Günter Gall & Konstantin Vassiliev am 15.6.2007 beim Folk im Feuerschlösschen in Bad Honnef
Zeitreise nach Stockholm im Jahre 1768
Das war mal ganz was anderes. Als der in Dortmund wohnende Russe Konstantin Vassiliev anfing, auf der Gitarre zu zupfen, begann ich, entspannt dieser schönen und feinen Musik zu lauschen, und dachte, das werde ein stiller Abend des gehobenen Musikgenusses, wohl aber ein wenig ohne Mitreißendes dabei. Als dann aber der in Osnabrück lebende Niederrheiner Günter Gall aus der Tür des Nebensraumes ins Foyer trat, gekleidet in Rokokospitzen und einen Schellenbaum kräftig auf den Boden stampfte, so dass das so rein gar nicht zur Stimmung der Gitarre passte, war wohl nicht nur ich überrascht und gespannt, was da wohl kommen werde. „Stockholm im Jahre 1768“ rief er in den Saal und begann zu erzählen von Carl Michael Bellmann, der in einer Dichtung einer illustre Runde von Lebemännern und –frauen rund um einen gewissen Fredmann ein Denkmal gesetzt habe. Diese Runde war wohl mehr oder weniger frei erfunden, aber zu den Vorbildern gehörte wohl auch Bellmann selber, der mit seinen Freunden ein geradezu epikureeisches Lebens führte.
Günter sang nun also Lieder aus den Sammlungen „Fredmans Lieder“ und „Fredmanns Episteln“, zum Glück ins Deutsche übersetzt, wofür eine reihe deutscher Dichter verantwortlich zeichneten, die sich des schwedischen Nationaldichters – ja als solcher gilt Bellmann – angenomen hatten. Es ging zu einem nicht geringen Teil ums Saufen. Trink- und Kneipenlieder, mal deftig in Vorfreude auf einen feuchtfröhlichen Abend oder schon in angeheiterter Stimmung oder auch melancholisch, wenn die Geldbörse leer oder aber der Kopf schon zu voll des Weines war oder wenn nach durchzechter Nacht aus Brummschädelperspektive die Welt gar zu traurig und ihre Vergänglichkeit allzu offensichtlich war. Natürlich blieb auch die Liebe oder zumindest das geschlechtliche Verlangen nicht aus, und da wurde vor allem einer gewissen Dama namens Ulla gedacht, die sich der sauflustigen Herren wohl all zu gerne angenommen hatte. Die engen Gassen der schwedischen Hauptstadt, das geschäftige Treiben im Hafen, die Dürftigkeit billiger Wohnungen, die ländliche Idylle außerhalb der Stadt, das alles wurde besungen. Dabei erinnerten die Melodien nicht selten an Mozart, während mir schwedisch eigentlich nichts vorkam, außer wenn Günter mal eine Stophe auf Schwedisch sang. Und geradezu als Kontrast zum epikureischen Günter Gall zupfte Konstantin Vassiliev in stoischer Gelassenheit seine Gitarre und bediente zwischendurch mal ein Harmonium. Er sagte mir auch, dass tatsächlich auch ein Stück von Mozart dabei gewesen sei. Er war ja ein Zeitgenosse Belmanns.
War das nun Folk? Na, wer wird das schon so eng sehen? Es war ein interessanter Ausflug 200 Jahre zurück, akustischer Geschichtsunterricht sozusagen, und ein Unterricht in einem mir bislang unbekannten Teil schwedischer Kultur. Eine schwedische Dame im Publikum war mit Bellman viel vertrauter. Mike Kamp wunderte sich, dass nicht noch mehr Schweden gekommen waren. Nun ja, vielleicht hatten sie zu viel Bellmann in der Schule. Wer weiß?
Folk im Feuerschlösschen ging nach diesem letzten Konzert des ersten Halbjahres 2007 in die Sommerpause und erwartet neue Musiker und alte wie neue Zuhörer im September wieder.
Hompage von und Infos zur Günter Gall:
http://www.guenter-gall.de/
http://www.folker.de/200506/08guentergall.htm
Infos zu Konstantin Vassiliev:
http://www.orphee.com/solos/vassiliev.html
Infos zu Carl Michael Bellmann:
http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Michael_Bellman
http://www.waggonhalle.de/veranstaltungen/2000/0011bagge.htm
Homepage des Folk im Feuerschlösschen e.V.:
http://www.folkimfeuerschloesschen.de.vu/
MAS