Saturday, April 29, 2006

Konzertrezension: 5. Bonner Irish Folk Festival am 29.4.2006 in der Harmonie in Bonn-Endenich


5. Bonner Irish Folk Festival am 29.4.2006 in der Harmonie in Bonn-Endenich

Man glaubt es kaum, aber das BIFF fand in diesem Jahr schon zum fünften Mal statt, der halbe Weg zum zehnjährigen Jubiläum ist geschafft, wie Alexander May, also Näx, der in gewohnter Weise freundlich durchs Programm führte, es sagte. Dieses kleine Jubiläum brachte mir auch den Auftrag, für den Folker! 04.06 (erscheint im Juli) einen kleinen Ortstermin-Bericht zu schreiben, der mich aber nicht davon abhält, auch den Leserinnen und Lesern des folkigen Rundbriefes eine Rezension zu liefern, denn für selbigen berichtete ich von Anfang an von den BIFFs, und das soll auch so bleiben.

Wie seit dem 3. BIFF üblich, hatten zwei der drei auftretenden Gruppen direkt mit Bonn oder näherer Umgebung was zu tun, indem zumindest ein Mitglied hier wohnt, und eine kam von auswärts.

Den ersten Act bildeten Tom Kannmacher (Uilleann Pipes, Flute, Gesang) & Stefan Hennes (Gitarre, Gesang) als Duo. Beide waren nicht das erste, sondern das dritte Mal beim BIFF auf der Bühne, wenn auch das erste Mal als Duo. Zum einen boten sie bodenständige, traditionelle irische Tunes, zum zweiten Lieder auf Gälisch (gesungen von Tom) und Englisch (gesungen von Stefan), zum dritten einen Ragtime auf der Pipe mit Gitarrenbegleitung und viertens einen lustigen deutschen Text aus dem Musikschulalltag über eine Mutter, die geduldig ihr quengelndes Kind für den Musikunterricht anzieht zu dem Reel „Mother and Child“. Ich bewundere immer wieder Toms Experimentierfreudigkeit, die er bei aller Betonung der Traditionsverwurzelung an den Tag legt und vor allem auch den Witz, mit dem er das vorträgt. Stefan brillierte mit filigraner Gitarrentechnik, die aus seiner Begleitung eine feine Musik machte.

Als zweites trat Whisht!, aka Krobfbob, auf. Ekhart Topp (Gitarre, Gesang), Holger Ries (Percussion, Bhodrán, Gesang), Johannes Schiefner (Uilleann Pipes, Flute, Gesang), Sabrina Palm (Fiddle) und Gastmusiker Franjo Zenz (Keyboard) begannen ihr neues Repertoire mit einem langsamen Intro, das nicht einfach nur eine Hinführung auf den folgenden Rhythmus, sondern richtungsweisend dafür war, in welche Richtung sich die Band entwickelt. Leicht jazzig klang es, ein urbaner Traum von einer irischen Community in einer internationalen Großstadt, immer im Kontakt mit allerlei anderen Ethnien. Dann wurde es doch schnell und rhythmisch, Rythm & Reel eben, wie Richard Schubert den Stil nennt, und sehr druckvoll und groovig und mehrstimmig obendrein. Die Zeit war knapp, nur dank einer technischen Panne hatte Ekhart Gelegenheit, eine Geschichte zu erzählen, die zugleich ein Rätsel war. Er hatte nämlich die Ortskennzeichen der Nummernschilder der Autos der Bandmitglieder zu einem Wort zusammengesetzt, wobei Krobfbob herauskam und schlug vor, die Band umzubenennen, da es in England schon eine Band namens Whisht gebe. Das Rätsel bestand darin, die Orte zu nennen, in denen die Autos zugelassen sind, aber es wurde an dem Abend nicht gelöst, und ich löse es hier auch nicht. Nur ein Tipp: Sabrina wohnt in Bonn, kam aber zu Fuß, so dass man über ihr Nummernschild nicht nachdenken muss. Sie spielten dann bekanntere Stücke, auch wieder die bretonische Ridée, und diesmal riss ich meiner Petra nicht beinahe den kleinen Finger raus. Also entweder hatten die Musiker nun das richtige Tempo oder Petra und ich die richtige Handtechnik. Dabei zogen Ekhart und Holger schwarze Mützen auf, um bretonisch auszusehen (andere tun das, um irisch auszusehen), und zwar die Mützen mit dem Känguru drauf, wovon ich auch eine habe. Hergestellt sind die in China. Irish Folk goes global. Von den vier Malen, in denen ich Whisht! bisher hörte, hat mir dieser Gig am besten gefallen, außer, dass er viel zu kurz war. Es ist übrigens die CD fast fertig, und ich werde nach Möglichkeit davon berichten, sobald sie da ist.


Auch die dritte Gruppe schaute auf die Uhr, denn die Nachbarn der Harmonie scheinen gnadenlos zu sein und nach 23 Uhr keinen Spaß mehr zu verstehen. Spaß hingegen verstand Ede, eigentlich Dennis Werner aus Stedesand in Nordfriesland, der nicht nur sang und Gitarre spielte, sondern in nordischem Hochdeutsch (nein, es war weder plattdütsch noch friesisch) und mit viel Humor durch den Auftritt der Gastgruppe Ballynacally führte. Die anderen Bandmitglieder waren – und da hier kein Rätsel zu lösen ist, nenne ich die Herkunfts- und Wohnorte gleich mit - : Ole Carstensen (ursprünglich von der Insel Föhr in Nordfriesland, jetzt Kiel; Box = Button-Accordion), Jan Faltings (ursprünglich von der Insel Föhr, jetzt Bremen; Mandoline, Bouzoukie, Banjo, Gesang), Keike Faltings (Insel Föhr; Gesang), Jochen Malchau (Hamburg; Fiddle) und Hauke Matthies (Hamburg; Bodhrán, Flute). Ja, sie schauten ständig auf die Uhr und spielten, was die Finger hergaben, als hätten sie Angst, wieder in einen Stau zu geraten, wie auf ihrer Herfahrt in Wuppertal geschehen. Ihre Musik war rein traditionell, ohne jetzt darlegen zu wollen, was das genau ist, jedenfalls legten sie all ihr können in die Darbietung der Musik, (fast) ohne mit ihr zu experimentieren. Sie spielten großenteils unisono, wie eine Ceilidhband, wodurch man neben der Fiddle das Akkordeon leider kaum hörte, denn erstere hatte einen eingebauten Tonabnehmer, letzteres nur zwei Mikrophone außen, so dass auch die Mischpultbesatzung (Andree und Axel) das nicht ausgleichen konnte. Doch wenn Jochen mal Pause machte, hörte man, wie wunderschön sich Oles Knopfakkordeon unter der Arbeit seiner Finger anhörte, womit ich gar nichts gegen Jochens wirklich meisterhaftes Fiddlespiel sagen möchte, es war nur eben sehr laut. Sehr sehr schön und trotz des Zeitdrucks gänzlich ungehetzt hörte sich auch Keikes Stimme an, die traurige Balladen von unter Liebeskummer leidenden irischen Mädchen transportierte. Das Publikum hielt die Luft an und entbrannte in einen stürmischen Applaus, so dass die nachfolgenden Tunesets fast darin untergingen, bis der Applaus in deftiges Mitklatschen überging. Und zum Anschluss ihres Auftritts sangen sie „Step it out Mary“, unterlegt mit einem Reel, also doch eher modern als traditionell arangiert. Der Name „Ballynacally“ heißt auf Gälisch „Dorf der alten Frauen“, was die Friesen nicht wussten, als sie sich ihn aussuchten. Aber sie nehmen es mit Humor.

Den offiziellen Abschluss bildete die Festivalsession aller Musiker(innen) auf der Bühne, den inoffiziellen die anschließende Session im Fiddlers Irish Pub, zu der Petra und ich auch gingen, aber erst nach einem leckeren Nachtmahl in der Harmonie, wodurch wir in den Raum, der von Musiker(inne)n überfüllt war, gar nicht mehr rein passten. Mir viel das Lied „10 000 Geiger“ von Truck Stop ein, wenn man hier auch drei Nullen streichen konnte. Und trotzdem schafften es Till und Näx, ihren Tin Whistles Gehör zu verschaffen. Das ging so bis..., ich weiß nicht, aber wir gingen so gegen halb zwei.

Sabrina Palm hat da nicht nur als Fiddlerin, sondern vor allem als Hauptorganisatorin wieder ein feines Festival auf die Beine gestellt. Und die Deutsch-Irische Gesellschaft Bonn hat es finanziell unterstützt. Das kann gerne so weiter gehen, auf dass die 10 BIFFs voll werden, mindestens!

http://www.biff.de.vu/
http://www.kannmachmusik.de/
http://www.kannmacher-hennes.de.vu/
http://www.whisht.de/
http://www.ballynacally.de/
http://www.harmonie-bonn.de/
http://www.deirge-bonn.de/


Und ich weise noch auf meine bisherigen BIFF-Rezensionen hin:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2002/04/konzertrezension-1-bonner-irish-folk.html bzw. http://tinyurl.com/8oltl
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2003/04/konzertrezension-2-bonner-irish-folk.html bzw. http://tinyurl.com/7dtj3
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2004/04/konzertrezension-3-bonner-irish-folk.html bzw. http://tinyurl.com/7a877
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/04/konzertrezension-4-bonner-irish-folk.html bzw. http://tinyurl.com/auwdz

Rezis von mir zu Whisht!:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2004/10/konzertrezension-whisht-am-9102004-im.html bzw.http://tinyurl.com/aqjjt
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/12/konzertrezension-whisht-im-bungersthof.html bzw. http://tinyurl.com/bnyt7

Zu Tom Kannmacher und/oder Stefan Hennes:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2004/12/konzertrezension-weihnachtskonzert-mit.html bzw. http://tinyurl.com/clmks http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/04/konzertrezension-die-erkelteten-und.html bzw. http://tinyurl.com/8oy6w
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/03/konzertrezension-die-erkelteten-und.html bzw. http://tinyurl.com/jnsoe

MAS