Konzertrezension: The Irish Folk Festival – Tunes for Tara Tour in der Philharmonie in Köln am 15.11.2005
Man könnte meinen, eine Tournee durchzuführen ist wie Flöhe hüten, denn waren schon Rüdiger Oppermann beim Klangwelten-Festival vier Damen abhanden gekommen bzw. erst gar nicht erschienen, so traf es Petr Pandula zwar nicht ganz so hart, aber auch bei seinem Irish Folk Festival fehlte eine angekündigte Musikerin, nämlich Phamie Gow, auf deren Gesang, sowie Harfen- und Pianospiel wir somit leider verzichten mussten. Als Vertretung fungierte Alan Burke, der ganz folkig mit Gesang und Gitarre den musikalischen Einstieg in das diesjährige IFF in Köln bescherte. Irgendwie wirkte er von der obersten Sitzreihe her gesehen ja winzig klein da unten auf der runden Bühne der Philharmonie, aber seine kräftige Stimme erfüllte mit elektronischer Unterstützung trotzdem die ganze Halle. (Ich erinnere mich noch an Noel Hill mit der kleinsten Concertina der Welt beim 1990er IFF in der riesigen Schwabenlandhalle in Fellbach.) Ihm folgten mit Gesang, Gitarre und Fiddle Kevin Burke & Ged Foley, auch „the high kings of tradition“ genannt, verbindet der Kenner/die Kennerin ihre Namen doch mit Formationen wie der Bothy Band, der Battlefield Band und Patrick Street, also altehrwürdigen Gruppen der irischen und schottischen Folkszene. (Die Battlefield Band wird übrigens am 1.2.2006 in der Bonner Brotfabrik spielen, natürlich in aktueller Besetzung, wenn es stimmt, was da im IFF-Programmheft steht.) Puristische Freunde traditioneller Musik hätten sich nach diesen beiden Acts eigentlich auf den Heimweg machen können, aber solche Spezialisten finden eh immer seltener den Weg zu einem IFF.
Beoga nämlich, eine fünfköpfige Band aus Nordirland, machte sowohl der Bedeutung ihres Namens „lebendig“ als auch der Zusatzbezeichnung „new folk wizards“ alle Ehre. Liam Bradley (Piano, Keyboard), Sean Óg Graham (Knopfakkordeon), Damian McKee (auch Knopfakkordeon), Eamon Murry (Bhodrán) und Niamh Dunne (Gesang, Fiddle) legten nicht nur ein schnelles Tempo vor, sondern mixten Stile unterschiedlicher ethnischer Provenienz zur einem Irish Stew zusammen, dass ich mich gar nicht satt hören konnte. Die beiden Akkordeons wurden so gespielt, dass jedes einzeln heraus zu hören war, das Bhodránspiel erinnerte mich an Jatinder Thakurs Tablaspiel beim Klangwelten-Festival, die Fiddle und vor allem auch der druckvolle Gesang der Gastmusikerin hätte mich beinahe aus dem bequemen Sitz gerissen. Wirklich sehr, sehr schade, dass dann viel zu schnell die Pause kam.
Die zweite Hälfte des Festvials bestritt Solas alleine, aber auch wenn der Name so klingt, so hat Solas nicht mit solo zu tun, sondern viel mehr mit Licht, und hatte Beoga den akustischen Luxwert schon in blendende Höhe geschraubt, so war man bei Solas der Gefahr ausgesetzt, einen musikalischen Sonnenbrand zu bekommen, ach was heißt Gefahr, vielmehr war diese Bestrahlung ein Hochgenuss. Die irisch-amerikanische Truppe, bestehend aus Seamus Egan (Flöte, Tenorbanjo, Mandoline, Tinwhistle, Lowwhistle, Gitarre, Bodhrán), Winifred Horan (Ex-Cherish the Ladies; Fiddle), Mick MacAuley ( Knopfakkordeon, Concertina, Akkordeon, Lowwhistle, Hintergundgesang), Deidre Scanlan (Gesang), Eamon McElholm (Gitarre, Gesang, Keyboard) legten auf die Vorlage von Beaga noch einen drauf, und gefielen mir auch noch besser als im letzten Jahr, als sie auch schon dabei waren. Vielleicht habe ich mich ja auch verhört, aber ich habe hauptsächlich ungerade Rhythmen in Erinnerung, als läge zwischen Amerika und Irland nicht der Atlantik, sondern der Balkan. Aber was ist schon Geographie bei einer Gruppe, die ein Stück, das nach Österreich-Ungarn klingt „The highlands of Holland“ nennt? Aber Amerikaner dürfen das, denn auch Willy Schwarz, in Deutschland lebender amerikanischer Liedermacher bescheinigt seinen Landsleuten nicht eben die besten Geographiekenntnisse (Vgl. Folker! 6.05 S. 63).
Viel zu schnell war auch dieser Act vorbei, und es blieb nur noch die Festival-Session aller beteiligter Musiker, in der sie bewiesen, dass sie neben dem Spaß auch den Ernst des Lebens zu würdigen wissen. Die Folk-Szene ist heutzutage ja nicht mehr so politisch, wie sie mal war, aber das diesjährige IFF war ja den durch den geplanten Bau eines Motorways gefährdeten Hügeln von Tara gewidmet, dem irischen Nationaldenkmal schlechthin, das in einer Archäologenherzen höher schlagen lassenden Landschaft liegt, und warum auch immer noch nicht als Unesco-Kulturerbe der Menschheit geadelt wurde. Dias von Thomas Frühwacht, umspielt von dem extra dafür komponierten „The hills of Tara“, das auch die Festival-CD so unendlich melancholisch beginnen lässt und „The march of Brian Born“, versuchten, die Herzen des Publikums für die Rettung Taras zu gewinnen. Man konnte dann auch gleich eine Petition unterschreiben. Das Programmheft enthält zudem noch ein paar andere Schauergeschichten historischer und aktueller irischer Politik, Wirtschaft und Religion, geschrieben von Petr Pandula und Gabriele Haefs (Folker!-Lesern bekannt), in denen es um lebensgefährliche Ölpipelines und inhaftierte Anwohner, die sich nicht fügen wollen, geht, und um eine englische Religionsgemeinschaft namens „British Israelites“, die die Engländer für einen verschollenen Stamm Israels hielt und in den Hügeln von Tara die verloren gegangene Bundeslade vermutete, was sie zu Raubgrabungen veranlasste. Heute ist Tara auch ohne solchen religiösen Wahnwitz gefährdet durch pekuniäres Kalkül korrupter Politiker irischer Nationalität. Ich meine, solche aktuelle Politik gehört nicht minder in ein Folks Festival, als Rebelsongs vergangener Zeiten.
http://www.irishfolkfestival.de/
http://www.tradmusic.com/artistinfo.asp?artistID=525
http://www.kevinburke.com/
http://www.gedfoley.com/
http://www.solasmusic.com/
http://www.beogamusic.com/
http://www.savetara.com/
http://www.taraskryne.org/
http://www.protect-tara.org/
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/09/cd-rezension-irish-folk-festival-05.html
http://www.folker.de/200506/16magneticmusic.htm
http://www.magnetic-music.com/http://www.koelner-philharmonie.de/
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