Monday, December 20, 2004

Ein paar unausgereifte Gedanken über bulgarische Einflüsse auf die irische Musik

Ein paar unausgereifte Gedanken über bulgarische Einflüsse auf die irische Musik
(rundgeschickt am Mo 20.12.2004 18:26)

Vielleicht ist das, was ich hier jetzt schreibe für Euch ja längst bekannt und alter Kaffee, aber mit kommt es wie ein Aha-Erlebnis. Für gegenteilige Stellungnahmen bin ich aber offen.

Es könnte sein, dass ich der Frage, was es denn sei, was die ganz moderne irische Musik von der ganz traditionellen und auch der aus den 1970ern unterscheidet, gefunden habe. Ich vermutete bisher, es seien vor allem Einflüsse aus den verschiedenen Musikrichtungen vor allem aus den USA, also vor allem Jazz, Funk, Rock, Raggae. Der Einfluss dieser und anderer Musikstile, auch von Country, Blues, Soul u.a. hat sicherlich einiges dazu beigetragen, dass sich schon die Musik des Folk-Revivals der 1970er von der davor unterschied. Aber, es wird mir nun deutlich hörbar, dass es noch was anderes ist, was übrigens schon in den 1970ern anfing, wobei es letztlich Richard Schuberths Lexikon „CrossRoots“ ist, das mich mit der Nase drauf stieß.

2002 hörte ich mal in Rudolstadt den Andy Irvine aus seinem Leben erzählen. Eine wichtige Passage in seinem Leben war eine Reise durch den Balkan, von der er Rhythmen und Melodien aus der bulgarischen und mazedonischen Volksmusik mit nach Irland zurück brachte. Das meinte ich auch schon mal aus dem einen oder anderen Stück von ihm heraus gehört zu haben. Nach Schuberth ist der Einfluss, der davon ausging, aber viel größer.

Ihm voran sei in Irland die Kreativität von Seán Ó Riada und in Bulgarien die von Philip Kutev gegangen, die der jeweiligen traditionellen Musik Neuerungen hinzugefügt habe, die heute als typisch irisch bzw. typisch bulgarisch gelten. Die so für Neues geöffnete und eigentlich nie hermetisch abgeschlossene irische Musik habe nun also die ungeraden, versetzten und sonst wie anderen Rhythmen in ihre Jigs und Reels integriert.

Das ist es! Die heutigen Avantgarde-Gruppen wie Flook oder Solas, Caipercaillie oder Lúnasa, also nicht nur in Irland, sondern auch in England, Schottland und USA, haben diese balkanischen Rhythmen noch viel intensiver eingebracht, als Irvine es tat, allerdings auch so, dass es sich nach wie vor irisch bzw. schottisch anhört. Die neuen Rhythmen erscheinen nicht als Fremdkörper, sondern sind assimiliert, wenn auch vielleicht nicht für die Ohren von Puristen. Ich habe mir letztens die Solas-CD „The Edge of Silence“ gekauft, und da sind ein paar Tunes drauf, die allerdings nach meinem ungeübten Gehör auch sehr gut als bulgarische oder mazedonische durchgehen könnten oder sagen wir mal: wenn mir jemand das unter der Rubrik „neue bulgarische Folkmusik“ vorgespielt hätte, ich hätte es ihm geglaubt.

Ich finde es auch für die deutsche Rezeption einerseits keltischer und andererseits balkanischer Musik sehr interessant. Gibt es denn Überschneidungen der Szenen? Und könnte man die beiden Einflüsse dermaßen rezipieren und assimilieren, dass da eine entsprechend groovende deutsche Folkmusik bei raus kommt, wie die Iren, Schotten, Bretonen u.a. es können? An guten Musikern mangelt es ja nicht, aber gibt die deutsche Musiktradition das her, da eine lückenlose Verbindung zu schaffen?

Jedenfalls habe jetzt Interesse daran, mehr irische, schottische und andere keltische und bulgarische, mazedonische und andere balkanische Musik zum Vergleich zu hören.

Vgl.
http://www.lyrikwelt.de/autoren/schuberth.htm
http://www.concerto.at/mitarbeiter/Folk&World.htm
http://www.yopi.de/Schuberth_Richard_CrossRoots_Musik_Lexika-zeige_details

MAS