Sunday, November 21, 2004

Konzertrezension: Flook am 21.11.2004 in der Brotfabrik in Bonn-Beuel

Flook am 21.11.2004 in der Brotfabrik in Bonn-Beuel


http://www.flook.co.uk/Images/flookinstr2.jpg



In der Ankündigung dieses Konzerts schrieb ich: Eine Warnung an alle Whistle- und Flötenspieler: Seid nicht frustriert, wenn Ihr Euer Spiel mit dem von Flook vergleicht. Die üben wahrscheinlich nur mehr;-) Flook ist einfach die genialste Band die ich in Bezug auf diese beiden Instrumente bisher kennen lernen durfte.

Ja, ich dachte nach dem Konzert auch, dass deren Spielkunst nicht nur die meine, sondern auch meine Kunst Musik zu beschreiben übersteigt. Aber Näx, also Alexander May (Tj:unichtgut) meinte, er freue sich auf eine Rezension von mir, so dass ich wohl nicht umhin kann, eine zu versuchen.

Ich war ja noch unter dem Eindruck des Musicals „Anatevka“ und der DITIB-Demonstration, als ich in der Brotfabrik am Sonntagabend dieser englisch-irischen Band lauschen durfte, die ich 2001 auf dem Irish Folk Festival schon gehört habe. Christian Rath schrieb dazu im Folker! Nr. 1/2002 auf S. 27: „Obwohl sie viele groovende Stücke im Programm haben, machen sie keine Mitklatsch-Musik. Beim Irish Folk Festival konnten sie sich deshalb keine Triumphe, sondern nur Achtungserfolge erspielen.“ Na, ich denke, das lag eher am Publikum als an Flook. Ich erachte die Wertung als Mitklatsch-Musik nicht unbedingt als ein Gütekriterium. Oder machen etwa die Berliner Symphoniker Mitklatschmusik? Eher trifft das doch auf De Randfichten zu, und Flook, obwohl eine Folkband, steht ersteren näher als letzteren. Eine Folkband? Brian Finnegan sagt, sie seien keine irische Band. Klar, sie sind drei Engländer und ein Ire. Aber sind sie ein Folkband?

Schauen wir mal auf die Musik:
Brian Finnegan spielt diverse Tinwhistles und andere Flöten, Sarah Alen ebenso, aber auch ein Akkordeon, Ed Boyd spielt Gitarre und John Joe Kelly Bodhran. Das ist schon eigentlich eine nicht unübliche Irish Folk – Instrumentierung. Und ganz klar wurzelt ihre Musik in der irischen Tradition als Stand- und diversen anderen ethnischen Traditionen als Spielbein. Wie viele Folkbands zeigen sie ihr Können auch, indem sie ein Set langsam anfangen und dann immer schneller werden. Dass sie dabei ihre Instrumente virtuos oder gar akrobatisch beherrschen, hebt sie auch nicht so sehr hervor, denn das tun viele Musiker der Irish Folk und Traditional – Musik, ein Grund, warum ich diese Musik so sehr liebe. Nein, es ist der eigenwillige Stil ihrer Akrobatik, der das tut. Gut, Sarah geht mit ihrem Akkordeon zumeinst sehr behutsam um, benutzt es mehr als Begleit-, denn als Melodieinstrument, vor allem bei den schnellen Stücken, aber wenn sie ihre Querflöte bläst, befindet sie sich auf einer anderen Ebene, die auch sie selbst nur einbeinig erträgt. Mal spielt sie rasant, mal benutzt sie das Blas- als Percussionsinstrument, indem sie kurze, kräftige Atemstöße über das Mundstück jagt, ähnlich wie Ian Anderson (Jethro Tull). Ed wechselt zwischen Filigranem Fingerpicking und rasanten (ja, ich weiß, das Wort hatte ich schon) Akkorden. John Joe schlägt die Bodhran zwar nicht so schnell, dass man sein Handgelenk nicht mehr sieht, aber er nutzt wohl nicht nur die ganze Fläche des Trommelfells, sondern auch noch den Rahmen aus, um mal in kräftigen Paukenschlägen mal in harten Trillern in verschiedenen Tonhöhen geradezu Melodien zu spielen. Und Brian, der muss wohl „Stein und Flöte“, den faszinierenden Märchenroman von Hans Bemmann gelesen, ach was, eingeatmet haben. In einer für mich nicht nachvollziehbaren Geschwindigkeit wechselt er zwischen dem für irische Whistlespieler typischen Tanz der Finger auf den Löchern bei konstantem Ausatmen, akupunkturhaftem Zungenspiel und mal ganz sachtem, mal stürmischem Ausatmen mit plötzlichen Atemstößen, die auch wieder die Percussion ersetzen könnten, und dabei steht auch er bisweilen lieber auf einem Bein als auf zweien. Als Michael McGoldrick noch als dritter Flöter statt John Joes dabei war, mussten sie ja auch ohne Trommel auskommen. Jou, da endet meine Beschreibungskunst.

Ist das nun eine Folkband? Oder ist es Jazz oder sonstige experimentelle Musik, die sie da spielen? Das Mitklatschen war tatsächlich nicht durchweg möglich, denn zu oft wechselten sie das Tempo oder den Rhythmus, ein zuviel an Lärm seitens des Publikums hätte aber auch das Lauschen auf die vielen Feinheiten gestört. Nein, es juckt einem zwar in den Tanzbeinen, aber andererseits will man nur da sitzen und zuhören, einfach nur zuhören.

Zwischendurch rief Brian per Handy einen Freund in Irland an, und wir alle sangen „Happy Birthday“ zu dessen 60. Erdenjubiläum. Das erinnerte mich an die Mahones, die mal während der Aufnahme im Studio einen Freund in Irland anriefen und ihn baten ein Lied zu singen, welches nun auf der CD „Get stuffed“ zu hören ist.
Matthias Klose (Till Nine), Ralf Wolfgarten (Lokal Heroes) und ich berieten, ob wir es nach diesem Konzert noch wagen dürften, die Tinwhistle auszupacken. Näx meinte, nach dreimillionenmalem Durchhören der Flook-CDs käme man ihnen vielleicht auf die Schliche. Aber ja, es wird gewagt, ob auf den Inseln oder auf dem Festland, überall lassen sich Session- und Bandmusiker von Flook nicht nur verzaubern, sondern auch inspirieren. Sie setzen neue Maßstäbe, und auch wenn man die Meister nicht erreicht, so haben sie doch Einfluss auf die Folkmusik und so sind sie auch eine Folkband, oder wie man manchmal liest, eine innovative Folkband.

Wir klatschten zwar nicht so viel während sie spielten, aber um so heftiger, um noch eine Zugabe mehr zu bekommen. Und da zeigte Ed, dass er auch singen kann, in etwa mit einer so sanften Stimme wie unser Bonner Shay McVeigh, vielleicht nicht ganz so schön, aber niemand kann alles.

Flook – und nichts ist mehr so, wie es mal war. Nee, der Satz ist abgedroschen, das passt nicht zu ihrer Musik. Ich bin jetzt einfach still und lausche – das passt! ...


http://www.flook.co.uk/
http://www.folker.de/200201/flook.htm
http://www.folker.de/200401/rezi-eu.htm#03

MAS