Pure Irish Drops in der Brotfabrik in Bonn-Beuel am 8.8.2005
War das 16. Pure Irish Drops – Konzert im letzten Jahr Micho Russel gewidmet, so stand in diesem Jahr beim 17. Turlough O’Carolan (1670- 1738) im Mittelpunkt, jener Ire, der als junger Mann erblindete und, um mit seiner Behinderung überleben zu können, das Harfespiel erlernte und im Nachhinein der berühmteste Komponist Irlands wurde. Sein Name fällt oft in Irish Folk – Konzerten, aber zumeist wird er eben als traditioneller Musiker vorgestellt und nur selten als das, was er eigentlich war, nämlich ein Barock-Komponist, der manchmal auch als „der Vivaldi Irlands“ bezeichnet wird. Kathleen Loughnane, die auch 2003 bei den Pure Irish Drops dabei war, auf der Harfe, ihr Sohn Cormac Cannon auf Uilleann Pipes und Whistles und ihr Neffe Martin Hughes auf der Querflöte brachten dem Publikum, das den Konzertsaal der Bonner Brotfabrik an diesem Abend füllte, diese Seite O’Carolans zu Bewusstsein. Gleich das erste Stück klang zugleich so barock und so irisch, dass ich ins Träumen geriet und mir eine Kutsche vorstellte, die durch eine Allee auf ein barockes Schloss in einer grünen Hügellandschaft zufährt, und aus der dann Männer mit Dreispitzen auf den Köpfen und in langen Gehröcken und Kniebundhosen aussteigen. Im Laufe des Abend gab es dann auch Stücke italienischer Barock-Komponisten, wie z.B. Arcangelo Corelli (1653-1713), der auch eine Zeit lang in Irland lebte, aber O’Carolan nicht kennen lernte, dann aber auch „normale“ Traditionals, die Besuchern der Fiddler’s Session nicht unbekannt sind. Dass Martin eine metallene, statt einer, wie beim Irish Folk üblich, hölzernen Flute spielte und Cormac keine metallenen, sondern Kunststoff-Whistles von Susato, die einen etwas blockflötenartigeren Klang haben, passte auch in den Ohren der im Publikum anwesenden Sessionmusiker sehr gut in diese Arrangements hinein. Es kam dann die Frage auf, ob das nun Crossover-Musik sei, wenn man barocke und traditionelle Musik so miteinander vermische. Florian Fürst, der Tourmanager, meinte dazu, diese Musik sei so zu Zeiten O’Carolans gespielt worden, und nur uns heute sei das etwas ungewohnt. Crossover ist es demnach eigentlich nicht, es sei denn, man spielte damals Crossover, dann schon. Wenn ich eine traditionelle irische Band nennen müsste, deren Musik der an diesem Abend gebotenen am ähnlichsten ist, dann fällt mir keine geringere als die berühmten Chieftains ein, die musikalischen Kulturbotschafter Irlands, nicht nur was das Harfespiel des leider mittlerweile verstorbenen Derek Bell anbelangt, sondern auch die Spielweise der Blasinstrumente. Das Wort „Chieftains“ fiel an diesem Abend auch des öfteren, aber nicht als Name der Band, sondern als Bezeichnung der Adeligen Irlands, an deren Höfen sich die Musiker, und so auch O’Carolan verdingten und ihren Lebensunterhalt verdienten. So passt der Vergleich auch von da her, aber nichts desto trotz muss ich sagen, dass ich eine genau so gespielte Musik noch nie gehört habe, so dass diesem Konzert beigewohnt zu haben, eine echte und wertvolle Bereicherung meiner musikalischen Erfahrung ist.
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http://www.breizh.de/aktuell/aktuell_188.htm
MAS