Saturday, June 30, 2007

Konzertrezension: Capercaillie am 30.6.2007 auf dem Marktplatz in Bonn

Capercaillie am 30.6.2007 auf dem Marktplatz in Bonn

Innovativer schottischer Folk beim Bonner Sommer

Der Bonner Sommer, die Freiluftkonzertreihe, die uns die Bundesstadt Bonn jeden Sommer umsonst und draußen präsentiert, steht in diesem Jahr unter keltischen Vorzeichen. Am letzten Freitag schon spielte die bretonische Folk Rock-Band Red Cardell, die ich aber nicht hören konnte, weil ich zeitgleich bei den Tannahill Weavers im Bungertshof war. Meine Kommilitonin Yolande indes war ganz begeistert von der Mischung aus traditionellen bretonischen und modernen rockigen Elementen von deren Musik und lamentiert nur etwas, dass das Bonner Publikum so gar nicht dazu zu bewegen gewesen sei, auf bretonische Weise zu tanzen, abgesehen von ganz am Schluss des Konzertes. Nun ja, aber das ist doch normal.

Nun zu Capercaillie musste ich aber hin. Doch bevor ich von diesem Konzert berichte, mache ich einen kleinen subjektiven Rückblick in das Jahr 1992. Da hörte ich nämlich Capercailllie zum ersten Mal, und zwar auf dem Irish Folk Festival in der Schwabenlandhalle in Fellbach. Und schon damals gefielen sie mir ausgezeichnet. Noch ein halbes Jahr vorher, im März 1992 hörte ich im Rahmen des St. Patrick’s Day Celebration Festival in der Mensa der Tübinger Uni die in Liverpool ansässige Irish Folk Rock-Band Toss the Feathers. Auch die gefiel mir sehr gut, obgleich ihre Musik ganz anders war, rockiger, härter. Unter den Musikern viel mir aber einer auf, der sein Instrument, die Querflöte, besonders virtuos beherrschte. Ich wusste nicht, wer das war, überhaupt merke ich mir Namen von Bandmitgliedern nicht so leicht, sondern muss die häufig wieder nachlesen, doch bei diesem ist es was anderes, sein Name ist für mich (und nicht nur für mich) ein Markenzeichen innovativer keltischer Flötenmusik geworden: Michael McGoldrick, in Manchaster geborener Ire, Mitbegründer von Flook und seit Ende der 1990er Mitglied bei Capercaillie.

Nun zum Konzert: Der Marktplatz war voller Leute. Einige hatten sich rechtzeitig, also so gegen19 Uhr, an Tischen der Restaurant nieder gelassen, so auch einige unserer Bonner Folkies, wie Näx und Nicole, Margret, Michael Heuser, Mattes, Ralf Wolfgarten, Sabrina, aber die meisten standen, so auch Till Storz, Manuel, Karsten, Ralf Wackers, Winni. Margret war sogar extra aus Ostfriesland, wo sie zu einer Familienfeier war, rechtzeitig zurück gekopmmen, um Capercaillie hören zu können. Ralf stand hinterm Mischpult in Platzmitte und schickte mir ein paar Bemerkungen, die Ihr unten lesen könnt.
Auf der Bühne tat sich ab 20 Uhr auch was. Von links nach rechts aus Zuschauerperspektive standen und saßen dort Ewen Vernal (Bass), dahinter Che Beresford (Drums), dann wieder vorne Karen Matheson (Gesang), Charlie McKerron (Fiddle), Michael McGoldrick (Querflöte, Low Whistle, Uilleann Pipes), Donald Shaw (Keyboard, Akkordeon), Manus Lunny (Bouzouki, Gitarre) und recht hinten in der Ecke, David Chimp Robertson (Percussion; Bodhrán), der aus Petras und meiner Perspektive, die wir neben dem China-Restaurant an der Hauswand standen, leider durch einen Bühnendachtragepfeiler verdeckt. Sie spielten den für sie typischen, modernen, etwas poppigen, leicht jazzigen, ganz leicht rockigen und doch immer folkigen Folk, hauptsächlich schottisch, aber auch mal irisch, und natürlich mit allerlei Einflussen aus genannten anderen Musikrichtungen und auch vom Balkan. Das war ein sehr voller Sound, ein großenteils wiegender und keineswegs hektischer Rhythmus, der vom Schlagzeug merklich, aber unaufdringlich angetrieben wurde. Viele Folkies mögen ja keine Schlagzeuge, so meinte auch Margret, das hätte man ruhig weg lassen können, während meine Kommilitonin Yolande meinte, der Schlagzeuger hätte ruhig noch ein bisschen mehr Einsatz zeigen können. Wie war das mit den Geschmäckern? Meines Erachtens passte es sehr gut zu der Musik von Capercaillie, und unterstützte sehr angenehm den manchmal funkigen Stil von Bass und Gitarre. Karen sang mit markanter, doch schön femininer Stimme. Fiddle, Flute und Akkordeon zeigten, das man Jigs und Reels nicht im Affenzahn herunter spielen muss und diese trotzdem schnell und mitreißend klingen können. Fiddle und Akkordeon brachten auch mal ein wenig Cajun-Stimmung hinein, und Fiddle im Zusamenspiel mit den Uilleann Pipes klangen zwischendurch mal bluegrassig, obgleich die Pipes ja kein Bluegrassinstument ist (oder sind? „Pipes“ ist ja Plural). Ja, da sind wir ja schon beim Michael McGoldrick. Sein Pipesspiel erinnerte mich in seiner jazzig-poppigen Art an Davy Spillane, sein Flute- und Whistlespiel an ... Michael McGoldrick. Ja, gut, das Flutespiel auch mal Ian Andersson, aber wer ist hier der Meister? Michael hat einfach einen ganz eigenen Stil, den zu beschreiben meine Kenntnis übersteigt: mal traditionell irisch, mal funkig, mal jazzig, mal balkanisch und das alles in einer Mischung, die ein Ganzes bildet. Nicht umsonst ist er Vorbild für viele Flöter und Whistler. Ich fragte Margret, die doch sonst die zu modernen und balkanischen Einfluss in der irischen und schottischen Musik nicht so schätzt, warum ihr dieses Konzert so wichtig gewesen sei. Antwort: Michael McGoldrick. Nach meiner Einschätzung hat sich die Band seit 1992 extrem weiter entwickelt, aber so genau sind meine Erinerungen an damals auch wieder nicht. Zweieinhalb Stunden und zwei Zugaben vergingen viiieeel zu schnell!!!

Wie oben erwähnt stand Ralf Wackers hinterm Mischpult und schickte mir ein paar Bemerkungen zu, die ich hier als Gastbeitrag hinzufügen darf:
Capercaillie waren schon klasse, auch wenn sicher viele das Schlagzeug verflucht haben, waren Schlagzeuger und Bassist exakt aufeinander abgestimmt und haben einen tollen Teppich für den Rest der Band gelegt.
Ich stand hinter dem Mixer. Berufsbedingt guckt man natürlich was die Kollegen so machen. Er fummelte mir zu viel in die Stücke rein, so dass sie sich nach dem Start noch teilweise hart veränderten. Instrumente drehte er zu spät auf, oder vergas sie einfach. Und mir war die Bassdrum zu laut, so dass die Folkinstrumente etwas untergingen. Ausserdem zerrte sie im Kick. Die Snare kam größtenteils nur von der Monitoranlage. Irgendwann hat er es dann doch gemerkt und den Mute `rausgedrückt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, er verliert teilweise die Übersicht. Dem Mixer der Verleihfirma ging es wohl sichtlich ähnlich wie mir, aber er sagte nichts. Der Kunde ist eben König!
Und zur Erklärung lieferte Ralf noch nach:
Die "Mute"-taste schaltet einen Kanalzug aus und damit das Mikrofon für das Publikum stumm, lässt aber den Monitorweg bestehen. Das passiert jedem mal (auch mir), dass man den vergisst wieder einzuschalten. Dafür haben die meistem Mischpulte eine große rote Lampe
an der Taste. Die Snare rasselt gerne, wenn sie nicht gebraucht wird, weswegen er sie wohl weggedrückt hat.

Soweit Ralf, mit einer Expertise, die ich nicht hätte liefern können.

Capercaillie:
http://www.capercaillie.co.uk
http://de.wikipedia.org/wiki/Capercaillie
Bonner Sommer:
http://www.bonn.de/tourismus_kultur_sport_freizeit/bonn_ist_kultur/bonner_sommer/?lang=de
MusicContact, Rainer Zellner
http://www.musiccontact.de


Und hier zur Erinnerung die nächsten keltischen Bonner Sommer-Termine:

Urban Trad am 14. Juli, 20 Uhr Marktplatz
Trans-European sound adventure
http://www.urbantrad.com/
http://de.wikipedia.org/wiki/Urban_Trad
http://www.folker.de/200603/20urbantrad.htm

Beoga am 4. August, 20 Uhr Marktplatz
New Folk Wizards
http://www.beogamusic.com
Und vgl. auch meine Rezi:
The Irish Folk Festival – Tunes for Tara Tour am 15.11.2005 in der Philharmonie in Köln
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/11/konzertrezension-irish-folk-festival.html bzw. http://tinyurl.com/bvnoeKeltische Nacht – Oidhche na Gàidhlig des Deutschen Zentrums für gälische Sprache und Kultur am 11. August, 20 Uhr Marktplatz
http://www.schottisch-gaelisch.de
Vgl. auch Punkt I.8. unten, denn das dürfte mehr oder weniger identisch sein

Tri Yann am 8. September, 20 Uhr, Marktplatz
http://de.wikipedia.org/wiki/Tri_Yann
http://www.folker.de/9806/triyann.htm

MAS