Tuesday, February 21, 2006

Konzertrezension: Positano am 21.2.2006 im Café Tiferet in Bonn

Positano am 21.2.2006 im Café Tiferet in Bonn

Liedermacher mit Herz

"Positano" im Cafe Tiferet

Nach längerer Zeit gab es am 22. Februar im Cafe Tiferet wieder einen
musikalischen Leckerbissen zu geniessen. "Positano", das sind Daniel und
John, zwei junge Männer aus Bonn, die ihre neuesten Kompositionen zu
Gehör brachten und die mit ihren Liedern das Publikum zu langanhaltendem
Beifall hinrissen. Mit zwei Gitarren, zeitweise unterstützt durch eine
Mundharmonika, trugen sie mit wohlklingenden Stimmen ihre
selbstkomponierten Chansons vor. Die zum Nachdenken und Hinterfragen
anregenden Liedtexte spießten gnadenlos gesellschaftliche Kuriositäten
und menschliche Unzulänglichkeiten aus dem täglichen Leben auf. Seien es
die wirtschaftlichen Folgen der Globalisierung, die narzistischen
Selbstinszenierungen von Politikern und Konzernbossen oder militärische
Befehlsausführungsautomaten, alle gesellschaftlichen Gruppen von
Relevanz bekamen ihr Fett weg. Jedes Lied der beiden sympathischen
Musiker war eine gesungene und gelungene Karikatur dessen, was im
täglichen Geschehen so passiert und was die Menschen manchmal so richtig
ärgert. Wie zum Beispiel das Lied "Kleine Männer", welches die maßlose
Selbstbeweihräucherung der "mächtigen" und "wichtigen" Männer aus
Wirtschaft, Gesellschaft und Politik gnadenlos aufs Korn nimmt. Einfach
unbeschreiblich dieser Höhepunkt, wie Daniel seine Mütze abnimmt, sie
vor die Brust hält, die beiden dann "Haltung annehmen" und zu der leicht
abgeänderten Melodie der Deutschlandhymne den Text singen: "Kleine
Männer/kleine Geister/Hab´n die Welt in ihrer Hand/Kleinigkeit, Komplex
und Geilheit/sind nochmal ihr Untergang!". Das Publikum überhäuft den
Vortrag mit Applaus und ein Zuhörer hält spontan die beiden Sänger frei
und spendiert ihnen Getränke nach ihrem Wunsch.
Der musikalische Vortrag erinnert mich an den Stil von Reinhard Mey und
auch Elemente von Udo Lindenberg glaubte ich erkennen zu können.
Besonders schön anzuhören fand ich die Änderung von Tonart und Rhythmus
während eines Liedes, was dem Ganzen eine besondere Lebendigkeit
verlieh. Jedenfalls kam es nicht vor, dass sich Unterhaltungen zwischen
den Gästen entwickelten, alles hörte fast schon "andächtig" zu. Eines
spürte ich selbst ganz deutlich: die Lieder wurden mit Herz vorgetragen,
sie kamen aus dem Herzen und erreichten auch die Herzen der Zuhörer, was
sich nach Ende des Vortrags in Gesprächen und Diskussionen mit den
Anwesenden herauskristallisierte.
Ich habe "Positano" jetzt dreimal gehört und immer konnte ich eine
Steigerung ihrer Vortragskunst feststellen. "Positano" ist wirklich eine
ganz besondere Gruppe, der es gelungen ist, Lieder mit sehr
nachdenklichem Inhalt musikalisch gekonnt und sehr unterhaltsam zu
präsentieren.
Der Name "Positano" stammt übrigens von einer italienischen Stadt, in
der der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder Urlaub machen wollte und
diesen wegen eines Faux-pas des italienschen Regierungschefs Silvio
Berlusconi ganz spontan absagte.
Am 1. April ist "Positano" wieder im Cafe Tiferet zu hören.

http://www.positano-underground.de/
http://www.posiversum.de
http://www.tiferet.de/
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/01/cd-rezension-positano-mehr.html


FLR

Thursday, February 16, 2006

Konzertrezension: Angelo Branduardi: Die Laude des Heiligen Franziskus am 16.2.2006 im Brückenforum in Bonn-Beuel

Angelo Branduardi: Die Laude des Heiligen Franziskus am 16.2.2006 im Brückenforum in Bonn-Beuel

Dies ist nun ein für mich etwas ungewohntes Rezensionsobjekt: eine Laude. Dass eine Laude ein Lob ist, weiß man ja als alter Lateiner, dass im katholischen Bereich Loblieder als „laudes" bezeichnet auch. Aber was es nun mit dieser Laude auf sich hatte, erfuhr ich erst zu Beginn der Veranstaltung selbst, zu der ich weniger der Laude wegen, als wegen Maestro troubadouriensis Angelo Branduardi selber, den ich vor einigen Jahren schon mal am selben Ort erleben, und über dessen heurigen Auftritt ich nun eine Rezension schreiben durfte.

Eine Laude also ist ein musikalisches Theater, wie es im Italien des 13. Jahrhunderts in der Franziskanischen Frömmigkeitsbewegung aufkam und in welcher in unterhaltsamer Form religiöse Inhalte dem Volke vermittelt wurden. Und eine solche bot nun Angelo Branduardi dem Volke vom Bonn zu Beginn des 21. Jahrhunderts, wobei er alte und neue Formen der Darbietung meisterhaft miteinander verband. Zunächst sah man auf der Bühne noch eine Bühne, und zwar ein Holzgestell mit Treppen, Rampen und Plattformen, so wie sie damals im mittelalterlichen Italien für die Lauden üblich waren, aber links und rechts auf zwei Leinwänden konnte man wie in einem Filmabspann dann lesen, worum es ging. Angelo stand da mit einer E-Geige, spielte ein wenig, Tänzer und Tänzerinnen erschienen auf der Bühne, zunächst wusste ich das nicht so richtig einzuordnen. Außer Angelo spielten noch drei Musiker mit: Davide Ragazzoni auf Schlagzeug und anderen Percussionsinstumenten wie Gong und E-Trommel hinter einer Glaswand etwas versteckt, Giovanni Vianelli auf Keyboard und später auch mal Akkordeon und Stefano Olivato auf einem E-Kontrabass. Da war also viel Elektronik im Spiel, trotz aller Mittelalterlichkeit. Die Melodien hörten sich großenteils auch nicht mittelalterlich an, sondern waren in dem für Angelo so typischen postmodernen Stil zwischen kräftigen Rhythmen, Sphärenklängen und Volkslied. Angelo überraschte mich dann mit einem besonderen Instrument, mit einem wunderbar vollen Klang, einer Gitarre, die oberhalb des Griffes noch einen Bogen hatte, an dem wie an einer Harfe oder einer Leiser weitere Saiten befestigt waren: eine Harfengitarre, wie er am Schluss erklärte, die um 1820 in Italien erfunden und dann vor allem von Serenadensängern unter den Fenstern ihrer Liebsten benutzt wurde. Diese Liebsten beantworteten die Serenaden aber nicht selten mit einem Wasserschwall, so dass Harfengitarren meist nur wenige Jahre überlebten. Das zumindest erzählte der Meistertroubadour dem staunenden Publikum, so wie Gigi in „Momo" den Touristen allerhand zu erzählen pflegt.

Aber zurück zur Laude: Allmählich entwickelte sich aus Musik und Tanz eine Handlung, die der Maestro auf deutsch ein wenig erklärte. Es war im Endeffekt die Lebensgeschichte des Heiligen Franziskus von Assisi, nicht unbedingt ganz historisch, dafür um so legendärer. Von der Gründung des Franziskanerordens nebst des Clarissinnenordnes über die ersten Missionsreisen in Italien, Spanien und Marokko, die Reise zum Sultan während des 5. Kreuzzuges und zahlreiche Wundertaten bis zur endgültigen Heimkehr im Tode. Angelo erklärte und sang einiges auf Deutsch, Daniel Cafer spielte den Franziskus, Jessica Higgins die Clara und Andreas Thele Franzens engsten Gefährten Bernardo, wobei sie ihre Texte auch alle auf Deutsch sprachen. Vor allem Jessica und Daniel strahlten dabei so eine Begeisterung aus, dass man meinte, es handele sich um eine Liebesgeschichte, und im Grunde war es das ja auch, wenn auch weniger sexuell als spirituell. Italienische Liedertexte wurden auf den schon erwähnten Leinwänden in Übersetzung zum Mitlesen angeboten, wobei Luisa Zappa Branduardi die italienischen und Burkhard Brozat sie deutschen Lyriken geschrieben hat. Die Tänzerinnen Monica Uallini, Elisa Ferrari, Tiziana Uitto, Scilla Zizifo, Daina Pezzoti und Maria Tirelli spielten verschiedene Rollen, mal das Volk, mal die Mönche, zumeist aber die Nonnen rund um Clara, wobei ihre Ballettbewegungen alles andere als monastisch anmuteten, sondern sie wirkten eher wie Elfen oder Feen. Aldo Esposito spielte mal einen Mönch, mal ich weiß nicht wen, und tanzte nicht minder elfisch. Angelo setzte auch mal Blockflöten ein, und es gab zwischendurch doch auch mal mittelalterliche Tunes, wie z.B. „A la via". Eine Melodie aber, die ich sowohl mit Angelo Branduardi als auch mit Franz von Assisi immer in Verbindung gebracht hatte, wurde nur mal in einer anderen Version angespielt, aber kam nicht so, wie ich sie von einem Film über Franziskus, bei dem Angelo die Filmmusik gemacht hatte, im Kopf hatte. Den berühmten Sonnengesang brachte er mit einer für mich neuen Melodie, die in Teilen große Ähnlichkeit zum Loch Lomond-Lied von Runrig hatte.

Die Laude selber dauerte ca. 1 ½ Stunden, und in der Zugabe sang Angelo einige seiner Evergreens wie „La Pulce d’Aqua", „Cogli la Prima Mela" und „Momo’s Lied", das Publikum ging gut mit, ganz zum Abschluss gab es dann noch „Stella Matutina" aus dem Libre Vermell, zu dem er auch eine Panflöte spielte, und Angelo erklärte, dass die Pilgerströme nach San Diago des Compostella die Grundlagen für das heutige Europa gelegt hätten. So erlebte das Volk von Bonn, bzw. so viele davon, dass der Saal im Brückenforum zu ca. ¾ voll war, einen zauberhaften Abend aus Historie und Legende, Spiritualität und Erotik, Tradition und Moderne und vor allem wunderbarer italienischer Musik.

Man mag sich fragen, warum ich immer von „Angelo" schreibe, als kennte ich ihn persönlich. Nein, er ist für mich genau so „nur" eine Berühmtheit, aber ich tue das ja in meinen Rezensionen mit allen Musikern so, dass ich sie beim Vornamen nenne, egal, ob ich sie näher kenne oder nicht. Unter Folkies ist man schnell beim Vornamen, und Angelo Branduardi ist sich sicher nicht zu fein, dazu zu gehören, auch wenn er ein 2-4000 Zuhörer zählendes Publikum als angenehm kleinen Rahmen empfindet. Die Namen der anderen Künstler auf der Bühne konnte man zwar im Abspann lesen, aber eine Liste zum Mitnehmen oder ein Programmheft gab es leider nicht. Einer der beiden CD- und T-Shirt-Verkäufer am Merchandisingstand war aber so nett, sie mir alle aufzuschreiben und mir dann auch noch die Single-CD „die sonne gesang" mitzugeben, worauf das Angelo den Sonnengesang auf Deutsch singt. Mille Grazie!!!


http://www.angelo-branduardi.com/ger/index.htm
http://www.brueckenforum.de/

Mehr interessante Infos unter:
http://www.angelo-branduardi.com/ger/inter_angelo.htm
http://www.tiscali.de/ital/ital_center_cultur.72449500.html
http://www.wz-newsline.de/sro.php?redid=104810
http://www.europamici.com/interview5.html

MAS

Saturday, February 11, 2006

Konzertrezension: Sahara am 11.2.2006 in der Harmonie in Bonn-Endenich

Sahara am 11.2.2006 in der Harmonie in Bonn-Endenich

Sahara gehört auch wie Le Clou zu den Gruppen, die ich schon oft gehört, über die ich aber noch nie eine Rezension geschrieben habe. Und wie Le Clou und die Lokal Heroes gehört Sahara seit Jahren zum festen Bestandteil der Konzerte im Parkrestaurant Rheinaue und spielen auch oft in der Harmonie, wo ich sie diesmal hörte. Jetzt fehlt nur noch, dass sie auch im Bungertshof auftreten, dann wäre das noch eine Gemeinsamkeit, von denen es tatsächlich noch ein paar gibt, sogar in musikalischer Hinsicht, auch wenn man das auf den ersten Blick bzw. Klang nicht glauben mag.

„Sahara“, das klingt nach Wüste, nach Nordafrika, und da kommt auch die Musik her, sowie zwei der Musiker, nämlich der marokkanische Hauptsänger und Keyboardspieler Ibrahim Hnine und der ägyptische Darabukatrommler Moustafa Osh. Die andern drei Musiker sind Deutsche, nämlich Carol Knauber mit seinen diversen E-Gitarren und einer mit wunderschönen Intarsien versehenen Laute, der E-Bassist Hans Greuel und der Schlagzeuger Andreas Pietralczyk. Carol und Hans sind Besuchern des Bonner Folktreffs eventuell noch durch ihre Zupfinstrument-Kammermusik-Formation String Attack bekannt, wobei ich mit „Kammermusik“ nicht Abwertendes meine, sondern die Filigranität ihrer Spielweise unterstreichen möchte. Sahara aber spielt Raϊ (für den Fall, dass ein Programm das Sonderzeichen falsch wiedergibt: das i hat zwei Punkte; vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ra%C3%AF), eigentlich eine Popmusik, die vor allem im Maghreb und in Frankreich verbreitet ist, und deren zumindest für mich bekanntester Vertreter Khaled (vgl. http://www.folker.de/200501/02khaled.htm und http://de.wikipedia.org/wiki/Cheb_Khaled) ist. Die Sahara-Musiker aber nennen es nicht „Pop-“, sondern „Weltmusik“, und das nicht nur, damit ich einen Grund habe, diese Rezension zu schreiben.

Ibrahims Stimme transportierte arabische und französische Texte, die wohl kaum jemand aus dem altersmäßig sehr durchmischten Publikum verstand, auch ich nicht, obwohl ich beide Sprachen mal lernte, aber es waren auch nicht die Texte, die faszinierten und schon vor der Pause einige Zuhörer auf die Tanzfläche lockten, sondern diese Mischung aus langen Tönen aus Ibrahims Keyboard und Mund und der ansonsten mehr rhythmischen Spielweise der anderen, insofern eine ähnliche Konstellation wie bei Le Clou. Welche Bestanteile dieser Musik traditionell waren, weiß ich nicht, sicher die arabesken Schnörkel bei Ibrahims Gesang und Moustafas Tamburaspiel, ansonsten war es eine hochmoderne Musik, die sich zahlreicher Provenienzen bediente, so auch nord- und südamerikanischer, ja Reaggaerhythmen konnte man ohne Zweifel bei einigen Lieder ausmachen, und Carols E-Gitarrenspiel erinnerte meine Frau mal an Jimmy Hendrix, mal an Carlos Santana, was ich ihr einfach mal so glaube, während ich diese beiden Berühmtheiten mehr dem Namen nach kenne. Mich erinnerte sein E-Gitarrenspiel und auch wie er da stand an der aus Bühnenperspektive gesehen linkern vorderen Ecke mit seiner Sonnenbrille an Kristap Grasis, der mit den Lokal Heroes noch zwei Wochen zuvor genau an der gleichen Stelle stand und spielte. Carol und Hans entlockten ihren Zupfinstumenten auch einen funkigen Sound, der dem der Lokal Heroes in nichts nachstand, eher sogar noch ein wenig funkiger war. Und Alexander unterstütze das Ganze mit seinem Schlagzeug kräftig. Die meisten Stücke waren noch gecovert von diesem oder jenem aus den Raϊ-Carts, aber Moustafa und Carol hatten auch Selbstkomponiertes dabei. Meine Lieblingsstücke von Sahara heißen „N’ssi, n’ssi“ und „Harba“, wobei ich nicht weiß, was das auf Deutsch heißt, das erste in etwa „Gemach, gemach“, das zweite soll ein algerischer Dialekt sein, den auch Moustafa mir nicht übersetzten konnte. Ganz am Schluss der Zugabe spielten sie das auch westeuropäischen Radiohörern bekannte „Aisha“ von Khaled.

Man merkt wohl, dass ich in dieser Musik nicht so zu Hause bin, aber dass sie mir gefällt. Der nächste mir bekannte und erreichbare Sahara-Gig wird am 29.4.2006 in Siegburg im Kubana (vgl. http://www.kubana.de/kubana/) leider zeitgleich mit dem 5. Bonner Irish Fok Festival in der Harmonie.

Der Saal war dieses Mal übrigens bestuhlt und betischt, so dass ich keine Probleme hatte, mein Bier abzustellen, und auch keines, ein neues zu bestellen, denn es wurde an den Tischen flott bedient. Mir fiel auch erstmals auf, dass sie Kölsch (Sion) halbliterweise ausschenken, nichts für Reagenzglasfanatiker, sorry, Kölschstangenliebhaber, aber ich finde es praktisch!

http://www.oshmusic.com/osh.htm
http://www.carolknauber.de/index.php?option=com_content&task=view&id=22&Itemid=57http://www.harmonie-bonn.de/

MAS

Thursday, February 09, 2006

CD-Rezension: Battlefield Band. the Road of Tears

Battlefield Band. the Road of Tears

Templerecords 2005 mit zahlreichen englischen Infos und Texten und ein paar Fotos
17 Tracks, 71,50 Minuten

Die Battlefield Band, benannt nach dem Glasgower Stadtteil Battlefield, in dem sich die Band gründete (Dank an Mike Kamp, der dachte, das sei allgemein bakannt, für die Info!) legt mit dieser CD ein Themenalbum vor, wie es auch schon auf ihrer 2006er Konzerttournee zu hören war (vgl. meine Rezension vom Konzert in der Bonner Brofabrik am 1.2.2006: http://tinyurl.com/8jxnl). Das Thema Migration, als Wanderung im Sinne von unfreiwilligem Auswanderen aus der Heimat und Einwandern in ein fremdes Land wird in neun Liedern behandelt, die natürlich auch vom Auswandern aus der schottischen Heimat nach Amerika oder Australien handeln, aber auch von der Auswanderung von Irland nach Schottland oder von Mexiko in die USA. Politische Verfolgung, Armut, Arbeitslosigkeit, Hunger oder geplant durchgeführte Landvertreibung werden in Texten aus drei Jahrhunderten als Ursachen genannt, wobei außer Alan Reid auch Robert Burns und Woody Guthry als Autoren genannt werden, und einige Texte keinen bekannten Autor haben, daunter auch eines von Burns in nur Eingeweihten verständlichem schottischem Englisch, wie z.B. „Wee, sleekit, cow’rin, tim’rous beastie, ...“. Dass dies bei weitem nicht nur historische, sondern hochaktuelle Themen sind, wird im Büchlein ausführlich betont. Abgesehen von Guthrys „Plane Wreck at Los Gatos“ kann man alle Texte im Büchlein mit- oder nachlesen. Ohne die zahlreichen Infos zu den einzelnen Stücken im Büchlein würde man nicht heraus hören, dass auch einige der acht Instrumentals (bzw. es sind ja viel mehr, wenn man die Tunes der Sets einzeln zählt) die Migration oder verwandte politische Ereignisse zum Thema haben, so z.B. „Ely Parker“ benannt nach einem Seneca-Indianer, der im 19. Jh. als erster Indianer Kommissar für Indianerangelegenheiten war bis ihm als Nicht-US-Bürger das Anwaltspatent entzogen wurde, oder „Mr. Galloway goes to Washington“ über einen britischen Abgeordneten, der für die Vermeidung beider Golfkriege eintrat und deshalb nach Washington ging, um eine Anschuldigung wegen angeblicher Ölgeschäfte mit dem Irak zu widerlegen, beide Tunes übrigens im ersten Set. Auch der Ohrwurm, der im Konzert den Opener darstellte, ist dabei, wenn auch auf Position 15, und heißt „Mary’s Dream“, was mit dem Albenthema mal nichts zu tun hat, so wie auch andere Tunes von anderen Themen inspiriert sind, z.B. von der Hochzeit, und da wird im Büchlein versichert, dass „surely girls and marriage have nothing ideologycally to do with hardship, cruelty, pain, slavery, and immigration, or do they?“.

Musikalisch haben wir bei diesem Album wieder mal ein exzellentes Beispiel traditionsverwurzelter und doch moderner schottischer Volksmusik mit einigen irischen und eben einem mexikanisch-amerikanischen Stück dabei. Alan Reid singt und spielt Keyborad, Akkordeon und Melodika, Mike Katz spielt Highland Pipes, Small Pipes, Low Whistles, Tin Whistles (im Konzert auch, die hatte ich nur vergessen zu erwähnen), Bassgitarre und Bouzouki, Sean O’Donnel, der Ire in der Truppe, singt und spielt Gitarre, und Alasdair White spielt Fiddle, Whistles und Bouzouki. Es geht oft rasend schnell zu, oft aber auch sehr melancholisch, dem Thema angemessen. Zwei Lieder sind Übernahmen von zwei früheren Alben, und da singt eine Frau mit, deren Name wahrscheinlich in den Büchlein besagter zwei Alben steht, aber leider nicht in diesem. Vielleicht sind es ja auch zwei verschiedene Frauen.

Zum Schluss noch eine Strophe des Titelliedes und Openers des Albums von Alan Reid :

„They came at dawn out the darkness
Swords and torches in their hand
They said it was the chieftain’s orders
Clear the hillside and the glens
No more we’d smell the broom and the heather
Share the bannock with our kin
Be laid to rest beside our fathers
It almost broke our hearts and minds
To board the ship, the ship of tears
To board the ship, the ship of tears.”

http://www.battlefieldband.co.uk/
http://www.templerecords.co.uk/
http://www.folker.de/200601/02battlefieldband.htm

MAS

CD-Rezension: Dán. Stranger at the Gate

Dán. Stranger at the Gate

Eigenverlag 2005 mit mit deutschen Infos und Fotos
12 Tracks, 56,35 Minuten

Ein Foto einer steinernen Buddhafigur auf einem Torpfosten ziert das orangene Cover. Der Buddha als Fremder am Tor auf einem Cover in der Farbe buddhistischer Mönchsroben, aber nein, es handelt sich nicht um eine CD mit buddhistischer Musik, worauf auch die keltische Ornamentik links oben hinweis, sondern um keltische Musik aus Irland und Schottland nebst einigen kontinentaleuropäischen Melodien und einer aus Quebec. Die Musiker sind ein Oldenburger, ein Augsburger und eine Münsterländerin, Joergen W. Lang (Gitarre, Low Whistle und Hauptsänger), Johannes Mayr (Akkordeon, Kontrabass und Gesang) und Franziska Urton (Fiddle und Gesang), eben die selben, deren Konzert am 20.1.2006 im Bungertshof in Königswinter-Oberdollendorf in auch rezensiert habe (vgl. http://tinyurl.com/8fmug). Acht Tunes bzw. Tunesets (Jigs, Reels, Polkas, Lamentations u.a.) und vier Lieder („When I First Came to Caledonia“, „The Snows They Melt the Soonest“, „Hares on the Mountain“ und „Sandy Bell’s Broadstreet“) enthält diese von Anfang bis Ende spannungsreiche Scheibe, zumeist Traditionals oder aus den Federn irischer Musiker wie z.B. Jerry O’Connor, Mick Kensella oder Cathal McConnell, wobei das der CD den Titel gebende „The Stranger“ vom amerikanischen Sackpfeifer Benedict Koehler stammt. Aber auch Joergen Lang hat zwei Eigenkompositionen beigesteuert, das schon in der Konzertrezi erwähnte „Nem Üzemel“ unverkennbar aus seiner und Johannes` Hölderlin Express-Zeit, an dem ich mich gar nicht satt hören kann, und die „Lament for Kim“. Und natürlich sind alle Stücke ganz neu arrangiert, so dass man zwar das eine oder andere kennen mag, aber so gespielt dann doch noch nie gehört hat. Anders als beim Live-Auftritt kann auf der CD Joergen auch mal gleichzeitig Gitarre und Low Whistler spielen. Wunderbar finde ich zum Beispiel auch die Kombination der Meldodie des deutschen Volksliedes „Wie schön blüht uns der Maien“ mit dem irischen Lied „Hares on the Mountain“, wobei diese Zusammenstellung zwei Liebende, die zueinander finden, symbolisiert. Alle diese und viel mehr Infos findet man in dem Büchlein mit sechs schlicht, aber sehr ansprechend gestalteten Innenseiten. So nach dem vierten oder fünften Durchhören mag man da hinein schauen, aber besser ist, man schließt die Augen und hört einfach zu, und das werde ich noch oft tun.

http://www.danmusic.de/ (dort kann man auch die CD bestellen)

MAS

CD-Rezension: Woltähr. Trier night & day. bonus tracks 2001 – 2005

Woltähr. Trier night & day. bonus tracks 2001 – 2005

2005 Eigenverlag mit Fotos und wenigen Infos
15 Tracks, 58,17 Minuten

Eine CD voller Bonus Tracks für Fans. Tatsächlich, das ist der Zweck dieser selbstgebrannten Scheibe, die kostenlos an alle abgegeben wird, die „Trier by night“ (vgl. http://tinyurl.com/axchx) schon besitzen und zu schätzen wissen. Sie beginnt mit einer fast melodielosen 1. Versuchsversion von „Trier bei Naocht“, die zwar interessant ist, aber mich doch froh sein lässt, dass für der dann offiziell veröffentlichten CD eine andere Version genommen wurde. Auch der „Kirchgang“ von Heinrich Heine ist hier in einer anderen Version zu hören, mit vertauschten Gesangsrollen von Walter Liederschmitt und Chris Oberweis, und auch viele der anderen Stücke sind Alternativversionen zu den auf „Trier by night“ veröffentlichten, so z.B. vom „Musleindijaner-Singsang“ oder vom „Höhenflug (Santa Fe)“, auch diese weniger gut als die offiziellen Versionen. Aber es gibt auch mehrere Lieder, die einfach nicht mehr drauf gepasst haben, so z.B. „Riki Tiki Tavi“ und „Jersey Thursday“ ursprünglich von Donvan, hier aber frei interpretiert, „Il fait chaud“ von Florence Absolu und ansonsten Eigenkompositionen von Walter Liederschmitt, Carsten Söns und Uwe Heil, allesamt genussreich zu hören für die, die die Musik von Woltähr generell mögen, wie mich eben. Diese drei und Uli Hilsamer, soewie Norbert Brenner, Ron Bankley und Rivière Baudette sind denn auch zu hören, wie sie singen und/oder ihre Instumente bedienen, also Gitarre, Leier, Drums, Bass u.a. Der letzte Titel ist indes ganz neu: „Der Meeres und der Liebe Wellen“, entstanden 2005 im Urlaub in Kanada.

http://www.woltaehr.de

MAS

CD-Rezension: Walter Liederschmitt & Andreas Sittmann. Treverer Barden. Trier/Mosel

Walter Liederschmitt & Andreas Sittmann. Treverer Barden. Trier/Mosel

Eigenverlag 2005 mit Fotos und deutschen u. teilweise englischen Infos, und einem Text in Latein, Deutsch und Englisch
12 Tracks, 38.07 Minuten

Walter Liederschmitts Spezialität mit seiner Band Woltähr ist die Verbindung von moselfränkischer Mundart, Hochdeutsch und anderen Sprachen mit Texten über seine Trierer und moselländische Heimat mit zahlreichen Bezügen zur keltisch-römischen Antike, zur engen Nachbarschaft zu Frankreich, zu den keltischen Verwandten in der Bretagne und auf den britischen Inseln und zum Kampf gegen jegliche obrigkeitliche Bevormundung. Andreas Sittmann ist Frontsänger der Trierer Irish Folk – Gruppe Ramblin Rovers. Für diese CD haben sie sich mit elf weitern Musikern Triers zusammen getan, nämlich mit Volker Dellwe (Flöten, Dudelsack), Chris Oberweis (Gesang, Violine, Mandola); Ulrike Jockum (Kontrabass), Thommis oder Thomas Kramer (Violine; auch Rambing Rovers), Werner Schlöder (Bass; auch Rambing Rovers), Thomas Meier (Drums); Uli Hilsamer (Brums), Carsten Söns (Bass, Gesang; auch Woltähr), Uwe Heil (Gitarre, Gesang; auch Woltähr), Ralf Hess (Piano) und Walter Jäger (Violine), wobei Walter singt und Concertina, Leier und Gitarre spielt und Andreas singt und Gitarre spielt. Nun ist diese CD keine hundertprozentige Neueinspielung von 2005, sondern enthält auch Aufnahmen von 1986, 1996, 1997, 1998 und 2003.

Das erste Lied „Trever per dulzer“ stammt aus dem 12. Jh. und wird lateinisch gesungen, das letzte „Son ar chistre“ ist die bretonische Urversion von „Was wollen wir trinken“, zwischendurch ist fast alles auf Hochdeutsch und Moselfränkisch mit einzelnen französischen und englischen Einschüben. Dabei geht es sehr frankophil zu, auch politisch, wenn da Sympathie für die französische Revolution bekundet und die Preußen lieber in die Mosel geworfen werden, dann auch im Heuschrecken-Lied von 1848, als mit Heuschrecken noch nicht neoliberale Global Players, sondern eben die Revolutionäre gemeint waren, deren freies Hüpfen von der Obrigkeit nicht geduldet wurde. Zwichendurch gibt es auch Lieder zu Wein und Mosel, wie man sie aber nicht von Kegelclub-Moselwein-Stimmungsplatten kennt. Und mein Lieblingslied aus Walters Repertoire „Meine Heimat“ ist auch wieder dabei, diesmal begleitet von Walter Jäger auf der Violine.

Musikalisch ist es wieder sehr vielfältig, nicht selten countryartig, vor allem Chris Oberweis Geigenspiel, ansonsten klingen oft deutsche und französische Volkstänze an, ein „Trinkwunsch“ ist mehrstimmig a capella, Walters Stimme klingt bisweilen, als habe er Wein und Cidre kräftig zugesprochen, vor allem bei dem Wörtchen „Urbs“ ganz am Anfang.

Trier, zeitweise Regierungssitz des römischen Reiches, heute rheinland-pfälzische Bezirksregierungsstadt am deutsch-luxemburgisch-französischen Dreiländereck in der Eurregio Mosel-Saar-Luxemburg-Lothringen hat in seinen Barden wackere Söhne der Stadt, die mit Tiefgang, Fröhlichkeit, Aufmüfigkeit und Zartheit Heimatliebe beweisen, die keine Grenzen zieht, sondern selbige immer wieder überschreitet und ganz Europa und die Welt mit offenen Armen aufnimmt.

Die nächste Möglichkeit, sie live zu hören:
05.04.06
54318 Mertesdorf Karlsmühle “Treverer Barden“ mit W. Liederschmitt, Dorle Schausbreitner und A. Sittmann


Vgl. auch meine Rezension hier:
http://tinyurl.com/axchx


http://www.woltaehr.de
http://www.r-rovers.de
unter http://www.r-rovers.de/presse01.htm gibt es auch eine Konzertrezension von meinem Bruder Norbert

MAS

Friday, February 03, 2006

Konzertrezension: Le Clou am 3.2.2006 in Bungertshof in Königswinter-Oberdollendorf

Le Clou am 3.2.2006 in Bungertshof in Königswinter-Oberdollendorf

Le Clou wird in diesem Jahr 30. Deshalb habe ich Michel David, Yves Gueit und Johannes Epremian im letzten Herbst interviewt und aus dem Interview und einigen sonstigen Infos einen Artikel gemacht, der im Folker! 02.06 erscheinen wird. Aber obwohl ich in den letzten cirka zehn Jahren schon einige ihrer Konzerte gehört habe, habe ich noch nie eine Konzertrezension darüber geschrieben, so dass ich das nun hier endlich mal tue:

Johannes Epremian (Geige, Gitarren, E-Gitarre, Gesang), Michel David (Gesang, Gitarre, Waschbrett) und Yves Gueit (diatonische Akkordeons, diverse Flöten, dabei auch eine Okkarina, Oboe, Saxophon, Klarinette) standen aus Zuschauerperspektive von links nach rechts auf der Bühne im restlos gefüllten Bungersthof, hinter ihnen auch von links nach rechts Gero Gelert (E-Bass) und Ralf Schläger (Schlagzeug, was zum Namen passt), wobei letzterer natürlich saß. In der Anordnung stehen und sitzen sie anscheinend immer, was in die quirlige Musik einen Hauch von Ordnung bringt. Fans wissen, was sie erwartet, ihre Musik weist durch die Jahre eine hohe Kontinuität auf, auch neue Stücke passen sich ein in ihren Stil, und neue Stücke gibt es immer wieder, Eigenkompositionen überwiegen gegenüber Traditionals. Doch was ist das für eine Musik, mit der sie seit drei Jahrzehnten erfolgreich in Deutschland touren und von der sie auch leben können? „Cajun Swamp Groove“ nennen sie sie, oder „altmodische Tanzmusik aus dem Mississippi-Delta“.

Na, was heißt schon altmodisch? Johannes legte sofort mit seiner Geige los, schnell, rhythmisch, mehr deftig als verziert, aber äußerst mitreißend. Michel sang ein Lied nach dem anderen, auf Französisch, seiner Muttersprache, die ich leider nur ganz wenig verstehe, und sein Gesang bot einen scharfen Kontrast zur Rhythmik der Instrumente, auch seiner Gitarre oder seines Waschbretts, denn er bestand hauptsächlich auch sehr lang gezogenen Vokalen, na nicht nur, es gab auch schnelle Sätze, aber immer wieder diese lange Os und As und Es. Dann das Akkordeon von Yves, ähnlich dem Gesang, mal schnell, mal lang gezogen. Und so wogte es zwei Stunden lang durch den Raum, immer mitgetragen von E-Bass und Schlagzeug, meistens im 2/4-Takt des Two Step, aber auch mal im 3/4 oder 4/4. Allmählich gingen auch die Gespräche derjenigen Gäste, die Musik mehr zur Begeleitung ihrer Unterhaltung mögen, in Rhythmus über. Das war wirklich interessant, wie die Musik nach und nach die Aufmerksamkeit auch der Leute an den hintersten Tischen, wo auch wir saßen, eroberte. Es gibt Musik, da schwindet die Aufmerksamkeit, und es gibt Musik, da steigt die Aufmerksamkeit, und dazu gehört die von Le Clou. Da lag nicht nur daran, dass die Lautsprecher im hinteren Saalabschnitt nicht von anfang an optimal eingestellt waren, auch nicht nur daran, dass Johannes mit seiner Geige auf die Tische stieg und so auch nach hinten kam, obwohl das schon Eindruck machte. Das macht er übrigens gerne, und bei einer solchen Gelegenheit entstand auch das auf unserer Startseite unseres Internetportals für Folk- und Weltmusik in Bonn und Umgebung zu sehende Foto, ja jetzt habe ich es offiziell verraten: es ist Johannes Epremian, der Teufelsgeiger von Le Clou, der dienstältesten Bonner Folkband.

Der Two Step ist der Reel der Cajuns, eine Verballhorunung von „Arcadiens“, der französischsprachigen Einwanderer in Louisiana, die von den Engländern aus Arcadien in Ostkanada vertrieben worden waren, doch Cajun-Musik hat noch mehr Einflüsse aufgenommen, vom kreolischen Zydeco, vom Blues, vom Jazz, vom Dixieland, von der Country & Western Music, von den Volksmusiken irischer, schottischer, deutscher und anderer Zuwanderer, und das hört man auch bei Le Clou heraus. Wenn Johannes seine 1937er Metallgitarre bedient wird es bisweilen westernartig, wenn Yves seine Flöten spielt wird es französisch, bretonisch, beim Saxophon jazzig, bei der Klarinette dixieländlich. Johannes erzählte zwischendurch wieder lustige Geschichten zum Beispiel von vom Moonshine Whiskey aufgedunsenen Polizisten, Michel machte Grimassen, die bestens in ein Asterixheft passen würden, Yves schaute wie ein Walross über seinen Schurbart, als könne ihn nichts erschüttern, dann spielt er auch mal zwei Blockflöten gleichzeitig oder eine nepalesische Bambusflöte mit mehr Löchern als ein Mensch Finger hat. Mein Liebelingsstück spielten sie erst bei der Zugabe: „La robe à Tante Dolly“, ein Two Step der klassischen Art. Man mag es kaum glauben, dass ein Land, das eigentlich hauptsächlich aus träge dahin fließenden Flussarmen besteht, eine solche Musik hervor gebracht hat. Vielleicht ist das aber auch gar kein Gegensatz, denn Flüsse steigen manchmal über die Ufer wie Johannes auf die Tische, die wirken friedlich, aber haben eine enorme Kraft, sie schleppen eine Menge Treibgut heran und wieder hinweg, sie sind immer in Bewegung, alles fließt. Am Schluss saß niemand mehr, außer Ralf am Schlagzeug. Wenn das altmodisch ist, bin ich gerne altmodisch.

Von meinen Bekannten aus der Bonner Folk-Szene sah ich niemanden im Publikum, aber es wird am 31.3.2006 in der Harmonie wieder die Gelegenheit geben, und im Laufe des Jahres beim Beuler Rheinuferfest und im Sommer im Biergarten des Parkrestaurants Rheinaue, wo auch besagtes Foto entstand. Johannes spielt eigentlich lieber auswärts, wo ihn niemand kennt, als müsste er sich schämen dafür, dass er so gerne auf die Tische steigt. Ob für ihn in der Harmonie extra Tische aufgestellt werden? Warten wir es ab! Zwischenzeit könnt Ihr den im März neuen Folker! kaufen und dort nachlesen, was Ihr schon immer über Le Clou wissen wolltet und Euch nie getraut habt zu fragen: Wie die Band enstanden ist, wie sie zu ihrem Namen kam, wer daran Schuld ist, dass sie überhaupt Cajun spielen, denn das war nicht immer so, was die magische Drei bedeutet, warum sie nicht so gerne in Frankreich spielen, was die Cajuns in Louisiana von Le Clou und was die drei Frontmänner von ihrem Publikum halten.

http://www.leclou.com
http://www.bungertshof.de
http://www.folker.de


MAS

Wednesday, February 01, 2006

Konzertrezension: Battlefield Band am 1.2.2006 in der Brotfabrik in Bonn-Beuel

Battlefield Band am 1.2.2006 in der Brotfabrik in Bonn-Beuel

DI dada dideldideldidada DI dada dideldideldidada dadeldideldideldadel DI dada … Ja, ich gebe es zu, so sollte man keine Rezension beginnen, aber ich fand den Opener des Battlefield Band – Konzertes mal wieder so phantastisch, dass er mich nun als Ohrwurm begleitet. Mal wieder? Ja, 1991, also vor 15 Jahren hörte ich die BB zum ersten Mal, damals im Café Hahn in Koblenz, und Iain MacDonald begann damals mit DI dada dada dadadaDAAA di dadada DIII dada dadaDAAA ... auf der Querflöte, ein Stück namens „Farewell my love“, zu högen auf der LP/CD „New Spring“. Diesmal war es Mike Katz, der das mir namentlich nicht bekannte Stück auf der Low Whistle begann, von Anfang an druckvoll begleitet von Sean O’Donnal auf der DADGAD-Gitarre, und dann die Whistle gegen seine Highland Pipe tauschte, besagte Melodie auf selbiger fortsetzte und dann in einen Reel überging. Das fuhr tief in die Nervenbahnen und brachte sie in Wallung!

So ging es weiter, der Spannung wurde keine Chance zum Nachlassen gegeben, auch wenn die Lieder, die mal Sean, mal Alan Reid sang, etwas ruhiger waren. Sie handelten hauptsächlich von Emigration aus Schottland oder auch aus Irland nach Amerika, Australien oder sonst wo hin, unfreiwillig versteht sich, den Wunsch zur Rückkehr immer im Gepäck. Heute geht es Schotten und Iren ja besser, aber weltweit ist das Thema aktuell wie eh und je oder eher noch aktueller als eh und je, worauf Alan hinwies. Sie ist also politisch, die Schlachtfeldbande aus Schottland, daraus machen die Musiker keinen Hehl, verpacken aber ihr politisches Engangement in super gute Musik. Alan begleitete die Songs und Tunes meistens auf dem Keyboard, nur einmal auf einem Akkordeon. Er sang die schottischen, Sean, der aus Nord-Irland stammt, die irischen Lieder, darunter auch „By the hush“, das auch den Namen „The emigrant“ trage, also nun der dritte Name des selben Stücks, das auch als „Paddy’s lamentation“ bekannt ist. Anfangs hatte Sean etwas Probleme mit seiner Stimme, da er „einen Kuli verschluckt“ hatte, aber am Schluss sang er einen Popsong mit Höhen, die männlichen Stimmbändern eigentlich sehr unangenehm sein dürften.

Die Schlachtfeldbande besteht aber aus vier Männern, und Alasdair White von der Isle of Lewis (dem Jubel zufolge war das halbe Publikum schon mal auf dieser letzten schottischen Insel vor Neufundland) bediente zwei Geigen und eine sehr dicke Bouzouki und eimal auch eine Higland Pipe. Wenn er seine Fiddle unisono parallel zu Mikes Highland Pipe spielte, hörte man sie kaum, wenn er aber eine zweite Stimme spielte oder Variationen des Themas oder eben solo, dass fand ich sein Spiel das Faszinierenste des Abends, egal ob bei langsamen oder rasend schnellen Stücken, der Bogen tanzte über die Saiten und verlor dabei so manches Haar. Dabei sind die schottischen Tunes ja meistens etwas härter und kräftiger als die irischen, und wenn er die Taktbetonung im vergleich zur Pipe etwas versetzte, dahinter die Gitarre und das Keyboard, und das zum Beispiel in einem Set, der mit langsamen, dann schneller werdenden Strathpeys begann und in Reels überging, dann vibrierten nicht nur die Gehörknöchelchen, sondern das ganze Publikum. Einige wagten es dann auch zu tanzen, denn es war etwas Platz zwischen der vordersten Stuhlreihe es fast restos besetzten Konzertsaales und der Bühne.

Mike Kamps Artikel über die BB im aktuellen Folker! 01-06 zufolge, war die Battlefield Band die erste, die die Highand Pipe in den 1970ern aus den militärischen Pipes&Drums-Formationen heraus nahm und in die Folkmusik integrierte. Dass dies nicht die ursprüngliche Bestimmung dieses Instruments war, hörte man LAUT UND DEUTLICH. Eines Mikrophons hätte die Pipe nun wirklich nicht mehr bedurft. Und trotzdem passte es, und Mike Katz zeigte, dass man darauf genau so schnell spielen kann, wie man es sonst eher von Uilleann Pipern gewohnt ist.

30 Jahre hat die BB nun schon auf dem Buckel, aber nur Alan ist als Gründungsmitglied noch dabei, so dass ich ihn auch 1991 in Koblenz und 1992 in Sulz am Neckar hörte. Mike Katz hörte ich auch 2000 beim Scottish Folk Festival im Brückenforum, Sean und Alasdair waren mir neu. Und diese Spannung von langer Bandgeschichte und ständiger Erneuerung durch Fluktuation scheint dieser Band nicht schlecht zu bekommen. Auch die Neuen passen sich in den Bandsound hinein, es hört sich auch durch die Jahrzehnte kontinuierlich an, und wirkt doch wie eine junge Band. Ich hatte es ja in Erinnerung, 1991 den Brian MacNeill noch dabei gehört zu haben, aber er verließ die BB schon 1990 wie Mike Kamp es schrieb und Alan Reid es bestätigte. Alan half meinem Gedächtnis nach und da kam es mir, dass ich Brian auch um 1991 herum ebenfalls im Café Hahn zusammen mit Tom McDonagh gehört und die beiden Konzerte in der Erinnerung zusammen geschmissen hatte. Dies war nun auch mein erstes BB-Konzert ohne John McCusker, der fast bei jedem Stück ein anderes Instrument gespielt hatte. Aber wie gesagt, die Fluktuation schadet der Band nicht, sondern es gilt nach wie vor „Forward with Scotland’s Past“.

Eine Rezension der neuen CD „The Road of Tears“ folgt demnächst.

Vielleicht noch das: Brotfabrik-Programmchef Jürgen Becker sagte mir, dass Bonn wohl eine Ausnahmestadt sei, was Folkkonzerte anbelangt. Statt der gewohnten etwa 40 Termine, hatte die Battlefield Band in diesem Jahr nur etwa 20, und hatte z.B. in Köln keinen Auftrittsort gefunden. Aber die Konzerte in der Brotfabrik seien generell gut besucht. Das liegt sicher nicht nur an dem leckeren Baltikabier, das man sich in der Pause an der Theke holen kann, und die gute Akustik und auch, dass man dank der Stufung niemanden so richtig vor der Nase sitzten hat, erklärt es auch nicht alleine. Irgendwie scheinen wir Bonner und Rhein-Sieg-Kreisler ein besonders folkiges Völkchen zu sein. Und das soll auch so bleiben!


http://www.folker.de/200601/02battlefieldband.htm
http://www.battlefieldband.co.uk/
http://www.templerecords.co.uk/
http://www.magnetic-music.de
http://www.brotfabrik-bonn.de/

MAS