Sunday, March 25, 2007

Konzertrezension: Till Nine am 25.3.2007 im Bungertshof in Königswinter-Oberdollendorf

Till Nine am 25.3.2007 im Bungertshof in Königswinter-Oberdollendorf

Leider ist es schon nach neun – Abschiedskonzert der beliebten Königswinterer/Bonner Irish Folk Gruppe Till Nine


Ja, leider, leider war nun der Termin gekommen, an dem sich Christa Klose, Matthias Klose, Werner Rösner und Bernd Büsch als Quartett von ihrem Publikum verabschiedeten. Das Konzert hätte ja schon am 23.2. stattfinden sollen, aber da Christa am Hals erkrankt war, gab es damals nur eine Session. Aber nun war es so weit. Der Bungertshof war proppevoll, wenn es auch nicht zu 100% die selben Leute waren, die zum ersten Termin erschienen waren. Von den Musikern waren Karsten, Mario, Nicole und Näx da, und letzterer, also Alexander May, hielt vor Beginn des Konzertes eine Laudatio auf die Scheidenden. Er wies darauf hin, dass Till Nine eine aus drei Familien bestehende Band sei, da, wenn auch nicht auf der Bühne, so doch oft am Mischpult oder bei der Organisation auch Sabine und Birgit, die Frauen von Bernd und Werner dazu gehörten (man könnte also auch sagen, Till Nine sei eine Clanband), und er würdigte die Spielweise der Till Niner, vor allem, dass sie nicht einfach nur irische Idole wie Planxty, die Bothy Band, die Dubliners, die Pogues, Flook oder wen auch immer nachahmten, sondern, dass sie, vor allem was den Gesang und das Saitenspiel angeht, einen ganz eigenen Stil entwickelt hätten, der jedes Konzert in den letzten elf Jahren zu einer spannenden Angelegenheit gemacht habe. Näx nannte Till Nine deshalb eine große Band und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass sie, wenn sie schon wie andere große Bands wüssten, wann es Zeit sei, aufzuhören, auch wie andere große Bands wüssten, wann es Zeit sei, wieder auf die Bühne zurück zu kehren. Gut gesprochen, Näx, dem Wunsch schließe ich mich an und damit sind wir beide nicht alleine, wie man dem brausendem Beifall auf Deine Worte entnehmen konnte!

Bevor ich was zum Konzert erzähle, fasse ich kurz ein paar Stationen aus der Geschichte der Band zusammen. 1996 waren Christa und Mattes in Irland. Dort gibt es einen Stein, dessen Name mir gerade nicht einfällt. Jedenfalls heißt es, man könne auf diesen großen Stein ein kleines Steinchen werfen, und wenn das liegen bleibe, bekomme man einen Wunsch erfüllt. Christa warf geschickt genug und wünschte sich, zu Hause in Deutschland die Möglichkeit zu bekommen, irische Musik zu machen. Wieder daheim las sie in der „Annonce“ eine Suchmeldung, in der ein gewisser Günter Koch, sich selbst als Nichtmusiker bezeichnend, Musiker suchte, die mit ihm Irish Folk machen wollten. So bildete sich bald zunächst eine Probecombo bestehend aus Christa, Mattes, Günter, Werner und Carola Mittler. Und da sie so sessionmäßig zusammen saßen nannten sie sich „Sessúin“. Ganz knapp vor dem ersten oder einem der ersten Konzerte wurde ihnen aber mitgeteilt, dass es im Aachener Raum schon eine
Band dieses Namens gebe und sie sich umbenennen müssten. Da sie es sich zur Gewohnheit gemacht hatten, ihre wöchentliche Probe wegen der Kinder immer um 21 Uhr zu beenden, kamen sie auf den Namen „Till Nine“. Ich weiß jetzt nicht, ob es der allererste Auftritt war, aber zumindest traten sie in der Anfangszeit auch beim Bonner Folktreff im Anno Tubac auf, wo auch ich sie erstmals hörte. (Anfangs war ich auch gar nicht sooo begeistert von ihnen, wenn ich das hier mal so schreiben darf.) Günter allerdings ging 1997 für ein paar Jahre in die USA, doch wurde die dadurch entstandene Bandkrise beendet, indem Bernd in die Gruppe aufgenommen wurde. Günter, Carola und einige andere gründeten nach Günters Rückkehr die Band Irish Stew. Irgendwann bekam Till Nine noch mehr Zuwachs in Form von Sylvia Stephan. Sie war bis zuletzt auch noch hin und wieder Spezialgast. Das Quartett Christa, Mattes, Werner und Bernd bildete aber in den letzten Jahren den eigentlichen Kern der Gruppe, auch wenn Näx und Nicole ebenfalls immer wieder mal gerne als Gastmusiker mitspielten. 2002 brachten sie ihre CD „No Parking“ heraus. Ebenfalls 2002 und noch mal 2004 traten sie beim 1. und 3. Bonner Irish Folkfestival auf. Auch 2002 hatten sie einen weitnachmitternächtlichen Auftritt in der Balver Höhle. 2004 spielten sie eine Woche nach dem BIFF auf Petras und meiner Hochzeitsfeier im Kloster Heisterbach. Auch 2004 erlebte ich sie auch mal auf dem Dach der Kunst- und Ausstellungshalle. Dort spielten sie so heftig, dass ein noch heftiger Sturm heraufzog und in der Geschwindigkeit eines Stellungswechsels bei der Bundeswehr abgebaut werden musste. So vergingen die 11 Jahre wie im Fluge, ich habe sie mindestens sieben mal gehört, aber bislang nur zwei mal rezensiert, das heißt ab jetzt drei mal. Die Zukunftspläne der Vier sind mir auch unbekannt. Werner will sich musikstilistisch anders orientieren, die andern drei denken schon mal daran, vielleicht ja doch ... zumindest häufiger die Sessions zu besuchen, da ja jetzt die wöchentliche Probe weg fällt.

Nun aber zum Konzert des Abends selber: Das war wirklich schön, wie immer, und doch auch wieder anders als sonst. Von links nach rechts aus Publikumsperspektive saßen oder standen Werner (Gitarre, Bouzouki, Mandoline, Klangschale), Bernd (Gitarre, Mandoline, Djembe, Gesang), Christa (Gesang, Bhodrán, Mandoline) und Mattes (Tin und Low Whistles, Gesang, Gitarre, Djembe). Der gewohnte volle, eher weiche, harmonische Klang von Mattes’ Whistles, Christas Stimme und Bernds und Werners Saitenspiel erfüllte den Bungertshof und die Gemüter der Gäste mit Wohlbefinden. Und da möchte ich doch in einem Punkt dem Näx widersprechen: Es gibt doch ein Idol der Till Niner, das man auch heraushört: Clannad. Sowohl war Repertoire, als auch was die Spielweise angeht, sind sie auf ähnliche Weise in deren Fahrwasser wie auch Norland Wind es ist. „Newgrange“, „Struggles“, „Sally gardens“ und andere Lieder machen das deutlich. Klar, sie kopieren sie nicht, sondern bearbeiten die Stücke und arrangieren sie im Detail neu, und sie hatten natürlich auch andere Lieder dabei. Und vor allem klingt es immer wieder so wunderbar, dass man sie, zumindest wenn man ihnen den Amateurbonus zugesteht, denn die Proben finden ja immer am Feierabend nach vielstündiger Arbeit in ganz anderen Berufen statt, mit den Profis von Norland Wind in einem Atemzug nennen kann. Dann aber hat Näx wieder vollkommen Recht: Selbst mit Klassikern wie „Tell me Ma“ oder „Sister, oh sister“ überraschten sie zumindest mich an diesem Abend: Schon wieder neu arrangiert. Und dann Christas Gesang auf Walisisch (also Kymrisch) und auf Gälisch nebst dem Herumrätseln, welches Lied denn nun auf welcher keltischen Sprache ist. Dann der A-Capella-Gesang, an dem Werner sich stets weigert, mit zu singen (absolutly no vocals, weshalb er auch keine Ansagen machte). Dann die lustigen Ansprachen von Bernd, Christa und Mattes. Dann Mattes’ Whistlespiel: Er hat sich eine ganz eigene Blastechnik angewöhnt, die es bei geschlossenen Augen bisweilen nach Panflöte klingen ließ, so leicht übergehaucht. Dann die so fröhlichen Verbindungen von Songs und Reels in einem Stück. Die aber ließen das eine oder andere vom Text her traurige Lied, wie zum Beispiel „Skibbereen“ etwas zu fröhlich klingen (im Übrigen war es nicht der Kartoffelkäfer, sondern die Kartoffelfäule, die in den 1840ern in Irland die Hungersnot verursachte, eine Pilzerkrankung, und insofern stimmt Bernds Vergleich mit dem Pilz, der Ende des 19. Jh. Europas Weinberge verwüstete doch), während die „Weila Weile“ von Dur nach Moll umschrieben, damit es etwas schauriger klang. Und eines meiner Lieblingsstücke, die Kombination des Liedes „I will wear a ring“ (oder so) mit dem Reel, der Näx nach dem 2. BIFF unter der Dusche einfiel, und den er nun „Till Nine’s Reel“ nannte, war auch dabei, wobei Näx und Mattes im Duett flöteten. In der Zugabe gab es dann noch ein Leckerli: „The Star of the County Down“ in wunderbar soulig-jazziger Version, völlig neu arrangiert und variiert, und sehr originell war dann auch die Übersetzung des ursprünglich Kölschen „Joode Naach“ von den Bläck Fööss ins Irisch-Englische „Save farewell“, also mal der umgekehrte Weg, wie sonst üblich. Das alles zeigt, wie viel Potential in dieser Gruppe steckt. Das darf doch nicht einfach so ad acta gesteckt werden!!!

Viel zu schnell vergingen drei volle Konzertstunde (na gut, mit Pause). Es gab anschließend wieder eine Session, zu der wir aber nicht blieben, denn einem Sonntagabend folgt ein Montagmorgen.

Ob sie alle 30 noch vorhandenen CDs verkauften, weiß ich nicht. Notfalls fragt mal nach. Es lohnt sich! Eine zweite CD wurde auch schon mal aufgenommen, doch wurden die Aufnahmen gestohlen. Ich kann nur hoffen, dass sie vielleicht doch noch mal... Ja, das letzte Parting Glass ist noch nicht getrunken, das wage ich zu prophezeien!

http://www.till-nine.de
http://www.bungertshof.de/


Frühere Till Nine-Rezis von mir:
1. Bonner Irish Folk Festival am 20.4.2002 in der Harmonie in Bonn-Endenich
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2002/04/konzertrezension-1-bonner-irish-folk.html bzw. http://tinyurl.com/8oltl
3. Bonner Irish Folk Festival am 24.4.2004 in der Harmonie in Bonn-Endenich
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2004/04/konzertrezension-3-bonner-irish-folk.html bzw. http://tinyurl.com/7a877

Die Große Hungersnot in Irland:
http://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fe_Hungersnot_in_Irland

Rezis zu Irish Stew gibt es unter:
Bonner Folktreff mit Irish Stew am 14.12.2003 im Anno Tubac in Bonn (von Ferdi)
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2003/12/konzertrezension-bonner-folktreff-mit.html bzw. http://tinyurl.com/aqr44
Irish Stew am 1.4.2006 in der Harmonie in Bonn-Endenich
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/04/konzertrezension-irish-stew-am-142006.html bzw. http://tinyurl.com/msc95

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