Tuesday, March 28, 2006

Konzertrezension: Die Erkelteten und Keen on Tunes am 28.3.2006 in der Musikschule Kirschallee in Bonn

Die Erkelteten und Keen on Tunes am 28.3.2006 in der Musikschule Kirschallee in Bonn

Die Musikschule in der Kirschallee in Bonn-Poppelsdorf feierte vom 26.3. bis zum 1.4.2006 mit zahlreichen Konzerten und auch anderen Veranstaltungen ihr 25-jähriges Bestehen. Tom Kannmacher war von Anfang an dabei und begann auch sofort, Schülerinnen und Schüler in traditioneller irischer Musik zu unterrichten, woraus dann schon 1982 die Band Cherry Alley hervorging, die parallel zu der von 1985 bis 2004 von ihm geschulten Band Rolling Wave bis 2002 bestand. Seit 2002 sind es die Bands Keen On Tunes und Die Erkelteten, die durch Tom in das Wesen und die Praxis irischer Musik eingeweiht werden, und diese beiden gaben nun an diesem Abend ihren Beitrag zum Jubiläum der Musikschule. Der Abend war dreigeteilt in je ein Konzert der beiden Gruppen und eine anschließende Session, und damit die Gäste außer Musik auch noch andere irische Spezialitäten genießen konnten, gab es Guinness Drought Stout aus der Dose mit Widget-Kapsel und drei Sorten irischen Käse.

Schon zwei Konzerte der Erkelteten durfte ich erleben und rezensieren, nämlich beim 1. BIFF und vor einem Jahr, als sie mit Rolling Wave beim letzten Konzert der letzteren vor deren Umbenennung in Ryan’s Airs zusammen spielten. Man kann es der unten angefügten Besetzungsliste entnehmen, dass die Kids allmählich schon fast (Heike Kosmider auch ganz) junge Erwachsene sind. Es ist eine gewisse Routine ins Spiel gekommen, ob Hornpipes, Jigs und Reels oder Lamentations und Seefahrtlieder auf Englisch und Gälisch, sie gaben unter Toms Anleitung ein sehr schön arrangiertes Konzert, fein gespielt, an die Chieftains erinnernd, die Liedstrophen abwechselnd mit Pipes, Fiddle, Flute, Whistle oder Harfe begleitend, Gitarre und Bodhrán natürlich auch immer dabei, bei den Tunes eher unisono spielend, wobei Tom selber manchmal eine zweite Stimme hinzu fügte. Was ihnen noch fehlt ist ein gewisser Pep, den ich vor allem bei einem Lied der Pogues vermisste, da ich das sehr aggressiv vorgetragene Original im Hinterkopf hatte. Das Lied wirkte zu brav. Und überhaupt gerade die Lieder könnten noch etwas mehr Expressivität vertragen. Aber das kann ja noch kommen.

Keen On Tunes besteht nun mehr aus Leuten die noch älter sind als ich, woran man sieht, dass auch ältere Semester noch lernen können. Es liegt wohl an Tom als gemeinsamem Lehrer, dass sie sich so sehr anders als die Erkelteten auch nicht anhörten, aber vielleicht hatte ich auch einen ungünstigen Sitzplatz, so dass mir einige Feinheiten entgingen. Auch hier wieder: schöne Arrangements, fein vorgetragen, aber auch bei den Liedern etwas zu brav. Tom wirkte außer als Mitspieler auch etwas als Dirigent, der den Auftritt überwachte und leitete. So hatte das Konzert etwas Klassisches an sich und es fehlte mir etwas das Spontane und Improvisierende, das ich gerade in den letzen Monaten bei einigen Spitzenbands gehört habe. Aber oh je, was tue ich da: Ich vergleiche Schülerbands mit den großen Meistern, das ist unfair. Nein, ich möchte nicht diesen Eindruck hervorheben, sondern den, dass es ein wunderschöner Abend war, dass mich die Musik berührte, und dass ich es gerade in einer Zeit, in der in durchschnittlichen Jugendbüchern über Musik der Dudelsack noch nicht einmal im Register vorkommt, besonders wichtig und herzerfrischend finde, was Tom hier in Bonn leistet. Er teilte mir noch mit, dass es noch ein paar Kollegen in Deutschland gibt, die irische Musik unterrichten, teils traditionelle, teils Folk im weiteren Sinne, aber dass sein Unterricht wohl der traditionsverwurzelste sei.

Ein Besonderes Schmankerl gab es am Ende des zweiten Teiles, und zwar eine Bönnsche Umtextung von Fiddler’s Green, in deren Refrain es dann hieß:

Pack misch in in ming Hemp un’ ming Jöppsche
He’ am Kai seht ihr nie mih ming Köppsche
Sach denne Jungs, dat isch up minge letzte Reis bin,
Doch mir sehn uns all widder in Fiddler’s Green.

Herrlich!!!

Zur anschließenden Session gesellten sich noch sieben andere Musiker(innen) dazu, die fast alle durch Toms Schule gelaufen sind, und ohne die Bands wie Ryan’s Airs, Whisht!, Last Night’s Fun und Foggy Stew nicht das wären, was sie sind. Und dank dieser Meisterschüler(innen) kam dann auch noch etwas mehr Drive in die Musik, wenn Tom das Tempo auch absichtlich bremste, damit in der Schule nicht das darwinistische Ausleseprinzip der Fiddler’s Session griff, nach welchem man ausfällt, wenn man nicht mehr mithält. Ich spielte auch ein wenig mit, soweit ich es konnte, und ich weiß nicht, wie viele der Zuhörer an diesem Abend ihren Erstkontakt mit Irish Folk Musik hatten, aber der Eindruck dürften nicht der Schlechteste sein.

Hier die Besetzunglisten des Abends, die Tom mir zuschickte:

Die Erkelteten:
Jonas Heidebrecht (16): Uilleann Pipes, Whistle
Heike Kosmider (21): Fiddle, Gesang
Anna Lück (16): Harfe
Julia Lück (18): Flute, Whistle, Gesang
Mario Wagner (15): Gitarre
Julian Goertz (16): Bodhrán, Gitarre
Thea Staab (z.Z. krank) (16): Gesang

Keen On Tunes:
Heinz Peter "Henry" Goergens (52): Bodhrán, (spielt außerhalb der Band Great
Highland Bag Pipe)
Ute Goergens (48): Flute
Dagmar Hoffmann: Tin Whistle
Joachim Hoffmann (47): Uilleann Pipes
Maryanna Krah: Flute, Tin Whistle
Heike Vielmetter (44): Fiddle
Resia Lehmacher (59): Harfe, Gesang

Tom Kannmacher (57) spielt, was der Besetzung noch fehlt (Cello, Whistle,
Pipes, Gitarre, Flute, Fiddle, Gesang...) und erstellt Arrangemententwürfe.

http://www.kannmachmusik.de/
http://www.bonn.de/familie_gesellschaft_bildung_soziales/musikschule/index.html

Frühere Rezis von mir zu den Erkelteten:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2002/04/konzertrezension-1-bonner-irish-folk.html
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/04/konzertrezension-die-erkelteten-und.html


MAS