Saturday, April 23, 2005

Konzertrezension: 4. Bonner Irish Folk Festival am 23.4.2005 in der Harmonie in Bonn-Endenich

4. Bonner Irish Folk Festival am 23.4.2005 in der Harmonie in Bonn-Endenich



Zum vierten Mal lud Sabrina Palm zum Bonner Irish Folk Festival ein. Das ursprüngliche Konzept, ein Festival von Bonner Musikern für Bonner Musiker zu sein, war ja schon beim 2. BIFF durchbrochen worden, aber erstmals waren die Bonner Musiker in diesem Jahr in der Minderheit, denn von den drei Bands war nur noch eine aus Bonn. Ob so auch der gestiegene Eintrittspreis zu erklären ist, weiß ich nicht.

Ryan’s Airs eröffneten den Reigen. Wie schon in der Rezension von dem Konzert am 13.4.2005 erwähnt, ist Ryan’s Airs die Nachfolgeband von Rolling Wave und besteht aus Sabrina Palm (Fidddle), Näx = Alexander May (Uilleann Pipes, Tin Whistle, Flute, Gesang), Stefan Hennes (Gitarre, Gesang), Andrea Fritz (Gitarre, Gesang) und Andreas Schneider (Bhodrán). Stilistisch bewegen sie sich zwischen den ihnen von ihrem ehemaligen Lehrer Tom Kannmacher nahe gebrachten Einfluss von Chieftains und Planxty und moderneren Einflüssen der Bands, bei denen Michael McGoldrick mitspielt(e). Zwischen den traditionell bis jazzig interpretierten Tunes boten sie einige Lieder, nicht nur von Andrea, sondern auch von Stefan und sogar von Näx gesungen. Letzterer, der ja sonst als virtuoser Piper berühmt ist (übrigens auch zu hören in der Filmmusik der Neuverfilmung von „Das Gespenst von Canterville“), hatte während seines Studienaufenthaltes in Glasgow ein lustiges Lied über Fußballer aufgeschnappt, das wirklich gute Laune verbreitete. Andrea sang ein Antikriegslied, das ich vor allem von Clannad kenne, und Stefan eines von Dan Ar Braz, dem bekannten bretonischen Gitarristen. Extra erwähnen möchte ich aber auch das Bhodrán-Spiel von Andreas (der in o.g. Filmmusik auch mitspielt), das nämlich nicht einfach nur schnell und rhythmisch, sondern sogar melodiös ist, so wie ich es mal bei den Rezension der Flook-Konzerte beschrieben hatte. Na ja, ganz so weit wie John Joe Kelly ist er noch nicht, aber er ist auf dem richtigen Weg! Der ehemalige Lehrer kam diesmal als Gastmusiker dazu. Tom sang seine selbstgedichtete Version von „I have a wife of my own“, bei der es um einen Streit zwischen Eheleuten geht, wobei er sich ein Segelboot kaufen will, um es zu Hause in den Gemüsegarten zu stellen, wovon sie – hier von Andrea personifiziert, obwohl Toms eigene Frau im Publikum lauschte – überhaupt nicht begeistert ist.

Die zweite Band des Abends war Déirin Dé aus Hamm in Westfalen in folgender Besetzung: Ann Grealy (Gesang), Thomas Hecking (Diatonisches Akkordeon), Ulrike Steinborn (Geige), Tobias Kurig (Bouzouki), Benedikt (nein, nicht XVI., sondern) Terrahe (Bodhrán) und Regina Elling (Flute und Tin Whislte). Letztere spielt ja sonst bei Friel’s Kitchen mit und war in der Formation beim 2. BIFF schon dabei und vertrat an diesem Abend den abwesenden Colman Conolly. Regina und Ann sind also trotz der sichtbaren Ähnlichkeit nicht miteinander verwandt. Ann war die einzige „echte“ Irin beim 4.BIFF. Ihr Gesang war weich und sehr voll und voluminös, geradezu operntauglich, ihr Stil sehr modern, nicht nur bei einem allgemein bekannten Popsong, den sie zwischendurch zwecks Abwechslung darbot, sondern auch z.B. bei „The Newry Highway Man“, welches eigentlich völlig neu komponiert war und nur den bekannten Text noch enthielt. Die Tunes bewegten sich hauptsächlich in dem recht harten, fast schottischen Donegal Style, den Altan-Fans (so auch ich) zu würdigen wissen. Thomas zeigte seine Qualitäten nicht nur auf dem Akkordeon, sondern auch als witziger Ansager: Was ist die westfälische Version einer Kai Pirinha? Doppelkorn auf zerstoßener Zuckerrübe. Auch wusste er von einem japanischen Flötespieler zu berichten, dessen aus der Flöte tropfendes, von einem vorher verspeisten Kugelfisch stammendes, batteriesäureähnliches Kondenswasser Löcher in seine Hose brannte. Interessant fand ich auch die Bouzouki von Tobias, denn die schien mir übergroß zu sein, und er entlockte ihr teils metallisch harte, dann aber auch wieder ganz weiche, stets aber sehr rhythmische Klänge.

Eine Bouzouki spielte auch beim dritten Act eine wichtige Rolle. Die Amsterdamer Band Kill da Goose war nach neun Stunden Fahrtzeit mit einer Reifen- und zwei Motorpannen per Mietwagen, zuletzt von Leverkusen aus per Taxi gerade noch rechtzeitig in Bonn angekommen und musste ihren Soundcheck unmittelbar vor ihrem Auftritt nachholen. So klang es anfangs auch zu hart und schrill, dass die Ohren schmerzten, aber der Tonmeister am Mischpult bekam es dann doch auf die Reihe. Kaspar Laval (Bouzouki, Gesang. Low Whislte), Stijn van Beek (Uilleann Pipes, Low Whislte), Anneke Eijekboom (Fiddle) und Dudu Puente (E-Bass) zeigten sich vor allem von der instrumentellen Seite. Stijns quirliges Pipespiel erinnerte mich teilweise an das von Eoin Dillon von Kíla. Anneke fiddelte traditioneller dazu, Dudus Bass wirkte beruhigend dabei, kam aber gegen den hellen, aufgestachelten Hauptton seiner Mitspieler kaum an. Dudu stammt übrigens aus Asturien, wo es ja auch eine (neo)keltische Musiktradition gibt. Einige der Tunes stammten indes nicht aus dem keltischen oder westeuropäischen, sondern aus dem südosteuropäischen Raum, aus Mazedonien und der Türkei. Wie aufmerksame Leser meiner Rezensionen wissen, mag ich die Musik aus dieser Gegend unseres Subkontinents sehr gerne, auch wenn ich mich da wenig auskenne. Jedenfalls scheint es derzeit in der irischen Musik Mode zu sein, die beiden Musikregionen in diversen Tunes zumeinst recht jazzig miteinander zu verschmelzen, ein Trend, der für meine Ohren Wunderbares hervorbringt. Eine der Melodien hätte ich ohne die Ansage aber als bretonisch eingestuft. Ein einziges Lied brachten sie mit: „Streched out on your grave“ von Sinéad O’Connor, das Kaspar so expressiv sang, dass ich mich an Andy Irvine erinnerte, auch wenn die Stimmlage voller und weicher war. Und Stijn begleitete ihn auf den Pipes dabei mit einer sehr komplexen, sehnsuchtsvollen Melodie, so dass mir das gesamte Arrangement durch und durch ging.

Natürlich gab es dann eine Abschlusssession aller Musiker, von Thomas Hecking „dudeln in Rudeln“ genannt. Da brummte der Saal, und Sabrina hüfte vor Freude. Ich weiß gerade nicht, wie das Stück von Michael McGoldrick heißt, das sie da unter anderem spielten, aber ich liebe es sowohl von ihm selbst gespielt, als auch von den BIFF-Musikern an diesem Abend!
Bei der anschließenden Session im Fiddler’s war ich leider nicht dabei, und kann von daher auch nichts berichten.

Infos im Netz:

http://achimweimer.de/biff/
http://www.ryansairs.de/
http://www.deirinde.de/
Von Kill da Goose gibt es leider keine Homepage.