-eu.htm#14


MAS

CD-Rezension: Currach. Farewell to Old Ireland

Currach. Farewell to Old Ireland

(Eigenverlag 2006, http://www.currach.de )
10 Tracks, 48:40, mit fast allen Texten, englischen Infos und Fotos

Ralf Wackers hat es im irischen Rundbrief schon angekündigt: Currach hat eine neue, die zweite CD draußen. Mich versorgte er gleich zweimal damit, für je eine Rezi für den Folker! und eine für den folkigen Rundbrief. Wer Currach schon live gehört hat, sei es beim 1. Celtic Attractions Festival im Zirkuszelt 2005 in Köln, sei es bei einem anderen Konzert, zum Beispiel bei Frau Holle in Bonn, freut sich vielleicht auf Ellen D. Jeikners (Hauptsängerin, keltische Harfe, Gitarre, Mandoline, Tin Whistle) unverwechselbare, sich bisweilen countryähnlich leicht überschlagende Stimme mit englischen und gälischen Texten und auf Ralf P. Wackers (Gitarre, Banjo, Irish Bouzouki, Mundharmonika, Bodhrán, Hintergrundgesang) Gitarren- und Mundharmonikaspiel, und wird auch nicht enttäuscht werden. Wer sich aber vor allem an die schnellen Instrumentals erinnert, der insofern schon, als davon nur ein Jigset auf der Scheibe ist, in welcher Antonia Werding (Uilleann Pipes, Tin Whistle) mit ihren Pipes im Mittelpunkt sitzt. Das Set wurde beim 1. CAF aufgenommen, wobei Ellens Ansage „es kann wieder getanzt werden“ auf der CD nur dann sinnvoll wäre, wenn sie das „wieder“ weg gelassen hätte. Antonia, die früher auch bei Rolling Wave mitspielte, wohnt mittlerweile in Wien und betreibt dort ein Tonstudio. Außer diesem Jigset ist nur noch ein einziges anderes Instrumental auf der CD, nämlich ein ruhiger Harfen-Flöten-Bodhrán-Set. Auch mit von der Partie sind Katja Martens (Fiddle), Olaf Sickmann (Gesang, Gitarre, Tin Whistle), LeAnn Guyton (Querflöte) und Michael Heuser (der auch bei Foggy Stew mitspielt; Five-string Banjo), erstere auch zum Kernteam gehörend, die anderen drei hier „nur“ Gastmusiker. Die CD ist durchweg sehr schön anzuhören, die Arrangements sind abwechslungsreich, die Liedstrophen werden von oft zweistimmig, es fehlt nur eben ein wenig das von den Livegigs gewohnte Tempo. Ich muss sagen, dass mir besonders gut „Never Tire of the Road“ gefällt. Das Lied stammt zwar von Andy Irvine, ist aber meines Erachtens ein typischer Country Song, und ich meine, mit diesem Lied hätten sie beim European Song Contest keine geringeren Chancen gehabt, als die in den Massenmedien vielfach gefeierten Texas Lighting. Allerdings hätten sie die Jury dann davon überzeugen müssen, dass das restliche Repertoire irisch und sonst wie keltisch ist und sich trotzdem gut anhört. Ob man soviel guten Geschmack von einer Schlagerjury erwarten darf? Ach, bleibt im Lande und nährt Euch folkig, davon versteht Ihr was, und da findet Ihr Euer Publikum, dem ich diese CD hiermit an Herz lege. Sehr begrüße ich auch, dass man fast alle Liedtexte im Büchlein nachlesen kann, alle bis auf Olaf Sickmanns in Ellens Küche aufgenommene „Smiling Eyes“, das mich an Chris Simmances zusammen mit Kirsten Hense gesungenen Lieder erinnert.

Trackliste:

1. The Emigrant’s Farewell
2. The Gypsy
3. Tri Martolod – Brian Boru’s March
4. Never Tire of the Road
5. Caide Sin – Far Away
6. Antonia’s Set
7. The Verdants Braes of Skreen
8. Farewell of Nova Scotia
9. Smiling Eyes
10. Shannon Dolphins – For the Sake o’ Somebody

meine Folker!-Rezi dieser CD:
http://www.folker.de/200606/rezi-d.htm#05

frühere Currach-Rezis von mir:
1. Celtic Attractions Festival
Celtic Attractions – 1. Irish/Scottish Folkfestival im Zirkuszelt am 8.4.2005 in Köln-Weiß
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/04/konzertrezension-celtic-attractions-1.html bzw. http://tinyurl.com/85qdj


MAS

Friday, October 20, 2006

Konzertrezension: Chris While & Julie Matthews am 20.10.2006 beim Folk im Feuerschlösschen in Bad Honnef

Chris While & Julie Matthews am 20.10.2006 beim Folk im Feuerschlösschen in Bad Honnef

Am 20. Oktober waren mal wieder Musiker, bzw. Musikerinnen aus merry old England im Feuerschlösschen zu Gast, und zwar Julie Matthews aus Nordostengland, genauer Yorkshire, noch genauer Sheffield, und Chris While aus Nordwestengland, genauer aus der Nähe des Lake Districts. Wer jetzt denkt, von so weit im Norden, kurz vor der schottischen Grenze kommend, müsste ihre Musik auch schon ein wenig schottisch klingen, der irrt sich. Viel mehr klangen die ersten akustischen Eindrücke eher amerikanisch, und zwar nach Spirituals, zumindest musikalisch, wenn auch nicht textlich, die waren, sofern ich sie verstand oder aus den Ankündigungen erschloss, eher handfest und bodenständig: Es ging um das Problem, einem lieben Menschen viel zu selten die wirklich wichtigen Dinge zu sagen, bis man sich eines Tages auseinander lebt, es ging selbstredend um Liebeskummer, aber auch um den Kummer von Chris’ Vater, der mit 58 Jahren als Stahlarbeiter zwangsweise in den Vorruhestand geschickt wurde, weil die Stahlindustrie in Sheffield nur noch auf Sparflamme lief, und der dann mit 65 zurück geholt wurde, weil doch plötzlich seine berufliche Erfahrung gefragt und kein Nachwuchs da war, es ging aber auch um die Freude, einer ehemaligen Mitschülerin, die Julie, die nie gut in Sport war, immer in ihr Team nehmen musste, da sie immer als letzte noch übrig blieb, und die ihr deshalb immer böse war, weil die Mannschaft Julies wegen immer wieder verlor, ein freches „Nana nana naana“ hinterher zu rufen. Diese doch sehr verschiedenen Themen wurden indes nicht alle mit spiritual-ähnlichen Melodien vorgetragen, sondern vieles klang sehr country-ähnlich, einiges nach John Denver, ja bei einem Lied, ich weiß nicht mehr, worum es dabei ging, sah ich mich plötzlich in meinem 85er Buick Skylark-Mietwagen durch die Prairie von Alberta fahren. Und ein Lied erinnerte mich an Rawlin’s Cross, also wenn schon nicht schottisch, so doch neu-schottisch. An Instrumenten bedienten die beiden Sängerinnen Gitarren, Piano, Bouzouki, Mandoline und Ziehharmonika (Julie) und Gitarre, Bodhrán, Banjo, Dulcimer und Percussion (Chris). Ja, ein Lied mit Bouzouki und Banjo klang besonderes intensiv nach Country, eines mit Gitarre und Ziehharmonika klang noch am englischsten, wenn ich Chris Simmance als Maßstab nehme, wobei ich nicht weiß, ob man das tun kann.

Das Konzert fing eher langsam und zum Zuhören mit geschlossenen Augen einlandend an, nahm aber bald an Druck und Groove zu, um nach der Pause, in der man sich dieses Jahr wohl letztmalig mit Juttas leckerem Kümmel-Zwiebelkuchen versorgen konnte, ging es richtig ab. Der WDR war auch da, sogar Werner Führmann persönlich, und sie wollen den Mitschnitt Anfang 2007 senden. Wenn ich rechtzeitig davon erfahre, gebe ich den Termin an Euch weiter.

http://www.whileandmatthews.co.uk/
http://www.folkimfeuerschloesschen.de.vu

MAS

Sunday, October 08, 2006

Konzertrezension: Pure Irish Drops - Music from the Déise am 8.10.2003 in der Brotfabrik in Bonn-Beuel

Pure Irish Drops - Music from the Déise am 8.10.2003 in der Brotfabrik in Bonn-Beuel

Die 18. Pure Irish Drops Tour in Deutschland, zum zehnten Mal zu Gast in der Brotfabrik, und nun zum dritten Mal hintereinander am 8. Oktober, Petra und ich besuchten es zum vierten oder fünften Mal. Das Datum sollte man beibehalten, symbolisiert die 8 doch die Unendlichkeit, und so doppelt (der Oktober ist ja der achte Monat im römischen Kalender, wie der Name schon sagt) genommen, sollte das ein gutes Omen sein. Waren die letzten beiden Jahre Personen gewidmet, nämlich 2004 Micho Russel und 2005 Turlough O’Carolan, so nahm man nun wie 2003, als Nordirland das Thema war, wieder eine Region Irlands zum Motto, nämlich den Landstrich Déise in Südostirland, aus dem die drei Musiker des Abends kamen: Dónal Clancy (Gitarre), Fionn Mac Giolla Chuda (Fiddle) und Benny McCarthy (Knopfakkordeon, Melodeon). Der angekündigte Donnchadh Gough (Uillean Pipes, Bodhrán, Tin Whistle) war also nicht dabei. Veranstalter Florian Fürst kündigte an, dass man nun also typische südostirische Musik zu hören bekomme, während sonst ja meistens westirische Musik bekannt sei.

Wie verhielt es sich aber damit? Sie spielten rein instrumentale Airs, Hornpipes, Polkas Jigs und Reels, von denen mir nicht wenige Tunes bekannt waren, obwohl ich mich noch nie mit Déise beschäftigt habe, aber die Cliffs of Moher z.B. liegen ja auch im Südwesten. Sie spielten sie sehr schön, die Airs verträumt und doch von einer inneren Spannung durchzogen, die Tanztunes schnell, rhythmisch, groovig, wie es sich für Spitzenmusiker von der grünen Insel gehört. Was aber war nun typisch südostirisch? Ich fragte ein paar Fachleute: Sabrina Palm (Whisht! u.a.) meinte, es seien die Airs, Florian Fürst meinte, es seien die Stücke, die sie solo spielten, während die zusammen gespielten Stücke irisches Allgemeingut seien, Ellen Jeikner (Currach u.a.) meinte, es sei die besondere Art, wie die Stücke gespielt wurden. Aha! Nun gut, da fehlte mir wohl die Kenntnis der Tune-Vielfalt und das feine Gehör, um das von meiner seite so zu spezifizieren. Ich dachte schon, dass einige Melodien, vor allem eine Polka und zwei Reels, die auf dem Melodeon gespielt wurden, sich für mich französisch bzw. quebecois bzw. cajunmäßig anhörten, das sei es. Nein, meinte Sabrina, da höre sich nichts französisch an, und Florian meinte, es gebe einen so regen Austausch der Musiker, da könnten die Tunes überall her kommen und von überall her beeinflusst sein. Einig waren wir uns aber darin, dass die Spielweise sehr traditionell war, Sabrina nannte es „erdig“, was mich zu dem Schluss kommen lässt, dass Musikrezensionen ein bisschen wie Weinverkostungen sind. Mir fehlten ein wenig die Variationen bei den Wiederholungen, Sabrina meinte, da seien genug von dabei, ja so kann man diskutieren: „der Riesling hat einen erdigen Abgang“, „nein, einen fruchtigen“, ...

Ach lassen wir die Fachsimpelei, denn so simpel ist die gar nicht, und ich sage einfach, es war ein sehr schönes Konzert, das mich davon überzeugte, dass auch Südostirland eine blühende und faszinierende Musiktradition und –kultur hat, war ich im Übrigen nie bestritten habe.

Mehr Infos zu den Musikern findet man hier:
http://www.parterre.net/kultur/pure_irish_drops06137170118

http://www.brotfabrik-bonn.de/

frühere Pure Irish Drops – Rezis von mir:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2004/10/konzertrezension-pure-irish-drops-am.html bzw. http://tinyurl.com/acx5c
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/10/konzertrezension-pure-irish-drops-in.html bzw. http://tinyurl.com/csqne
MAS