Friday, April 20, 2007

Konzertrezension: Serras am 20.4.2007 im Bungertshof in Königswinter-Oberdollendorf

Serras am 20.4.2007 im Bungertshof in Königswinter-Oberdollendorf

Rockiger Jazz mit dänischen Folkwurzeln auf Tournee durch Tyskland

Wer schon mal in Dänemark war, weiß, wie weit dort die Landschaft ist und wie sich die Entfernungen dahin ziehen können, obwohl das Land so groß gar nicht ist. Ob die Musiker der Gruppe Serras daher die Ruhe weg haben, mal eben so durch ihr südliches Nachbarland zu tingeln, gestern in Halle, heute in Königswinter und morgen in Berlin? Wie auch immer, nun standen oder saßen sie im Bungertshof auf der Bühne, aus Publikumsperspektive von links nach rechts: Sune Rahek (Schlagzeug), Mads Riishede (E-Bass), (vor ihm) Hans Mydtskov (Tenor- & Sopranosaxophon), Harald Haugaard (Geige) und Sune Hånsbæk (Gitarre), und so mit dem Instrumentarium wirkten sie alles andere als typisch folkig, und auch die Musik sollte sich als nur unter anderem folkig entpuppen.

Harald Haugaard hatten wir, also Petra und ich, ja schon zusammen mit Morten Alfred Høirup in Januar im Feurschlösschen gehört, und auch Mattes und Christa Klose waren Fans von seinem Geigenspiel und eigentlich seinetwegen gekommen. Serras aber spielten zwar auch dänische Volksmusik, aber ganz anders als Haugaard & Høirup. Sie spielten in erster Linie jazzig, dann auch rockig und eigentlich nur an dritter Stelle folkig im Sinne von traditionell.

Der Name Serras indes leitet sich von einem traditionellen dänischen Tanz im ¾-Takt ab, den man schneller undauch langsamer, heftiger und melancholischer spielen kann. Und davon spielten sie einige Beispiele, aber auch Polonaisen, Polkas, Walzer, und nicht wenige der Melodien stammten aus dem 18. Jahrhundert, etwa von Rasmus Storm, Jens Christian Svabo oder Dieter Hys (da bin ich mir bei der Schreibweise unsicher). Nur merkte man, also nicht nur ich, das den Stücken nicht an, denn sie waren modern arrangiert, und so von den Eigenkompositionen gar nicht zu unterscheiden, die ebenfalls alte Tänze in neuem Gewand waren. Zwischendurch dann wurde der traditionelle Boden auch gänzlich verlassen, und jazzige Saxophonklänge und rockige E-Gitarrenriffs und E-Bass-Grooves könnten auch aus Ney York oder sonst einer Metropole stammen. Doch immer wieder gewann vor allem die typisch skandinavische Wuchtigkeit und Basslastigkeit die Oberhand. Dann wurde es bisweilen mittelalterrockig, ähnlich wie bei Adaro, nur dass die Drehleier oder Christoph Pelgens Gesang fehlte. Gesang gab es gar keinen, es war ein rein instrumentelles Konzert.

Und Harald, dessentwegen wir doch gekommen waren? Ja, der spielte phänomenal wie gekannt, aber gegen die anderen Instrumente kam die Geige nicht immer so an. Zum Ausgleich spielte er dann ein paar Passagen, die aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ stammen könnten. Und in dem ruhigeren Part eines seiner Heimatinsel Fünen (Fyn) gewidmeten Stückes spielte er so lieblich, dass mir Bilder von Feldern und Hecken vor dem Hintergrund der Ostsee kamen, bis in der Mitte des Stückes die anderen wie eine Sturmflut in das Idyll hinein breschten. Petra schrieb mir mal auf einen Zettel, denn verstehen konnte ich es akustisch nicht: Heavy Folk. So kann das also klingen, wenn sich Musiker mit recht unterschiedlichen musikalischen Hintergründen zusammen tun.

Veranstalterin Andrea Daun war auch mit dabei, und wie die am Mischpult hießen, weiß ich nicht mehr, aber ohne sie hätte es nicht so schön geklungen. Andrea Daun managt ja auch die Braven Buben und ich kann ihr nur meine Hochachtung zollen solche experimentierfreudigen und doch verwurzelten Musiker auf Tour zu schicken. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und komme gerne wieder!

Auch in den Bungertshof komme ich gerne wieder, und das nicht nur wegen der Weine von Blöser direkt aus dem Ort, sondern zum Einen, weil sie jetzt wohl generell ein Rauchverbot bei Konzerten haben, was nicht nur den Musikern gut tut, und zum Anderen, weil sie nun Biere einer kleinen Brauerei namens Höfe-Bräu anbieten, von der noch nicht mal die Kellner wussten, wo sie liegt, außer eben „irgendwo in der Pampa“. Es gibt ein Obergäriges (also ein Kölsch außerhalb der Konvention), ein Hefeweizen und ein Export. Letzteres ließ ich mir kommen und notierte mir dazu: Farbe: mittel- bis dunkelgold; Duft: zuerst etwas herb, dann süßlich-blumig-aromatisch-würzig; Geschmack: leicht rezent, süßlich-herb-aromatisch-würzig, vollmundig; Abgang: dto., dann leicht bitter. Mit anderen Worten: sehr lecker!


http://www.serras.dk/
http://www.kleine-feine-konzerte.de/
http://www.bungertshof.de/

Hier ein Artikel von Tom Daun:
http://www.folker.de/200702/17serras.htm

Noch ein paar Infos zu Hintergründen:
http://www.dankultur.de/Archive/Archiv_2006/musik.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Fünen
http://de.wikipedia.org/wiki/Jens_Christian_Svabo

MAS