Friday, November 17, 2006

Artikel: Lasst es brummen! - Hummelkurse feiern Jubiläum - 50. Werkstatt vom 17. bis 19. November in Naurod

Artikel: Lasst es brummen! - Hummelkurse feiern Jubiläum - 50. Werkstatt vom 17. bis 19. November in Naurod

Folgenden Artikel schrieb ich für die Rubrik „Heimspiel“ im Folker!, aber der Endredaktion war der Text zu sachlich, trocken und zu sehr voller Details, so dass er abgelehnt wurde. Ein Ausschnitt davon ist im Folker! 06.06 auf S. 8 in der Rubrik „Szene“ zu lesen, und den Gesamttext könnt ihr mit freundlicher Genehmigung der Folker!-Redaktion nun hier lesen.

Und um Missverständnissen vorzubeugen: Es handelt sich bei diesem Text um keine Rezension, also um keine Bewertung, sondern um einen historischen Abriss und ein Überblick über das Angebot der Hummelkurse.


Lasst es brummen!
Hummelkurse feiern Jubiläum
50. Werkstatt vom 17. bis 19. November in Naurod

Nein, die Hummelkurse sind keine Fortbildung für Insektenfreunde oder Hobbyimker, aber ein wenig hat es schon damit zu tun, genauer, mit dem hummelähnlichen Brummen, das Borduninstrumente wie Drehleiern und Sackpfeifen, zum Beispiel – nomen est omen – die Hümmelchen, von sich geben, wenn mehrere von ihnen gleichzeitig gespielt werden. „Drehleiern und Sackpfeifen“, das klingt für den heutigen Durchschnittszeitgenossen nach Mittelaltermusik, für einige, die der Szene näher stehen, nach französischer Balfolkmusik, und es geht ja auch um beides, aber nicht nur.

Von Michael A. Schmiedel

Wie die gesamte Folkmusik, so erlebte auch die Bordunmusik in den 1970er Jahren ein Revival. Zwar waren handgekurbelte und mundgeblasene Borduninstrumente in Frankreich, anders als in Deutschland, nie ganz aus der Volksmusik verschwunden, aber sie hatten sich in trachtengruppenähnliche Formationen Zentralfrankreiches, vor allem Berrys, und der Bretagne zurück gezogen. Das neue Interesse an der alten Tanzmusik wuchs in beiden Ländern in gegenseitiger Befruchtung, wobei auf deutscher Seite vor allem Kurt Reichmann zu erwähnen ist. Zwar von den Franzosen inspiriert, war er in einer Sache dennoch schneller, denn 1974 startete er in Lißberg mit den bis heute erfolgreich laufenden Festivals, noch bevor 1975 das erste Festival in Saint Chartier stattfand. 1978 erhielt er für seine Wiederentdeckung der Drehleier das Bundesverdienstkreuz. Um 1980 hatte die Drehleier in Deutschland sich wieder weit genug verbreitet, um eine Nachfrage nach Spielkursen zu generieren, die groß genug war, regelmäßig solche anzubieten. Die Idee war von Anfang an, das Niveau der Drehleierspieler zu erhöhen, und zwar in Bezug auf Tanzmusik mit verschiedenen Rhythmen und Schnarrtechniken und nicht nur auf Begleitung von Liedern, wie Tom Kannmacher und Jürgen Schöntges es schon taten. Lehrer waren auf deutscher Seite auch schon vorhanden, aber zu Beginn musste man doch immer wieder auf französische und andere ausländische Musiker zurück greifen.

Vier Standorte in 26 Jahren, das Drehleierschisma und der Bordun e.V.

Nach einem Wochenendseminar in Reichelsheim begannen die Hummelkurse in Königstein im Taunus, zogen aus Platzmangel im dortigen Haus aber bald in den Hufeisenhof in Linsengericht um, wo sie über 15 Jahre lang stattfanden. Nach dem Verkauf und Umbau des Gebäudes in ein Hotel, zog man für kurze Zeit nach Bad Orb um. Und seit 2002 ist Naurod bei Wiesbaden die neue Heimstätte der Drehleierwerkstätten.

2000 kam es zum so genannten Drehleierschisma. Damals einigte sich das Organisatorenteam darauf, den Kursteilnehmern, die keine eigenen Drehleiern besaßen, und denen bislang immer Leihinstrumente aus der Werkstatt Kurt Reichmanns zur Verfügung gestellt wurden, wahlweise auch Drehleiern anderer Hersteller anzubieten, die es zu Anfang in Deutschland ja gar nicht gegeben hatte. Das passte Kurt Reichmann nun gar nicht und er ließ daraufhin einige Musiker nicht mehr bei seinem Festival in Lißberg auftreten. Im Zuge der Suche nach Alternativen entstand vor sechs Jahren als neuer Verein der Bordun e.V., dem sich bald wegen ohnehin vorhandener Personalüberschneidung die Hummelkurse anschlossen, die nun als ein regelmäßiges Angebot des Bordun e.V.s fungieren, neben den Kursen auf Schloss Fürsteneck, der Sommer- und der Winterbordunale und den Kursen in Blankenheim. Das Verhältnis zu Kurt Reichmann hat sich inzwischen entspannt und man arbeitet ab und zu auch wieder zusammen.

Intensive individuelle Ausbildung der Kursteilnehmer und ein vielfältiges Angebot

Das Besondere an den Hummelkursen ist, dass anders als etwa in Frankreich oder auf Burg Fürsteneck, nicht alle 15 bis 20 Teilnehmer, vom Anfänger bis zum Fortgeschrittenen, gleichzeitig in einem Raum unterrichtet werden, sondern es je nach Niveau unterschiedliche Klassen mit jeweils oft weniger als fünf Teilnehmern gibt. Das ermöglicht eine individuelle und intensive Betreuung jedes Einzelnen und hat zur Folge, dass viele Teilnehmer über mehrere Jahre hinweg kommen und sich über die verschiedenen Schlagtechniken Stufe für Stufe empor arbeiten. Bei einem kommerziellen Betrieb würde man von Kundenbindung reden, aber die Lehrer werden mehr durch ihren Idealismus als durch die Verdienstmöglichkeiten angetrieben. Ein Großteil der 200 € Kursgebühr wird für die Unterkunft und Verpflegung verwandt. Einer der Lehrer und zugleich Hauptinformant für diesen Artikel ist Tilman Teuscher. Trotz Chemieingenieurstudiums hauptberuflich im öffentlichen Dienst tätig, ist er hobbymäßig Drehleier-, Sackpfeifen- und Tanzlehrer und tritt als Musiker unter anderem mit den Haynern auf.

Seit 1990 werben auch andere Drehleierkurse in Deutschland um Kundschaft. Um das 130-Betten-Haus in Naurod vollständig zu belegen und nicht mit anderen Seminaren, wie einmal mit einem Meditationskurs geschehen, in die Quere zu kommen, werden neben dem reinen Drehleierschwerpunkt (Ange Hauck, Fredi Pitzschel, Gabi Schneider-Jung, Rüdiger Wesp, Marianne Glier und andere) auch noch andere Kurse angeboten: Darunter Tanzmusik für Drehleier (Ulrich Hammann), ein Renaissance-Ensemble-Kurs (Paul Beckhiuzen), Kurse mit diatonischem Akkordeon (Hans Lang, Andreas Bothe, Torsten Dreher, Walter Simons, Oliver Stoffregen, Jens-Uwe Piesold und andere), Hümmelchen (Thomas Blau), französischen Sackpfeifen (seit 2005; Tilman Teuscher), großem Dudelsack und Schäferpfeifen (erstmals in diesem Jahr). Für 2007 ist zudem ein Nyckelharpakurs geplant. Neben dem eigentlichen Hummelkurs halten seit vergangenem Jahr auch die Northumbrian Smallpipers (Ulrich Meißner) eines ihrer beiden jährlichen Treffen und neuerdings auch die Deutschen Konzertinaspieler (Klaus Wenger; nicht die German Concertinaspieler) ihr Jahrestreffen zeitgleich im selben Hause ab.

Das Kernangebot des Hummelkurses besteht aber nach wie vor aus dem Drehleierunterricht, der über sieben Niveaus an Schnarrtechniken und zusätzlich noch in Spezialthemen wie Jazz (Roland Bach), Drehleier goes Pop (Michael von der Weth), Mittelalter- (Knud Seckel) und Barockmusik (Fredi Pitzschel) angeboten wird, je nach Repertoire der Lehrer. So kommen zweimal im Jahr 30 bis 40 Drehleiern in sieben bis neun und 25 bis 30 Akkordeons in vier bis fünf parallel laufenden Kursen zusammen. Viele Teilnehmer bringen auch ihre Ehepartner und Kinder mit, die nicht unbedingt einen Kurs belegen müssen, obgleich auch speziell für die Kinder etwas angeboten wird (Hélène Moelo). Gabi-Schneider Jung und Rüdiger Wesp, seit den Anfangstagen der Hummelkurse dabei, sind für die Organisation bzw. den Internetauftritt verantwortlich.

Und abends Balfolk

Der typische Ablauf eines Hummelkurses beginnt nach der Ankunft am Freitag mit dem gegenseitigen Kennenlernen in den einzelnen Klassen und dem Beginn des Unterrichtes. Freitagsabends gibt es freie Sessions und Tänze. Der Samstag ist am Vormittag, Nachmittag und frühen Abend dem Unterricht gewidmet, und am Abend gibt es einen Balfolk, zu dem häufig auch ehemalige Kursteilnehmer dazu kommen. Der Sonntag beginnt wieder mit Unterricht und endet mit Gruppenvorspielen, wonach die Teilnehmer abreisen und die Lehrer und Organisatoren sich zur Nach- und neuen Vorbereitung zusammen setzen.

Mehr Infos unter:
http://www.hummelkurse.de/
http://www.bordun.de/
http://www.das-drehleier.net/

www.bordun.de/projekte/hummel/index.aspx
www.diatonie.de/kurse.html
www.sackpfeifenclub.org/php/show.php?menuid=4&docid=1042