Thursday, July 06, 2006

CD-Rezension: Olaf Sickmann. Reise nach Neuseeland

Olaf Sickmann. Reise nach Neuseeland

Wonderland Records 2006 mit Fotos und deutschen Infos
12 Tracks, 46,20 Minuten


„Reise nach Neuseeland“ ist nach „Sommertiefe“ die zweite CD von Olaf Sickmann, die ich für den Folker! rezensieren durfte und die erste, die er mir noch mal zuschickte, damit ich für den folkigen Rundbrief noch eine (längere) Rezension schreibe.

Olaf lebt in Melle in Südniedersachsen, meines Wissens in einer alten Mühle, die er auch zu einem Tonstudio ausgebaut hat. Ich stelle mir das so vor, dass er dann dort tagein, tagaus am Bach oder am Fenster, bei schlechtem Wetter auch mal bei geschlossenen Fenster drinnen auf der Couch sitzt und Gitarre oder Flöte spielt. Da ich noch nie dort war und ihn auch gar nicht persönlich kenne, weiß ich aber nicht, ob meine romantische Vorstellung nicht doch etwas trügt, befürchte es aber. Besuch hat er dieser meiner Vorstellung nach nicht oft, denn er musiziert fast immer alleine. Bei „Sommertiefe“ assistierten ihn noch Rolf Wagels und Marcus Praed, die musikalische Reise nach Neuseeland hingegen trat Olaf ganz alleine an. Das hört man der CD indes nicht an, denn Olaf spielt Gitarre, Tin Whistles und Percussion gleichzeitig. Ja, okay, ich weiß auch, dass er sie nacheinander spielte, aufnahm und dann abmischte, solche entlarvenden, analytischen Gedanken passen aber gar nicht zum Zauber der alten Mühle und ihrer Musik. Und meine Analysefähigkeit ist eh bald an ihrem Ende angelangt, denn die Musik bildet so eine Einheit, dass ich kaum zu raten wage, welche Einflüsse da alles mit hinein spielen. Es ist eine ruhige Musik, ähnlich der vom Duo Sars, sie ist wohl durchkomponiert, wirkt aber wie spontan entstanden, hat unverkennbar irische Wurzeln, aber auch deutsche, vor allem norddeutsche, wirkt manchmal etwas barock, manchmal leicht jazzig. Und der Bezug zu Neuseeland erschließt sich mir gar nicht. Ich weiß nicht, ob Olaf in Neuseeland war oder in seiner Mühle von Neuseeland träumt so wie Janoschs Tiger und Bär von Panama. Aber das ist bei der Programmmusik des 19. Jahrhunderts ja auch nicht anders. Wer assoziiert mit Smetanas „Die Moldau“ oder Sibelius „Finlandia“ tatsächlich die gemeinten Landschaften, wenn es ihm nicht erklärt wird. Und solche Erklärungen fehlen, na, sie fehlen fast, denn die Titel der zwölf Stücke haben stimmungsvolle Untertitel wie „Sunshine on Sunday: Der Wind streichelt sanft mein Gesicht und die Sonne wärmt meine Haut“, „An Old Court Dance: Ein junger Mann aus Malta, der in London lebt, leiht mir seine Gitarre“ oder „Isabella: Eine wunderschöne Italienerin kreuzt meine Wege“. Von Neuseeland ist da aber so direkt nirgends die Rede, ach doch, die Cook’s Bay liegt glaube ich dort. Hätte das Album einen anderen Namen, wir würden es ihm aber auch glauben.

Ich schließe mit dem eindeutigen Fazit: Wer „Sommertiefe“ kennt und mag, der mag auch „Reise nach Neuseeland“. Wer beide noch nicht kennt und nur eine von beiden kaufen will, nehme doch lieber „Sommertiefe“ und stelle sich die Mühle vor an einem heißen Sommernachmittag so wie der heutige (4.7.2006), ein Gewitter zieht vorüber, Olaf sitzt am Fenster und musiziert, hinter ihm auf dem Tisch Tee und Kuchen, was er liebt, wenn man dem Untertitel des Stückes „Whistle Waltz“ glauben mag. Ah ja, ein Tee wäre schon recht. Ich mache mir gleich einen.

Hier die Trackliste:

Sunshine on Sunday
On the Beach
Joseph
Brandenburg
An Old Court Dance
Whistle Waltz
Dancing the Day
Drift away Café
City of Sails
Isabella
Cooks’s bay
Underpass

Wer die Untertitel lesen will, möge sich die CD besorgen. Doch, einen Untertitel gebe ich hier noch wieder: City of Sails: Mit einem rötlich schimmernden Streifen am Horizont beginnt der Tag...“, denn der passt zum Coverfoto.

http://www.olaf-sickmann.de/

meine Rezis von Olafs CDs im Folker!:
Olaf Sickmann. Sommertiefe.
In: Folker! 03.05., S. 86.
online: http://www.folker.de/200503/rezi-d.htm#01
Olaf Sickmann. Reise nach Neuseeland
In: Folker! 04.06., S. 93
(Kurzschluss, daher nicht online)

Korrekturmeldung im folkigen Rundbrief Nr. 2006-21:
Entgegen meiner romantischen Vorstellung in der CD-Rezension von Olaf Sickmanns „Reise nach Neuseeland“ befindet sich zwar das Tonstudio in der erwähnten Mühle, Olaf wohnt dort aber nicht und klimpert auch nicht den ganzen Tag vor sich hin. Und er war tatsächlich in Neuseeland, seine Musik handelt aber nicht von Landschaftsimpressionen, sondern von Begegnungen mit Menschen. Und die CD erschien nicht im Eigenverlag sondern bei Wonderland Records. Letzteres steht leider falsch im Folker!-Heft, aber im Netz (http://www.folker.de/) ist es korrigiert: OLAF SICKMANN: Reise nach Neuseeland (Wonderland Records WR 9034); 12 Tracks, 46:20; 4/2006