Urban Trad am 14.7.2007 auf dem Marktplatz in Bonn
Das dritte keltische Konzert des diesjährigen Bonner Sommers, der seinen Keltenschwerpunkt wegen des derzeit in Bonn stattfindenden Keltologenkongresses erhielt, bestritt eine Band, die keine keltische Folkband im strengen Sinne ist, also weder aus einem heute keltischen Land stammt, noch sich ausschließlich oder auch nur schwerpunktmäßig der keltischen Musik verschrieben hat, aber die dennoch einen unverkennbaren Einfluss der keltischen Musik unterliegt. Es handelte sich um Urban Trad aus Belgien, und ja, die Belger waren Kelten, aber das ist lange her.
Der eigentliche Grund, Urban Trad zu buchen ist wohl in deren 2. Platz beim European Song Contest 2003 zu suchen. Das hatte mich damals sehr gefreut, dass eine Folkband bei diesem Schlagerwettbewerb so gut abschnitt. Umso enttäuschender war, dass Dervish, die dieses Jahr für Irland antraten, keinen einzigen Punkt erlangten. Ich hörte dazu verschiedene Meinungen, habe ihren Beitrag aber selber nicht gehört, und will dazu auch nicht mehr schreiben.
Der Marktplatz war kurz vor 20 Uhr bei weitem noch nicht so voll wie zur gleichen Uhrzeit vor dem Capercaillie-Konzert. Ist Capercaillie doch noch bekannter, auch beim „normalen“ Publikum, also nicht nur bei den Folkies? Aber auch bei Urban Trad füllte er sich schnell, nachdem sie erst mal angefangen hatten. Auch Bonner und Kölner Folkies waren dabei, wenn auch weniger als bei Capercaillie. Bijan war da, Till auch, und auch Ralf & Ellen.
Und wer war auf der Bühne: Aus Zuschauerperspektive stand zunächst links Dirk Naessens aus Leuven (Violine), Philip Masure aus Schoten (Gitarre), Yves Barbieux aus Gossellies (Blockflöte, Tin & Low Whistle, Sackpfeife, Bandleader), Sophie Cavez aus Woluwé (Diatonisches Akkordeon), dahinter von rechts nach links Cédric Waterschoot aus Elsene (E-Bass) und Michel Morvan aus Brüssel (Schlagzeug). Nach einem Instrumental traten noch Véronica Codesal aus Uccle und Soetkin Collier aus Beveren-Waas, die beiden Sängerinnen der Band hinzu. Außerdem gab es noch einen Musiker am Computer, der den eine oder anderen Rhythmus elektronisch beisteuerte. Das ging ordentlich ab, heftig, kräftig, groovig, folkig, poppig, etwas jazzig, und sich aus allerlei europäischen Musiktraditionen speisend, natürlich der irischen und schottischen, und auch der flämischen, wallonischen und französischen, der bretonischen, der galizischen, dann auch der bulgarischen, mazedonischen, ukrainischen, dass alles mal ordentlich von einander getrennt, mal in ungebremster Fusionsfreude. Die beiden Damen sangen auf Französisch, Englisch und in der Phantasiesprache, mit der sie besagten zweiten Platz des ESC gewonnen hatten, wobei das Lied „Sanomi“, das ihnen den Preis bescherte, in der Zugabe dran kam.
Sie verbreiteten eine ausgezeichnete und mitreißende Partylaune. Yves, Sophie und Dirk waren sehr gut auf ihren Instrumenten, sofern man das hören konnte, Philip und Cédric sicher auch, und die beiden Sängerinnen waren auch nicht ohne, aber leider leider übertönte nicht selten das Schlagzeug alles mit seinem dumpfen Rhythmus. Das war nicht schlecht, aber einfach viel zu laut im Vergleich zu den anderen Instrumenten. Und zu dumpf, zu schlagermäßig. Dass auch elektronischer Rhythmus zum Tragen kam, sei verziehen, wenngleich ich das bei Folk nicht sehr mag. Aber selbst Garmana erlebte ich mal darauf zurück greifend. Die Perfomance war profimäßig, vielleicht daher aber auch ein wenig zu showmäßig. Das sind so die kleinen Haare in der Suppe, die aber doch ganz gut schmeckte. Die Musik von Urban Trad ist meines Erachtens absolut massentauglich und kann Folkies, Schlagerfreunde, Volkstümliche und generell das partysüchtige Volk erreichen (Ferdi war außer Rand und Band), ähnlich wie DJ Ötzi oder die Zillertaler Schürzenjäger, aber doch zehnmal besser. Ich kann mir vorstellen, dass sie auf ihre Weise Leuten den Geschmack am Folk nahe bringen, denen der Einstieg zum Beispiel über Capercaillie zu schwierig wäre und die sonst schwerlich mit Folk in Berührung kämen. Ja, lasst Urban Trad das Musikantenstadl oder die Arena in Palma de Mallorca stürmen und erobern! Den Erfolg wünsche ich ihnen! Und nach Bonn können sie auch gerne wieder kommen, ich höre sie mir gerne wieder an.
Was Ferdi und mich auch besonders freute war, dass Cédric einen Rock trug, wenn auch unsommerlich einen langen schwarz-grünen. Damit zeigte er, dass er emanzipiert ist, und hoffentlich gucken sich das wieder mal ein paar Männer mehr ab. Es wird doch wirklich langsam Zeit, dass wir Männer uns vom Hosenzwang befreien, und zwar nicht nur Ferdi und ich und eine recht überschaubare Anzahl von Männerockbewegten, sondern generell!
Urban Trad:
http://www.urbantrad.com/
http://de.wikipedia.org/wiki/Urban_Trad
http://www.folker.de/200603/20urbantrad.htm
Bonner Sommer:
http://www.bonn.de/tourismus_kultur_sport_freizeit/bonn_ist_kultur/bonner_sommer/?lang=de
Keltologen-Kongress:
http://www.celtic-congress-2007.com/
http://www.kultur-in-bonn.de/nc/nachrichten/archiv/anzeige/article/1184495934.html
MAS