Friday, May 26, 2006

Konzertrezension: 2. Celtic Attractions Festival im Zirkuszelt im Kinder- und Jugendzentrum Köln-Weiß am 26.5.2006

2. Celtic Attractions Festival im Zirkuszelt im Kinder- und Jugendzentrum Köln-Weiß am 26.5.2006


Offiziell, also auf den Plakaten des Veranstalters Ralf Wackers, heißt es ja „Celtic Attractions – 2. Irish Folk Festival im Zirkuszelt“, auf der Homepage „Celtic Attractions – Celtic Festival im Zirkuszelt“. Aber ich finde „2. Celtic Attractions Festival“ viel griffiger, da kann man dann so schon „2. CAF“ draus machen, nachdem im April das 5. BIFF stattfand, und andere Festivals auch mit Abkürzungen wie IFF, SPDCF, ISF, SFF, CHF usw. betitelt werden, nicht zu vergessen das TFF. Das kann sich das CAF dann schön einreihen. Und das kann es nicht nur in Bezug auf die Abkürzungsmöglichkeit des Namens, sondern auch in Bezug auf die Qualität der gebotenen Musik. Doch dazu später.

Eines muss ich ja vorneweg lobend erwähnen: Ralfs Geduld. Lief schon im letzten Jahr, beim 1. CAF (offiziell: „Celtic Attractions – 1. Irish/Scottish Folk Festival im Zirkuszelt“), das Regenwasser ins Zirkuszelt, so war das Festival auch in diesem Jahr, obwohl einen Monat später, mit Regen gesegnet. Die Temperaturen im Zelt sorgten zudem dafür, dass alles schön frisch blieb. Ralf meinte locker: „Irisches Wetter eben.“ Und dann scheint auch organisatorisch einiges anders gelaufen sein, als er sich das gewünscht hatte, so dass sogar drei verschiedene Anfangszeiten in Umlauf waren: 19 Uhr laut Homepage, 19.30 Uhr laut Irischem Rundbrief und 20 Uhr laut einer anderen Quelle, und auf den Plakaten stand nur das Datum, aber keine Uhrzeit. Aber das brachte Ralf auch nicht aus der Ruhe: „Wir fangen erst um 20 Uhr an, da verschiedene Zeiten im Umlauf sind. Das macht aber nichts, es gibt noch genug Musik heute Abend, und nachher noch eine Session bis in die Nacht.“ (So ungefähr, also nicht ganz wörtlich.) Petra hätte sich derweil gerne mit einem Rotwein aufgewärmt und in Stimmung gebracht, aber den gab es nicht. Mir genügte ein Fläschchen Kilkenny.

Doch dann war es endlich so weit. Joergen W. Lang, Franziska Urton und Johannes Mayr standen in der Manege, ersterer mit Gitarre, zweitere mit Geige, dritterer mit Akkordeon. Dán bestritt also die erste Hälfte des Abends. Sie begannen ganz leise mit einer auf der Gitarre gespielten Melodie, die Geige und Akkordeon fast einen Bordun unterlegten, der in Akkorde überging. Dann übernahmen sie die Melodie, die langsam schneller wurde und sich zu einem Jig entwickelte, der nicht einfach so dahin hüpfte, sondern immer wieder in die Tiefe ausholte und auch nach oben oder unten die eigentliche Melodie ausweitete. Immer kräftiger wurde sie, und plötzlich würde die zum Reel. So gelang es ihnen, das Publikum aus der Kältestarre zu holen, und damit es nicht gleich wieder zurück fiel, setzten sie einen Polkaset hintendran, der auch auf deren CD drauf ist, und den ich bei meiner zweiten CD-Rezension (der für den Folker!) etwas detaillierter würdigte. „Jou, das ist es, jetzt bin ich wach und bin in alle Fasern meiner musikalischen Empfindungen stimuliert.“ So empfand ich. Die Lieder, die folgten, trafen so auf fruchtbaren Boden, Joergens Stimme pflügte, Geige und Akkordeon säten und bewässerten ihn. Auch wechselten sie die Instrumente, so griff Joergen zur Low Whistle, Johannes zu seinem überdimensionalen Kontrabass. Die Töne wurden auch mal schräg, Hölderlin Express ließ grüßen, nicht nur bei „Nem Üzemel“, sondern eigentlich gleich von Anfang an. Franziska moderierte zwischendurch mit münsterländischer Bodenständigkeit, die man ihrem rasanten und minutiös-filigranen Fiddlespiel gar nicht anmerkt. Da muss noch anderes im Spiel sein, ja, sie wohnt zwar in Münster, ist aber in Bochum geboren. Ob es das ist? Nun ja, man mag sich stiebende Funken eines Hochofens vorstellen, wenn man ihren Bogen tanzen sieht. Wie dem auch sei, ehe man sich versah oder verhörte, war die erste Hälfte auch schon vorbei, obgleich sie lange spielten, über eine Stunde, aber so ist das eben wenn man im Flow ist, sei es als Musiker oder als Zuhörer. Und ersteren sei versichert: Die zwei, die vor Ende des Gigs hinaus gingen, kamen nach entleerter Blase wieder, das kann ich bezeugen. Und es kamen sogar noch Leute dazu, die freilich wirklich was verpasst haben!

Kann man da noch was drauf setzen? Bestimmt nicht, wenn man eine ähnliche Art vom Irish Folk spielt. Iontach, also Siobhán Kennedy (aus Nordostirland, den County habe ich nicht verstanden, und somit die Vorzeigeirin des Abends) auf Querflöte, Jens Kommnick auf Bouzouki und Angelika Berns auf Bhodrán begannen anders als Dán nicht langsam und wurden dann schneller, sondern sie begannen schnell mit dem Reelset „the dream of home“, mit dem auch deren CD beginnt, und wie auch auf der CD ist diese schnelle, rasante Spielweise nicht das Typische und Besonderes für sie, obgleich sie sie meisterhaft beherrschen. Nein, ihre Besonderheit ist der mehrstimmige Gesang, sei es auf Gälisch, sei es auf Englisch, sei es auf Latein. Damit entführten sie das Publikum in alte irische Klostergewölbe, wenn auch in diesen Klöstern kaum Männer und Frauen miteinander gesungen haben dürften. „Quotenmann“ Jens brummte seinen Mitsängerinnen auch keineswegs dazwischen, sondern war nur um weniges tiefer als sie. Und dann doch wieder Tunesets, die die Stimmung davon abhielten, all zu sakral zu werden, und dabei bediente Jens auch mal eine Uilleann Pipe, mal eine Whistle, mal ein Keyboard, mal ein Cello, Siobhán auch mal eine Fiddle oder eine Whistle und Angelika das Keyboard oder eine Whistle. Schon alleine durch diese Instrumentenvielfalt wirkte der Gig so kurzweilig und leichtfüßig, gewissermaßen ein Gegengewicht zu den mehrstimmigen Liedern wie „senex puer“ oder „brighid’s kiss“. Leichtfüßig waren auch die Moderationen zwischendurch, vor allem von Jens, witzig, selbstironisch („Wenn Ihr Zeit habt, könnt Ihr ja nachher mit mir eine Selbsthilfegruppe gründen“ sprach der „Quotenmann“), sympathisch („Ich hab auch mal in Köln gewohnt. Ich weiß nicht, wie groß hier der Lokalpatriotismus ist, ich war nie in Köln-Weiß. Und ich weiß nicht, ob das jetzt ein Fehler ist, das zu hier zu sagen, ich hab gewohnt beim, na wie hieß das noch, beim Rudolfplatz hab ich gewohnt. Ist das in Ordnung? Da war auch gleich das Millowitsch-Theater in der Nähe, da hab ich mich wohlgefühlt.“), bescheiden („Normalerweise sage ich bei dem Cello immer ‚Geige für Angeber’ aber wenn ich mir Johannes Kontrabass so anschaue. Man muss wissen, wann man die Klappe halten soll.“) (Alles nicht ganz wörtlich, aber fast.)

Man kann sich vorstellen, dass für mich, der ich ja die CDs der beiden Bands für den Folker! rezensiert hatte, wobei diese mir so tief rein gingen, dass ich sie kurzerhand als Besondere vorschlug, was auch durchkam, sehr sehr gespannt auf diesen Abend war, und, obgleich oder weil ich beide Bands schon life gehört hatte, mich darauf freute wie ein Kind auf Weihnachten. Und anders als auf den CDs spielten die sechs dann auch noch zusammen in einer Festivalsession, wobei es dann sehr schottisch zuging: „Both sides of the Tweet“ und „Caledonia“ sangen sie, unterbrochen von einem Reelset. Schade, dass ich zu früh mein letztes Foto verschoss, denn so kann ich folgendes nur aus dem Gedächtnis beschreiben. Aus Publikumsperspektive links standen Joergen und Siobhán mit Whistles, in der Mitte saß Jens mit einer Gitarre, und über ihn beugte sich Johannes von seinem Kontrabass herunter, um zum Singen ans Mikrophon zu kommen, derweil er weiter zupfte, so dass er fast so über seinem Instrument hing, wie das von ihm erwähnte Eichhörnchen auf einem Ast, während es ihnen bei der Probe zusah, und rechts standen Franziska mit ihrer Fiddle und Angelika mit der Bodhrán. Diesen Genuss können die CDs nicht bieten, dazu musste man ins Zirkuszelt kommen. So ging ein ganz besonderes Konzert zu Ende, nach zirka dreieinhalb Stunden Spielzeit so gegen halb elf, und ich fühlte mich reichlich beschenkt. Das waren echte Stars in der Manege!

Wenn ich Siobhán als „Vorzeigeirin“ bezeichne, dann ist das insofern etwas ironisch, als viele Leute ja die originale Musik aus Irland und Schottland streng unterscheiden von der Musik deutscher und anderer Epigonen, die sie als nicht autochton empfinden. Und von der Perspektive her gilt es immer als ein besonders Qualitätsmerkmal, bei einem solchen Festival zumindest eine Irin oder einen Schotten dabei zu haben. Dagegen ist, zumal wenn es sich um eine solche Musikerin wie Siobhán handelt, natürlich nichts einzuwenden, aber die Musikerinnen und Musiker des Abends haben auch bewiesen, dass bei aller Verwurzelung in Irland und Schottland die Musik doch unabhängig davon geworden ist, woher denn die Musizierenden stammen und wo sie wohnen. Sicher hat die Szene in Irland und Schottland mehr Aktive als zum Beispiel hier in Deutschland, und Geraldine MacGowan hat mir gegenüber ja auch betont, dass der Kontakt zur Szene in Irland wichtig für ihre Musik sei, aber grundsätzlich ist die Musik hier angekommen und nimmt nach und nach eigene, autochtone Formen an, nicht weniger als zum Beispiel in USA, wo längst nicht alle Spitzenmusiker des Irish/Scottish Folk Verbindungen zu Ir- oder Schottland haben. Man denke nur mal an Millish aus Michigan, für die Joergen ja an diesem Abend mit seinem T-Shirt Werbung machte. (Nein, Jens, mit Willi Millowitsch hat das weniger zu tun.)

Zu guter letzt gab es dann wirklich noch eine Session, nicht im Zelt, sondern im Café des Kinder- und Jugendzentrums, an der etwa vierzehn Musiker(innen) teilnahmen. Ich hatte das Glück, direkt neben Franziska sitzen zu können, so dass ich ihrem Bogen noch ein wenig zusehen konnte. Nach ein paar Reelsets, die sich so leicht anhörten und so schwer zu spielen sind (bzw. für mich großenteils gar nicht) wagte ich auch mal einen March auf meiner Whistle, wobei mich zum Glück Margret Hüffer unterstütze, und so nach zwei, drei Durchgängen bequemten sich die Instrumentakrobaten mitzuspielen, und wir setzten noch ein paar Jigs hintendran. Das machte Spaß! Die Wremer (also die von Iontach) mussten noch nach Hause zurück, fünf Stunden durch die Regennacht, keine Ahnung, wie lange die anderen noch machten, wir fuhren gegen 1 Uhr oder so.

Habe ich noch was vergessen? Ach ja, der Veranstalter nennt sich „Kultur unter der Kuppel“ und unterstützt wurde das Festival vom einem Köln-Cork-Verein oder so. Und wenn Ralf bei der Qualität bleiben will, muss er schon mal anfangen sich umzugucken. Ralf, vielleicht schaust Du mal hier rein: http://www.frielskitchen.de, denn dann hättest Du schon mal drei der Musiker(innen) dieses Abends wieder dabei, sofern die auf der Homepage genannte Besetzung noch aktuell ist. Aber da kennst Du Dich ja selber aus.

Und hier ein paar Links zum Weiterstöbern:

Zum CAF:
die Homepage:
www.celtic-attractions.de
meine Rezi vom 1. CAF:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/04/konzertrezension-celtic-attractions-1.html bzw. http://tinyurl.com/85qdj

Zu Iontach:
deren Homepage:
http://www.iontach.de/
meine Folker!-Rezi von deren CD:
http://www.folker.de/200406/bescd.htm#03
meine Rezi von deren Konzert im FiF:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/03/konzertrezension-iontach-am-1732006-im.html bzw. http://tinyurl.com/jtzxq

Zu Dán:
deren Homepage:
http://www.danmusic.de/
meine Rezi von deren Konzert im Bungertshof:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/01/konzertrezension-dn-am-20012006-im.html bzw. http://tinyurl.com/8fmug
meine 1. Rezi von deren CD:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/02/cd-rezension-dn-stranger-at-gate.html bzw. http://tinyurl.com/c938n
meine Folker!-Rezi von deren CD:
http://www.folker.de/200603/bescd.htm#01

Speziell zu Jens Kommnik und Siobhán Kennedy:
Jens’ HP:
http://www.jenskommnick.de/
Wikipedia-Artikel über ihn:
http://de.wikipedia.org/wiki/Jens_Kommnick
meine Folker!-Rezi der CD von Peter Kerlin, auf der sie mitspielen
http://www.folker.de/200601/rezi-d.htm#03

Speziell zu Johannes Mayr:
seine Hompage:
http://www.johannes-mayr.de
meine Rezi vom BalFolk in Marienthal, wo er mit Mensch Mayr und Jostal spielte:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2004/12/konzertrezension-bal-folk-mit-mensch.html bzw. http://tinyurl.com/8spax
meine erste Rezi von seiner CD:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2004/05/cd-rezension-johannes-mayr-blue-bellow.html bzw. http://tinyurl.com/apuy5
meine Folker!-Rezi von seiner CD:
http://www.folker.de/200406/rezi-d.htm#06

Speziell zu Joergen W. Lang:
seine HP:
http://www.worldmusic.de/
meine Rezi zum 3. BIFF, wo er mit Laundry List spielte:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2004/04/konzertrezension-3-bonner-irish-folk.html bzw. http://tinyurl.com/7a877

Außerdem zu Geraldine MacGowan:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/06/konzertrezension-geraldine-macgowan.html bzw. http://tinyurl.com/a3knf
und
http://www.folker.de/200505/05geraldinemacgowan.htm
Und zu Millish:
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/03/konzertrezension-irish-spring-festival.html


MAS