Thursday, September 06, 2007

CD-Rezension: Woltähr. Mir schwaeze Platt

Woltähr. Mir schwaeze Platt

Op der Lay 2007, http://www.voltaire-woltaehr.de
20 Tracks, 63:30 mit Fotos, Texten je teils auf Hochdeutsch, Musselfränggisch, Lëtzebuergesch, Français, Breton (keine Ahnung, was „Bretonisch“ auf Bretonisch heißt) und Infos auf Hochdeutsch

Moselfränkische Mundartmusik mit keltischem Blues in der Seele

Wow, was für ein Intro! Keyboard und Bass legen einen rhythmischen Klangteppicch vor, eine Leier kommt von unten herauf mit der Melodie von „Son ar Christr“ (= „Was woll’n wir trinken“), und wie ein aus dem Schlaf erwachender Moselwassermann singt Walter Liederschmitt den bretonischen Text dazu, urig, etwas schräg, ein Schauer fließt mir den Rücken herunter. Walter, alias Woltähr, und seine Bande bieten mit dieser Scheibe wieder eine urige, phantasievolle, rockige, bluesige und folkige Melange und spinnt dabei Zusammenhänge, auf die nicht jeder sofort käme. Wieso zum Beispiel beginnt eine Moselfränkische Mundart-CD – und um eine solche handelt es sich hier – mit einem bretonischen Lied? Und wieso wird auf der CD auch Französisch gesungen? Und wo bitte liegt Austrasien? Und wieso singt der Kerl so schräg?

Zunächst ist zu vermerken, dass Woltähr in Trier zu Hause sind. Trier indes liegt einerseits an der Mittelmosel, nicht weit vom deutsch-luxemburgisch-französischem Dreiländereck und somit an der Euregio Saar-Lor-Lux, wenn als rheinland-pfälzische Bezirksregierungsstadt auch nicht direkt in dieser Region. Trier war zudem einmal Zentrum des Siedlungsgebietes der keltischen Treverer, dann wichtigste Stadt des römischen Imperium nördlich der Alpen, später Zentrum von Austrasien, wie man die Gegend in Fränkischer Zeit nannte, und aus dieser Zeit stammt dann auch die moselfränkische Mundart, die man dort in diversen Unterdialekten spricht, wovon ich aber schon in einer früheren Woltähr-Rezi geschrieben habe. Walter Liederschmitt nun bastelt sich aus diesen Elementen ein ganz eigenes Heimatgefühl, ein einerseits recht künstliches und verkopftes regionales Identitätskonstrukt, das andererseits aber so recht in Gemüt geht. Desweitern ist zu vermerken, dass Walter ein großer Fan von Bob Dylon ist, was er wiederum mit Wolfgang Nideggen gemeinsam hat, woraus sehr wahrscheinlich die recht ähnliche Singweise der beiden resultiert: schräg eben, ein wenig wie noch nicht ganz wach (was in „Et Schloofleed“ auch thematisiert wird), aber gewollt und gut gekonnt.

Ein wenig unglücklich bin ich darüber, dass ich die Texte beim Hören schlechter verstehe, als bei den vorherigen CDs, obwohl mir der Dialekt vertraut ist. Aber gottlob sind die Texte ja im Büchlein zum Mitlesen drin, und das großenteils auch in hochdeutscher Übersetzung. Und die Texte thematisieren auf recht unterschiedliche Weise eben die Besonderheit dieser Region in Rheinland-Pfalz, Saarland, Lothringen und Luxemburg mit häufigem Blick westwärts über Paris bis zur Bretagne. Da mischen sich Moselwein mit Cidre, bretonische Tanzrhythmen (An Dro, Hanter Dro, Laridée 6 temps, Dans Leon, Ront de Saiunt-Vincent und Gavotte) mit rockiger Instrumentik und moselfränkischem (Delsches Platt und Lëtzebuergesch) Text, da mischt sich ein französischer Text dazwischen, dort wird ein jiddischer Klassiker eingemoselt. Ach man möchte sich mit de Schwatz Kaatz in de Kesse wenzele und sich moselwein- und viezselig im Kreise drehen!

Gesponsert scheint die Scheibe von einigen Winzern zu sein, denn für diese wird im Büchlein unaufdringlich, aber deutlich geworben. Leider sind es aber nur deutsche Winzer, keine Luxemburgischen, obgleich dort auch Moselwein wächst. Ob in Lothringen auch, weiß ich nicht. Grenzübergreifende Winzerwerbung hätte den Dreiländerrecks-Charme der CD noch erhöht. Und welche Moselschleife das Coverbild ziert, fand ich leider nirgends erklärt.

Und wer musiziert sonst noch mit?
Uwe Heil (Gitarren, Blues Harp)
Carsten Söns (Bässe)
Christian Meissner (Schlagzeug + Gedöns)
Gert Bukowsi (Keyboards)
Daniel Bukowski (weitere Bässe)
Dorle Schausbreitner (Gesang und Gitarre)
Florian Schaubreitner (Bass)
Markus Mihc (Gesang, Gitarre)
Patric Ludwig (Gesang)
R. Gollo Streffen & Renée Weber (Gesang)

Trackliste:
01. Son ar chistr
02. Et Platt-Leed
03. Austrasien
04. Lothrénger Meedchi
05. Les sabots d’Hélène
06. Et Schloofleed
07. Bei mir bes de scheen
08. Ich haon de Kir kréit
09. Schwatz Kaatz
10. Marion se pomène
11. Kouke mer mol
12. Saarburjer Viezleed
13. Wie Bloo Maathes freie ging
14. H[ae]dekuhr-Knepp
15. Danz danz Quiselchi
16. Echtern-Aacher Springprozess
17. Spillmannslidd
18. Zu Arel op der Knippchen
19. Et Goddelfr[ae]cheleed
20. Konzer-Delsches-Leed


Frühere Woltähr-Rezis von mir:
CD: Woltähr. Trierer Venus
CD: Woltähr. Trier by night
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2004/07/cd-rezension-wolthr-trierer-venus.html bzw. http://tinyurl.com/axchx
und
http://www.folkig.de/reviews/woltaehr.php3
CD: Walter Liederschmitt & Andreas Sickmann. Treverer Barden. Trier/Mosel
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/02/cd-rezension-walter-liederschmitt.html bzw. http://tinyurl.com/977wx
CD: Woltähr. Trier night & day. bonus tracks 2001 – 2005
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/02/cd-rezension-wolthr-trier-night-day.html bzw. http://tinyurl.com/9ype6

MAS