Monday, October 25, 2004

Konzertrezension: The Irish Folk Festival 04 – Celtic Legends am 25.10.2004 in der Philharmonie in Köln

The Irish Folk Festival 04 – Celtic Legends am 25.10.2004 in der Philharmonie in Köln


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Petr Pandula schreibt im diesjährigen IFF-Programmheft, dass das IFF-Publikum heute relaxter und offener sei als in den 1970ern, denn damals habe einmal etwa ein Drittel des Publikums unter Protest den Saal verlassen, als David Spillanes Band Schlagzeug, E-Gitarre und E-Baß einsetzte und auf der Uilleann Pipes bluesige Riffs gespielt wurden. Ja wirklich, das heutige Publikum, 30 Jahre nach dem 1. IFF, ist sehr offen, was in diesem Jahr zum Beispiel Carlos Núñez positiv zu spüren bekam.

Den Opener aber bildete das Duo Ian Smith & Stephen Campbell aus Donegal mit Gitarre, Fiddle und Gesang. Es wäre keineswegs langweilig geworden, den beiden noch ein Stündchen länger zuzuhören, so expressiv waren alle drei Instrumente. Ian Stimme erinnerte mich an Dick Gaughans, und das vorgetragene Schlaflied wirkte alles andere als zum Einschlafen geeignet. Stephens Geige erinnerte mich an norwegische Hardanger-Fidels, aber sie war von den Shetlands. Ein geniales Duo!

Solas aus USA und Irland hatte ich sehr gespannt erwartet, und war, nun, nicht gerade enttäuscht, aber vielleicht hatte ich einfach zu viele Vorerwartungen von dem einen Stück her, das ich auf einer Klingenden Post CD von Old Songs New Songs von ihnen habe. Das Quintett spielte und sang äußerst spannungsgeladen, nur schien sich die Spannung vieler Tunes immer weiter zu steigern, dann eine Zeit lang auf dem Niveau zu bleiben, um dann wieder abzuebben, ohne sich richtig zu entlanden. Ihre Musik ist recht jazzig, und auch vom Blue Grass beeinflusst, modern und urban, dabei aber unverkennbar irisch oder iro-amerikanisch.

Jim Hayes ist Bauer, wie dereinst der Micho Russel, und ähnlich wie dieser ein echter Volksmusiker. Er stand da, eine Hand in der Tasche, in leicht gebückter Haltung, sang alte Lieder, und drehte nach fast jedem Lied dem Publikum den Rücken zu, um sich die Kehle mit Wasser zu befeuchten. 71 Jahre ist er alt und war nun erstmals außerhalb Irlands unterwegs. Seine Lieder sind ganz anders, als das was man sonst so von den Iren hört und erinnerten mich zum Teil an deutsche Volkslieder vor der „Stadl“-Zeit.

Und dann Carlos Núñez, der galizische Ehren-Chieftain, und seine Band. Dieser forderte mit weit ausladender Geste um Applaus, ehe er den ersten Ton gespielt hatte. Welche eine andere Erscheindung im Vergleich zu Jim Hayes! „Wir sspielen keltisse Musik mit Leidenssaft“ sagte Carlos auf Deutsch, und ich verstand „mit kleinen Sserzen“, und die brachte er auch zwischendurch: „Was hat der Ssotte und dem Kilt? Die Ssukunft Ssottlands!“ Ha ha, und er meinte tatsächlich, den Witz hätte keiner verstanden, als niemand lachte. Sein Bruder Xurxu trommelte wild und kirmesreif den Rhythmus, durch den Carlos Gaïta es schwer hatte, sich Gehör zu verschaffen. Und dabei spielte er meisterhaft auf der galizischen Sackpfeife sowie zahlreichen Flöten Tunes aus Galizien, der Bretagne, Schottland und Irland. Wirklich zauberhaft aber sang meines Erachtens Bagoña Rioboo ein Lied über den Tankerunfall vor der galizischen Küste 2002 mit einer Melodie, die sehr arabisch klang. Ja, in Galizien nimmt die keltische Musik Kontakt zur spanischen und maurischen auf, und dort, wohin die Galizier auswanderten, zum Beispiel nach Kuba, beeinflusste sie die dortige Musik. So mancher Zuhörer mag sich über diese Mischung keltisch-arabisch-romanisch-lateinamerikanscher Musik als Höhepunkt eines irischen Konzertabends gewundert haben, aber die meisten hatten ihren Spaß dabei und klatschen heftig mit, eben voller Leidenssaft.

Vor dem Konzert gab es Dias irischer Landschaften von Thomas Frühwacht zusehen, vor jeder Gruppe Dias aus deren jeweiliger Heimat und zu Beginn der irisch-amerikanisch-galizischen Schlusssession Dias von den bisherigen Irish Folks Festivals, begleitet mit „The Parting Glass“, gesungen von Deidre Scanlan von Solas. So ging ein schöner, sehr kontrastreicher Abend zu Ende, gefolgt von diesen verarbeitenden Gesprächen im Foyer und im Zug zurück nach Bonn mit ein paar unserer regionalen Musiker, wovon diese meine Rezension nicht unbeeinflusst ist.

Ach ja, und so teuer wie erwartet war es gar nicht, sondern hielt sich vollkommen im Rahmen der Eintrittspreise die auch bei den Pure Irish Drops oder bei Whisht verlangt wurden, solange man nicht die vorderen Plätze verlangte, zumal die Philharmonie einen Studentenrabatt gewährt. Und die Akustik dort ist wirklich erstklassig. Petr Pandula erklärt im Programmheft, die moderaten Eintrittspreise (noch vor 2 Jahren waren sie doppelt so teuer) könne man der Konkurrenz verdanken.

http://www.irishfolkfestival.de/
http://www.folker.de/200405/01iff.htm
http://www.folker.de/200406/rezi-eu.htm#01

MAS