Lawaschkiri. Susa i brusa
House of Audio, 2006 mit Fotos und deutschen Infos
14 Tracks, 52.44 Minuten
Im Merian gibt es eine Sparte namens „So steht es nicht im Baedecker“, und ich könnte zu dieser Rezension schreiben: „So steht es nicht im Folker!“, denn zwar steht im Folker! 03.06 auf S. 92 eine Rezi dieser CD von mir, aber nur als Kurzschluss mit bis zu 300 Zeichen. Schon zweimal kam es vor, dass ich eine CD zuerst für den folkigen Rundbrief rezensierte, und dann die Nachfrage kam, ob ich sie nicht auch für den Folker! noch besprechen könnte, aber diesmal ist es umgekehrt. Das kommt mir sehr gelegen, nicht nur weil ich so eine schöne CD zum Verschenken übrig habe, sondern vor allem weil mir doch noch einiges einfällt, was man über diese Scheibe noch schreiben könnte bzw. müsste, um ihr gerecht zu werden.
Das Cover erinnert mich, obwohl ganz anders gestaltet, an das von Katy Sednas „...for you“, denn auch hier sind eine hübsche Frau und schweres Musikmöbel abgebildet, aber während Katy im Treppenhaus sitzend auf Hilfe wartet, stemmt Frederike Fischer hier einen Kontrabass über ihrem Kopf. Sämtliche Fotos auf Cover und im Booklet sind aber farbverfremdet abgedruckt, als befände man sich bei Rotlicht in einer Dunkelkammer oder so. Was steckt da wohl für eine Musik dahinter?
„Lawaschkiri“, so der Gruppenname, ist die deutsche phonetische Schreibweise des französischen „la vache qui rit“, „die Kuh, die lacht“. Tatsächlich findet sich eine gestempelte Kuh rechts unten auf dem Cover, doch ob sie lacht, kann man nicht erkennen. „Susa i brusa“ wiederum ist schwedisch und heißt „Sausen und brausen“. Also gibt es hier deutsch-französisch-schwedisch daher sausende und brausende Musik einer lachenden Kuh? Deutsche Musik ist es insofern, als die Musiker Deutsche sind, genauer gersagt Bayern, Oberpfälzer, Dönauländer, Regensburger, keine Domspatzen, sondern – lachende Kühe? Die schon erwähnte Frederike Fischer spielt ihren Kontrabass (nachdem sie ihn abgesetzt bzw. hingestellt hat) und singt, Sonja Sanktjohanser spielt Querflöte und singt, Reimund Bauer spielt Gitarre, Mandoline und Banjo und singt, Florian Peters spielt Akkordeon und Gitarre und singt, und Bernadette Halas spielt Geige und – ja man ahnt es schon – singt. Und dann sind da noch kleingedruckt aber deutlich hörbar zwei Gastmusiker: Sebastian Voigts auf Claviola und Melodika und Manuel Haas auf Klarinette und Sopransaxophon, und vor allem die letzteren beiden Instrumente geben vielen Stücken erst eigentlich den besonderen Pep, denn Manuel umspielt die Melodien balkanisch-jazzig, so dass ich den Satz auf der Homepage verstehen kann: „Alle Mädels sind errötet, wenn Manuel ins Sax reintrötet.“ Ich bin zwar kein Mädel, erröten tue ich deswegen auch nicht, aber es gefällt mir!
Es wird viel gesungen auf dieser CD und das auf Makedonisch, Polnisch, Schwedisch (also doch), Englisch, Griechisch, Isländisch, Spanisch und Jiddisch, aber nicht auf Deutsch (nur ein gesprochenes Intro ist in dieser Muttersprache der Musiker wiedergegeben, damit man weiß, worin es in dem dann folgenden ägäischen Lied geht) und auch nicht auf Französisch (auch das Wort „Lawaschkiri“ kommt in einem englischsprachigen Lied vor). Und es wird auch viel rein instrumentell gespielt, Melodien italienischen, französischen, irischen und brasilianischen Ursprungs, auch mal in einem Stück fusioniert. Wir hatten (oder haben noch, aber ich habe lange nichts von ihnen gehört) in Bonn ja mal die Tagediebe, die gern gehörte Musiker beim Bonner Folktreff waren. Lawaschkiri erinnern mich sehr an sie, und wer sie mag, dem sei diese CD hier wärmestens empfohlen. Nur scheint mir der Lawaschkiri-Bandsound noch einheitlicher zu sein, denn trotz der riesigen Vielfalt an Herkünften der Stücke klingt die Musik fast durchweg jiddisch-slavisch-balkanisch-griechisch bzw. mittel- und südosteuropäisch in ihren ungeraden Rhythmen, ihrer Schrägheit, ihrer jazzigen Verspieltheit, sogar das „a sprengisandi“ würde ich südostwärts einordnen, wenn ich es nicht von Islandica kennen würde und so die nordwestliche Provenienz wüsste. Die Regensburger Musici müssen schon des öfteren donauabwärts gereist sein. So richtig aus diesem Rahmen fallen eigentlich nur zwei Stücke, das schwedische „kristallen“, das zumindest am Anfang nordisch-mystisch, fast madrigalisch daher kommt und das an Bob Dylan erinnernde „polly on the shore“.
Wer also gute handgemachte Musik für eine Multikultitanzparty oder einfach nur für gute Laune sucht und sich nicht vor hohen Tönen scheut, der oder die greife hier zu.
Inhalt:
1. jovano
2. polka luccese
3. prawy do lewego
4. kristallen
5. polly on the shore
6. pula
7. my only day in hell
8. mein krauses Basilikum
9. le miel de Brazil
10. a sprengisandi
11. el choclo
12. spaghetti ice
13. glawnoje
14. di mame
http://www.lawaschkiri.org/
MAS